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Christian Morgenstern im Alter von 18 Jahren.

Während die Gründung des Kaiserreichs vor 150 Jahren seit einigen Monaten für publizistischen Wirbel und wissenschaftliche Debatten sorgt, ziehen die Geburtstage anderer Kinder des Jahrgangs 1871 vergleichsweise geräuscharm vorüber. So ist zu Ehren Friedrich Eberts, des sozialdemokratischen Konkursverwalters des Deutschen Reiches am Ende des Ersten Weltkriegs und ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik, am 4. Februar zwar eine Briefmarke erschienen. Und auch die Pädagogin Hildegard Wegscheider wird im September aus Anlass ihres 150. Geburtstages durch das Bundesfinanzministerium geehrt (und einer breiteren Öffentlichkeit damit überhaupt erst bekannt) werden.

Von diesen Beispielen abgesehen, bleiben die im Jahr Eins des Kaiserreichs geborenen Bürger hinter den Strukturgeschichten über ihren Staat eigentümlich verborgen – und zwar nicht nur als Gegenstand von Postwertzeichen, sondern auch in den meisten Podiumsgesprächen und historischen Neuerscheinungen, die vorrangig um Kaiser und Kanzler, Parlament und Verfassung, Emanzipation und Beharrung sowie Demokratie und Antiparlamentarismus kreisen.

Wer den Vorteil biografischer Zugänge für das Verständnis historischer Entwicklungen kennt, begibt sich eher auf die Suche nach Personen und wählt den Blickwinkel von „Arbeitswelt und Bürgergeist“ (Thomas Nipperdey) auf die zwei Jahrhundertschwellen zurückliegende Epoche. Durch den Reiz der Jahreszahlen drängt sich dabei – ganz gegen sein Naturell – ein stiller Zeitgenosse auf, den noch heute fast jeder kennt, zumindest ein wenig: Christian Morgenstern.

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Der 150. Jahrestag der Gründung des kleindeutschen Nationalstaates und die aktuelle öffentliche Debatte über die deutsche Vergangenheit als Kolonialmacht haben das allgemeine Interesse an Otto von Bismarck wieder deutlich belebt. In vielen Medien erschienen Diskussionsbeiträge über die politische Rolle des ersten Reichskanzlers und die ihm gewidmeten Denkmäler. Ebenso zu lesen waren eher am Tourismus orientierte Artikel über einen der Bismarcktürme. Diese sind immer noch zahlreich – nicht nur – in Deutschland zu finden und werden vielerorts geradezu liebevoll von Vereinen instandgehalten.

Der neu erschienene Sammelband „1918 – das Ende des Bismarck-Reiches?“ geht nun über Betrachtungen zur historischen Rolle des Politikers Otto von Bismarck und seiner Verklärung zum Mythos deutlich hinaus. Wie die Herausgeber Holger Afflerbach und Ulrich Lappenküper einleitend schreiben, loten die Autoren Antworten auf die Frage aus, „wieviel von dem ursprünglichen Bismarckreich 1918 […] noch übrig war“ und „was vom politischen Erbe des Eisernen Kanzlers noch in unserem demokratisch verfassten Gemeinwesen fortlebt“. Die Beiträge gehen auf eine Konferenz der Otto-von-Bismarck-Stiftung zurück, die im April 2019 im Historischen Kolleg München stattfand. An der abschließenden Podiumsdiskussion nahm auch der Bundesminister und Bismarck-Kenner Peter Altmaier teil.

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Das zeitgenössische Schaubild zeigt Einnahmen, Ausgaben und Leistungen der Sozialversicherungen des Deutschen Reiches in den Jahren von 1885 bis 1909. Zu sehen ist diese Darstellung in der Dauerausstellung „Otto von Bismarck und seine Zeit“ im Historischen Bahnhof Friedrichsruh. (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

Was hat ein häufig als monarchischer Obrigkeitsstaat bezeichnetes politisches System mit Demokratie zu tun? Diese Frage stellt Markus Lang in seiner Einleitung zu einem lesenswerten Sammelband, in dem die Forschungen zum Kaiserreich und zur deutschen Demokratiegeschichte ertragreich miteinander verbunden werden. Die gerade erschienene Aufsatzsammlung ist Ergebnis der Online-Tagung „Einigkeit und Recht – doch Freiheit?“, zu der die Otto-von-Bismarck-Stiftung in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Orte der Demokratiegeschichte, der Forschungsstelle Weimarer Republik der Universität Jena und Weimarer Republik e.V. eingeladen hatte. 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzten im Oktober 2020 diese Möglichkeit, sich mit Blick auf den nahenden 150. Jahrestag der Reichsgründung 1871 über neue Forschungsansätze und Erkenntnisse auszutauschen.

Die Antworten auf die eingangs gestellte Frage zeichnen ein facettenreiches Bild der Rolle, die das Kaiserreich in der deutschen Demokratiegeschichte spielt. Die Beiträge sind fünf Themenbereichen zugeordnet, die die unterschiedlichen Ebenen von der Kommune bis zur Reichsregierung ebenso in den Blick nehmen wie die verschiedenen Akteure: Verfassung und politisches System; Massendemokratie und Gesellschaft, Parlament und Parteien; Kommunalpolitik und Demokratie; Intellektuelle und religiöse Milieus sowie Erinnerungskultur.

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