Richard Neuhauss (1855–1915): Otto Lilienthal am Fliegeberg in Lichterfelde (Berlin), 1895, Silbergelatineabzug (Otto-Lilienthal-Museum, Anklam).

Die Eisenbahn war seit den 1830er-Jahren als Selbstverständlichkeit ins Leben Otto von Bismarcks getreten: Ihr Ausbau hatte einen wesentlichen Anteil an den preußischen Siegen in den sogenannten Einigungskriegen. Die seit 1846 bestehende Verbindung zwischen Hamburg und Berlin sorgte für eine hochmoderne Anbindung des Alterswohnsitzes Bismarcks in Friedrichsruh, von wo er in die Reichshauptstadt pendelte und wohin Besucher zu ihm dampften. So weit, so erwartbar, war Bismarck (1815-1898) doch ein Kind des sprichwörtlichen Eisenbahnzeitalters, das sich im Laufe seines Lebens auch noch an die Telegraphie und das elektrische Licht gewöhnte.

Die Professionalisierung einer nicht weniger bahnbrechenden Erfindung fällt in seine letzten Lebensjahre, aber nach allem, was wir wissen, nahm er sie nicht oder kaum zur Kenntnis – gemeint ist das Fliegen. Dieses substantivierte Verb fehlt in den gängigen Bismarck-Zitatensammlungen ähnlich wie die Begriffe Vogel, Montgolfière, Luftfahrt, Ballonfahrt und, man ahnt es, auch der Name Otto Lilienthal.
Dabei gelangen dem Flugpionier seine spektakulären Gleitflüge noch zu Bismarcks Lebzeiten, ja er verlor sein Leben 1896 sogar zwei Jahre vor seinem 33 Jahre älteren Namensvetter. Ob Bismarck davon Notiz nahm, ist nicht überliefert. Durch Zeitungsartikel oder in Gesprächen mag er davon erfahren haben, belegen lässt sich eine Auseinandersetzung mit dem Thema nicht.

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„The Signing of Peace in the Hall of Mirrors, Versailles, 28 June 1919“, Gemälde von William Orpen (Public Domain)

In seinem Vortrag „Frieden durch Recht? Der Aufstieg des modernen Völkerrechts und der Friedensschluss nach dem Ersten Weltkrieg“ analysierte Prof. Dr. Marcus M. Payk die rechtliche Argumentationslinie der Entente-Mächte im Ersten Weltkrieg sowie auf der Pariser Friedenskonferenz gegenüber dem Deutschen Reich und dessen Reaktion nach der Vorlage des Versailler Vertrages.

Marcus M. Payk ist Professor für Neuere Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der westeuropäischen Geschichte an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg und hat sich mit dem Vortragsthema habilitiert. Seine Interpretation stieß gestern im Historischen Bahnhof Friedrichsruh auf großes Interesse.

Payk ging von der These aus, dass sich in Europa bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Auffassung durchgesetzt habe, die Beziehungen der Staaten zueinander nicht mehr durch Macht, sondern durch das Recht zu regeln. Gelten sollte diese Auffassung allerdings nur im Verhältnis der „zivilisierten“ Staaten, weiten Teilen von Afrika und Asien sei dieser Status vor dem Hintergrund der Kolonialisierung nicht zugestanden worden.

Das deutsche Kaiserreich habe aus Sicht der Entente-Mächte mit diesem Konsens 1914 gebrochen – nicht durch den Beginn des Krieges an sich, sondern durch den Vorstoß der Armee in den Norden Frankreichs durch das neutrale Belgien. Damit sei der Vertrag von 1839, mit dem Belgien seine Unabhängigkeit, Sicherheit und Neutralität zugesichert erhalten hatte, verletzt worden. Diesen Rechtsbruch hätten die Alliierten nicht als eine notwendige Kriegsstrategie des Deutschen Reiches gewertet, sondern als Barbarei. Daher hätten Frankreich, Großbritannien und dann auch die USA die Führung des Krieges als Verteidigung des Rechts definiert.

