Den Ereignissen vor 175 Jahren wurde in den vergangenen Monaten bundesweit gedacht. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte in einer Festrede „Märzrevolution und Paulskirche“ als „große und folgenreiche Ereignisse in der deutschen Freiheits- und Demokratiegeschichte“. Prof. Dr. Manfred Hettling (Universität Halle) diskutiert in seinem Vortrag die geschichtspolitische Aussage, die mit dieser ausschließlich positiven Deutung getroffen wird.
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In seinem Vortrag im Historischen Bahnhof Friedrichsruh erinnert Dr. Ralf Zerback an Robert Blum. Der Publizist, Barrikadenkämpfer und Abgeordnete der ersten deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848 sei heute fast vergessen, obwohl er zu den geistigen „Urvätern“ der Bundesrepublik zähle – Blum sei „ein Freiheitspionier, ein Demokratie-Kraftwerk und ein Europa-Enthusiast“ gewesen. Dr. Zerback zeichnet den Lebensweg des Revolutionärs nach, der aus armen Verhältnissen stammte, sich autodidaktisch ausbildete und Zeitgenossen als der „beste Mann“ in der Nationalversammlung galt. Seinen Tod fand er am 9. November 1848 vor einem Erschießungskommando, nachdem er vergeblich versucht hatte, in Wien die Revolution gegen die reaktionäre österreichische Monarchie zu verteidigen.
Der Vortrag fand am 9. November 2023 statt. Titelbild unter Verwendung von „Robert Blum’s letzter Kampf für Deutschland’s Freiheit zu Wien, den 28ten October 1848“, Lithografie von Louis Schmitt, 1849
Am 23. März des Jahres 1819 wurde zum ersten Mal in der jüngeren deutschen Geschichte ein politisches Attentat verübt, das die Politik im Zeitalter der Restauration (1815 –1830) sowie des „Vormärz“ (1830 – 1848) nachhaltig bestimmen sollte – an diesem Tag ermordete der 23-jährige Theologiestudent Karl Ludwig Sand einen der wichtigsten Theaterdichter seiner Zeit: August von Kotzebue. An diese Tat wird in der Dauerausstellung der Otto-von-Bismarck-Stiftung im Historischen Bahnhof von Friedrichsruh erinnert. Dort ist eine in ein Medaillon eingelassene Haarlocke des Täters ausgestellt.
Am Mittag jenes 23. März ging Karl Ludwig Sand zum Hause seines Opfers Kotzebue in Mannheim und versuchte, unter einem Vorwand ein Gespräch mit ihm zu führen. Da Kotzebue nicht zu sprechen war, musste er sein Vorhaben zunächst aufgeben, kehrte aber einige Stunden später zurück. Dieses Mal wurde Sand vorgelassen, holte seinen Dolch heraus und stach dem Dichter, den er als „Verräter des Vaterlandes“ betrachtete, mehrfach in die Brust. Plötzlich bemerkte Sand, dass der vierjährige Sohn Kotzebues den Mordanschlag gesehen hatte. In Panik drückte er Kotzebues herbeigeeiltem Diener sein Bekennerschreiben in die Hand, floh aus dem Haus und stieß sich auf offener Straße den Dolch zwei Mal in den eigenen Leib. Schwer verletzt und blutüberströmt wurde er ins Hospital gebracht, überlebte aber seinen Selbstmordversuch. Das Attentat sorgte in der deutschen Öffentlichkeit für einiges Aufsehen und es stellte sich die Frage, wer dieser Sand war und was ihn zu einer solchen Tat bewogen haben mochte?
Wie kann man heute das 150-jährige Jubiläum der Reichsgründung 1871 angemessen begehen? So lautete eine der zentralen Fragen einer Tagung, zu der im Oktober 2020 die Arbeitsgemeinschaft Orte der Demokratiegeschichte zusammen mit der Otto-von-Bismarck-Stiftung, der Forschungsstelle Weimarer Republik der Universität Jena und Weimarer Republik e. V. eingeladen hatte. Mehr als die Hälfte der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich auf dieser Online-Veranstaltung über neue Forschungsansätze und Erkenntnisse austauschten, hat nun zum Tagungsband unter dem Titel „Einigkeit und Recht, doch Freiheit?“ Aufsätze beigesteuert. Der Band bietet damit eine überarbeitete und deutlich erweiterte Fassung der Tagungsbroschüre, die zuvor online erschienen ist (siehe auch: Ein Platz in der Demokratiegeschichte).
Am Ende des Beitrags finden Sie diesen Hamburger Bismarck-Vortrag in voller Länge.
Sind die momentan vielerorts zu hörenden lauten Klagen über eine immer tiefere Spaltung unserer Gesellschaft berechtigt? Stört die sogenannte Identitätspolitik den gesellschaftlichen Zusammenhalt und sollte nicht ein größerer Gemeinsinn vorherrschen? Diese aktuellen Fragen standen im Mittelpunkt des diesjährigen Hamburger Bismarck-Vortrags, für den wir den Politikwissenschaftler Prof. Dr. Jan-Werner Müller gewinnen konnten. Er lehrt an der Princeton University und ist in diesem Akademischen Jahr Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Jan-Werner Müller hat mehrere Bücher zu demokratietheoretischen Fragen vorgelegt und wählte diese Perspektive auch in seinem Vortrag „Konflikt und Kohäsion in der Demokratie“, den wir live im Internet übertragen haben.
„Durch das Wissen um die schwierigen Wege zu Freiheit und Demokratie kann die Sensibilität entwickelt werden, Gefährdungen des demokratischen Grundkonsenses zu erkennen.“ Dieses Wissen zu vermitteln, zählt zu den wichtigen Zielen der Arbeitsgemeinschaft Orte der Demokratiegeschichte, der auch die Otto-von-Bismarck-Stiftung angehört.
Die Arbeitsgemeinschaft Orte der Demokratiegeschichte wurde im Juni 2017 in Berlin von 34 Organisationen und Institutionen aus ganz Deutschland im Beisein von Prof. Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien, gegründet; ihre Mitgliederzahl ist mittlerweile auf fast 50 angestiegen. Ein SprecherInnenrat, der alle zwei Jahre neu gewählt wird, organisiert und vertritt die AG nach innen und außen. Weiterlesen