Vor fast 140 Jahren kam es in Berlin zu einer Konferenz, die für die Zukunft der Menschen in Afrika, ihre politischen Systeme, Gesellschaften und Wirtschaften schwerwiegende Folgen haben sollte. Vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 diskutierten auf Einladung der Regierungen des Deutschen Reichs und Frankreichs Abgesandte europäischer Mächte sowie des Osmanischen Reichs und der USA über die Handelsfreiheit in den Regionen der Flüsse Kongo und Niger. Ohne auch nur einen Vertreter afrikanischer Interessen zu hören, legten sie Regeln fest, um Gebiete an der afrikanischen Küste in Besitz nehmen zu können, ohne sich dabei gegenseitig einer Kriegsgefahr auszusetzen.
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Der Historikertag fand in diesem Jahr Anfang Oktober in München unter dem Titel „Deutungskämpfe“ statt. Die Politikergedenkstiftungen des Bundes haben sich mit der Diskussionsveranstaltung „Deutsche Staatsmänner postkolonial – eine geschichtspolitische Herausforderung“ beteiligt, moderiert wurde diese von Prof. Dr. Gabriele Metzler (Humboldt-Universität zu Berlin).
Die aktuelle, westliche Debatte über Kolonialgeschichte, Dekolonialisierung und die Frage der historischen Verantwortung erweiterte Prof. Dr. Sven Saaler mit seinem Vortrag im Historischen Bahnhof Friedrichsruh um eine fernöstliche Perspektive: Er zeichnete den Aufstieg Japans zur Kolonialmacht nach.
Der Historiker, der an der Sophia-Universität in Tokio lehrt, setzte den Schwerpunkt seiner Analyse auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und zeigte so auch die Ursprünge gegenwärtiger Grenzstreitigkeiten Japans mit verschiedenen anderen Staaten auf. Indem er die japanischen Expansion in die vier Stufen Inlandskolonialismus, formales und informales Kolonialreich sowie Besatzung ausdifferenzierte, schlug er zugleich einen Bogen bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Immer wieder in den Mittelpunkt gerückt wurde die Besetzung und Annexion Koreas, dessen Gesellschaft jahrzehntelang um ihre Selbstbestimmung kämpfte.
Im Video genannter Literaturhinweis:
Chiharu Inaba / Sven Saaler
Der Russisch-Japanische Krieg 1904/05 im Spiegel deutscher Bilderbogen
In der in den Print- und den sozialen Medien jüngst geführten Diskussion über Bismarcks Rolle in der deutschen und europäischen Kolonialpolitik und die darum gewachsene Erinnerungskultur ist gelegentlich auch nach relevanten Forschungs- und Vermittlungsaktivitäten der Otto-von-Bismarck-Stiftung gefragt worden.
Die Stiftung kommt dem Wunsch nach Informationen über ihre wissenschaftlichen Forschungen und historisch-politische Bildungsarbeit der letzten Jahre im Kontext der Kolonialpolitik des deutschen Kaiserreichs mit dem hier in chronologischer Reihenfolge verfassten Überblick gerne nach.
Publikationen
Otto von Bismarck, Gesammelte Werke (Neue Friedrichsruher Ausgabe), Abteilung III 1871-1898, Schriften Bde. 1-9, Paderborn u.a. 2004-2020 (mit zahlreichen Bismarck-Dokumenten zur Kolonialpolitik).
Ulrich Lappenküper, Ausgleich mit Frankreich? Bismarck und die deutsche Kolonialpolitik, in: Historische Mitteilungen der Ranke-Gesellschaft 24 (2011), S. 177-205.
Winfried Speitkamp, Otto von Bismarck und die Kolonialpolitik – ein Ausweg aus der Wirtschaftskrise?, in: Michael Epkenhans/Ulrich von Hehl (Hg.), Bismarck und die Wirtschaft (Wissenschaftliche Reihe, Bd. 17), Paderborn u.a. 2013, S. 59-76.
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In der aktuellen Debatte über Deutschlands historische Rolle als Kolonialmacht sind Stimmen laut geworden, die den Sturz der Bismarckdenkmäler und die Umbenennung von Bismarckstraßen fordern. In dieser stark verkürzten und die Geschichte verzerrenden Argumentation dient der erste Reichskanzler als eine Symbolfigur für Rassismus. Diese Zuschreibung wird damit begründet, dass er nach langer Ablehnung schließlich 1882 doch dem deutschen Erwerb von Kolonialbesitz zugestimmt hatte.
In Hamburg konzentriert sich die Diskussion derzeit vor allem auf die von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossene Sanierung des Bismarck-Denkmals im Alten Elbpark. Bleicherhaus e.V., eine Institution der politischen Bildungsarbeit in der Hansestadt, hat nun auf YouTube zu diesem Thema drei Videos hochgeladen, mit denen die gesamte Auseinandersetzung auf eine breiter fundierte Basis gestellt wird. Nach einer kurzen Einleitung im ersten Video „Bismarck: Vater der deutschen Nation oder konservativer Sozialistenfeind?“ vermittelt zunächst Ulrich Hentschel einen Überblick über die Politik des ersten Reichskanzlers, wobei insbesondere die Bezüge zu Hamburg betont werden. Bismarck wird als „Doppelstratege“ vorgestellt, für den die Sozialistengesetze und die Sozialgesetzgebung keinen Widerspruch bedeuteten. Hentschel erinnert unter anderem auch an die bedeutende Rolle Hamburger Kaufleute, allen voran von Adolph Woermann, die den Kolonialerwerb vorantrieben und dafür beim ersten Reichskanzler massiv lobbyierten.
Welche Bedeutung hat die Vergangenheit als Kolonialmacht für Deutschland heute? Während diese Frage lange Jahre eher überhaupt nicht gestellt wurde, ist sie seit drei Jahren im öffentlichen Diskurs virulent – ausgelöst durch Recherchen über Raubkunst in deutschen Museen, wie Prof. Dr. Jürgen Zimmerer bei seinem Vortrag mit dem Titel „Vergangenheit, die nicht vergehen will? 135 Jahre deutsche Kolonialgeschichte“ im Historischen Bahnhof Friedrichsruh berichtete. Er ist Professor für Globalgeschichte mit Schwerpunkt Afrika an der Universität Hamburg und Leiter der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die (frühe) Globalisierung“.
Anfänglich habe der Fokus auf den Diebstählen jüdischen Eigentums in der NS-Zeit gelegen, so Zimmerer, aber dann seien die Bestände ethnologischer Sammlungen insgesamt in den Blick geraten. Vor allem ausgelöst worden sei dies durch die Frage, was im neuen Humboldt-Forum in Berlin gezeigt werden wird – rechtmäßig erworbene oder geraubte Kunst? Denn im dort geplanten Ethnologischen Museum sollen unter anderem die Benin-Bronzen ausgestellt werden, die größtenteils zweifelsfrei in Afrika von der britischen Kolonialmacht geraubt und auch von deutschen Sammlungen aufgekauft worden waren.