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Stephan Puille demonstrierte, wie der Phonograph aus unserer Dauerausstellung funktioniert.

Vor 130 Jahren kam es zu einer einzigartigen Tonaufnahme: Adelbert Theodor Wangemann nahm am 7. Oktober 1889 in Friedrichsruh mit einer sensationellen neuen Erfindung, dem Phonographen, Bismarcks Stimme auf. Der NDR wird mit dem Beitrag „Die Wiederentdeckung von Bismarcks Stimme“ in der Reihe „Zeitreise“, die immer sonntags im Schleswig-Holstein-Magazin gezeigt wird, am 1. Dezember an dieses historische Ereignis erinnern. Die Dreharbeiten dazu haben im Historischen Bahnhof Friedrichsruh stattgefunden. Prof. Dr. Ulrich Lappenküper, Geschäftsführer der Otto-von-Bismarck-Stiftung, und der Tonhistoriker Stephan Puille, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, erzählten dem Fernsehteam von der Aufnahme, ihrer Wiederentdeckung und ihrer historischen Bedeutung.

„Allons enfants de la Patrie / Le jour de gloire est arrivé / Contre nous de la tyrannie / L’étendard sanglant est levé“ – Die erste Strophe der Marseillaise ist, trotz des lauten Rauschens der Walze, nicht zu überhören. Die deutschen Zeitungen aber erwähnten damals, im Jahr 1889, mit keiner Silbe, dass Otto von Bismarck für diese Tonaufnahme ausgerechnet die französische Nationalhymne zitierte. Dabei sei sie nicht zufällig ausgewählt worden, ist sich Prof. Dr. Ulrich Lappenküper sicher: „Bismarck drückte damit seine Wertschätzung für die Französische Republik aus.“ Dies passe zu den wiederholten Versuchen des ersten Reichskanzlers, die Wunde, die auf beiden Seiten durch den Krieg 1870/71 entstanden sei, durch Kooperation zu heilen.

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Dr. Rudolf Seiters erzählte anschaulich und spannend von seiner politischen Tätigkeit im geschichtsmächtigen Jahr 1989.

Mit einem herzlichen Applaus ist gestern Abend Dr. Rudolf Seiters im sehr gut besuchten Theatersaal des Augustinum Aumühle empfangen worden. Der Förderverein der Otto-von-Bismarck-Stiftung e.V. hatte ihn eingeladen, den Jahresvortrag über „30 Jahre Mauerfall“ zu halten. Dr. Seiters sprach als Zeitzeuge und als einer der damaligen politischen Akteure, denn 1989 war er „Chef im Maschinenraum“ der Politik, wie es Norbert Brackmann, Vorsitzender des Fördervereins, treffend formulierte.

Nach einer kurzen historischen Einordnung der deutschen Teilung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erzählte Dr. Seiters, heute Vorsitzender des Kuratoriums der Otto-von-Bismarck-Stiftung, wie ruhig das Revolutionsjahr 1989 für ihn begonnen hatte: Als er im April Wolfgang Schäuble als Chef des Bundeskanzleramtes nachgefolgt sei, habe dieser ihm wichtige Akten übergeben – keine davon habe die DDR betroffen. Innerhalb weniger Wochen sollte sich die Lage dramatisch ändern. Als die Zahl der Flüchtlinge in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin und in der Botschaft in Prag rasant gestiegen sei, habe man mit der DDR-Regierung zu verhandeln begonnen – dieser hätten aber die eigenen Bürger nicht mehr vertraut. Deshalb seien Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und er am 30. September 1989 zusammen nach Prag geflogen, um den 5.000 Botschaftsflüchtlingen dort nicht nur die Zustimmung Ost-Berlins zu ihrer Ausreise mitzuteilen, sondern ihnen auch die Sicherheit zu vermitteln, dass sie keinen Wortbruch zu befürchten hätten – Genscher sprach damals auf dem Balkon den sicher berühmtesten Halbsatz der jüngeren deutschen Geschichte: „Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise …“. Dies sei auch für ihn ein sehr emotionaler Moment gewesen, sagte Dr. Seiters und berichtete bewegt, dass er im September dieses Jahres wieder die Prager Botschaft besucht und bei einer Feier 400 der ehemaligen Flüchtlinge getroffen habe, die alle immer noch sehr glücklich über ihre Freiheit seien.

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Das Kalenderblatt für den Januar: „Das Bundeskanzleramt im Felde“, Farblithografie nach einer Zeichnung von Otto Wisnieski.

150 Jahre sind es im kommenden Jahr her, dass der Deutsch-Französische Krieg ausbrach. Mit einem Wandkalender für das Jahr 2020 erinnern wir an dieses für viele tragische Ereignis, das in die Erfüllung eines langen deutschen Traums – die Gründung des Deutschen Reichs – mündete. Jedes Kalenderblatt zeigt einen Druck, eine Lithografie oder ein Faksimile aus dem Bestand der Otto-von-Bismarck-Stiftung.

Gespiegelt wird damit eine historische Entwicklung, die für uns heute nach Jahrzehnten der deutsch-französischen Freundschaft und dem Miteinander unter dem Dach der Europäischen Union in weite Ferne gerückt ist: Mit dem Krieg 1870/71 entluden sich lange schwelende Spannungen zwischen dem aufstrebenden Preußen und einem Frankreich, das in der deutschen Nationalbewegung eine Bedrohung der eigenen Machtstellung in Europa sah. Der damals aktuelle Anlass ist heute kaum noch nachzuvollziehen: die Kandidatur des Erbprinzen Leopold (1835-1905) aus der süddeutschen Hohenzollern-Linie von Sigmaringen für den spanischen Thron, der nach einem Militärputsch 1868 vakant geworden war. Weiterlesen

Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst in seiner Straßburger Zeit

Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst in seiner Straßburger Zeit

Kein anderer deutscher Politiker des 19. und 20. Jahrhunderts war so lange in politischen Ämtern aktiv wie er: Über 50 Jahre diente Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst zunächst als bayerischer Abgeordneter und Ministerpräsident, seit 1871 als Reichstagsabgeordneter, Botschafter in Paris, Staatssekretär des Auswärtigen, Statthalter in Elsass-Lotheringen und schließlich ab 1894 – im Alter von 75 Jahren – als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident. In seinem gestrigen Vortrag im Historischen Bahnhof Friedrichsruh konzentrierte sich Dr. Volker Stalmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien in Berlin, auf diese letzte Station und skizzierte ein ambivalentes Bild dieses erfahrenen Politikers.

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Der Ehrenbürgerbrief der Stadt Bad Kissingen

Insgesamt 71 Wochen seines Lebens kurte Otto von Bismarck in Bad Kissingen und hoffte dabei auf Linderung seiner gesundheitlichen Beschwerden ebenso wie auf ein gewisses „geistiges Stumpfwerden“ zwecks allgemeiner Entspannung. Dabei war er ein so gerngesehener Gast, dass er einmal nach seiner Ankunft klagte, die jubelnde Bevölkerung habe ihn zu „armermüdender Grüßarbeit“ genötigt.

Ganz ohne Arbeit kamen diese Kuraufenthalte ohnehin nicht aus. Solange Bismarck seine Regierungsämter innehatte, erledigte er seine Aufgaben überall dort, wo er sich gerade aufhielt. Der Stadt Bad Kissingen wurde dabei die besondere Ehre zuteil, Namensgeberin eines seiner wichtigsten Dokumente zu werden: Im „Kissinger Diktat“ hielt er 1877 Leitlinien seiner künftigen Außenpolitik fest.

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Schloss Rheinsberg auf einer Postkarte aus dem Jahr 1907 (Public Domain).

Rheinsberg hat in der Literatur prominente Beachtung gefunden, bei Theodor Fontane in seinen „Wanderungen durch die Mark Bandenburg“ oder bei Kurt Tucholsky in einem „Bilderbuch für Verliebte“. Der Publizist Eberhard Pühl zeigt in einem neu erschienenen Band, dass in dieser kleinen Reihe ein Name zu ergänzen ist: Annemarie Schwarzenbach.

Einige wenige Zeilen mit der Beschreibung des Gartens und des Säulengangs, der die beiden Seitenflügel des Schlosses verbindet, genügen Pühl als Hinweis: Ein wesentlicher Teil der „Lyrischen Novelle“, 1933 von Annemarie Schwarzenbach nach schwerem Liebeskummer veröffentlicht, spielt im namentlich ungenannten Rheinsberg. „Diese Stadt ist so klein, man kennt nach einem einzigen Spaziergang jeden Winkel“, so ihre weitere Beschreibung. Pühl, der zuvor unter anderem Bände über Parks und Gärten veröffentlichte, ist der Schriftstellerin nachgereist und erkundet in dem schmalen Band „Annemarie Schwarzenbach in Rheinsberg“ ihr Werk und Leben. Um ein historisch präzises Bild zeichnen zu können, hat er sich auch bei Prof. Dr. Ulrich Lappenküper, Geschäftsführer der Otto-von-Bismarck-Stiftung, über den Familienstammbaum sowie den Bismarck-Mythos informiert: Die 1908 geborene Schriftstellerin gehörte zur weitverzweigten Familie Bismarck, ihre Großmutter Clara Gräfin von Bismarck war eine Cousine dritten Grades des ersten Reichskanzlers.

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Wer im Fontane-Jubiläumsjahr schon lange auf einen kleinen Fontane-Text im Bismarck-Blog gewartet hat, für den haben wir jetzt etwas gefunden. Und zwar etwas mit der Fontane-typischen Genauigkeit der Beobachtung, die als sicheres Stilmittel gelegentlich zur überdetaillierten Schilderung neigt und dann unerwartet in einer lakonischen Pointe endet. Das Zitat stammt aus einem Brief Fontanes an den Schriftstellerkollegen und Verleger Julius Rodenberg vom 11. Juni 1889.*

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Das „Deutsch-Ostafrika-Ehrenmal“ in Aumühle (zur Erläuterung siehe unten).

Welche Bedeutung hat die Vergangenheit als Kolonialmacht für Deutschland heute? Während diese Frage lange Jahre eher überhaupt nicht gestellt wurde, ist sie seit drei Jahren im öffentlichen Diskurs virulent – ausgelöst durch Recherchen über Raubkunst in deutschen Museen, wie Prof. Dr. Jürgen Zimmerer bei seinem Vortrag mit dem Titel „Vergangenheit, die nicht vergehen will? 135 Jahre deutsche Kolonialgeschichte“ im Historischen Bahnhof Friedrichsruh berichtete. Er ist Professor für Globalgeschichte mit Schwerpunkt Afrika an der Universität Hamburg und Leiter der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die (frühe) Globalisierung“.

Anfänglich habe der Fokus auf den Diebstählen jüdischen Eigentums in der NS-Zeit gelegen, so Zimmerer, aber dann seien die Bestände ethnologischer Sammlungen insgesamt in den Blick geraten. Vor allem ausgelöst worden sei dies durch die Frage, was im neuen Humboldt-Forum in Berlin gezeigt werden wird – rechtmäßig erworbene oder geraubte Kunst? Denn im dort geplanten Ethnologischen Museum sollen unter anderem die Benin-Bronzen ausgestellt werden, die größtenteils zweifelsfrei in Afrika von der britischen Kolonialmacht geraubt und auch von deutschen Sammlungen aufgekauft worden waren.

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