Gewaltige Fußabdrücke, oder: Bismarcks Stulpenstiefel (Ausrüstung 1/3)

Stulpenstiefel auf Spannern ( 89 x 17 x 31cm³), getragen um 1890, unbekannter Hersteller, Zustand: Leder abgenutzt, Schäfte beidseitig beschädigt, Zu sehen im Bismarck-Museum, Friedrichsruh (Inventar-Nr.: A 092)

Zugegeben: Ein Schuhwerk des ersten deutschen Reichskanzlers zum Exponat des Monats zu erheben, mag dem Leser des Blogs seltsam vorkommen, wenn nicht sogar ein irritiertes Kopfschütteln hervorrufen: „Haben Archiv, Stiftung und Museum wirklich nicht mehr zu bieten, als ein paar alte Lederstiefel?“

„Doch, haben sie“, muss die eindeutige Antwort auf diese Frage lauten. Genau aus diesem Grund ist es wichtig, auch auf die unscheinbareren Objekte im Bismarck-Museum aufmerksam zu machen, die sonst Gefahr laufen, beispielsweise von Orden überstrahlt oder vom Gewicht der Mitrailleuse erdrückt zu werden. Außerdem bildet der Artikel über die imposante Fußbekleidung den Auftakt zu einer kleinen Reihe über den militärischen Anputz des Fürsten, frei nach dem Motto „Des Kanzlers alte Kleider“.

Eine dieser ʻkleinerenʼ im Museum ausgestellten Objekte sind die zur Kürassier-Uniform Otto von Bismarcks gehörenden schwarzen Stulpenstiefel, welche knapp einen Meter messen und damit beeindruckend hoch sind. In jener vollen Höhe mit hochgekrempelter Stulpe wurden diese allerdings nur im Gefecht getragen. Die für gewöhnlich aus mehrlagigem Rindsleder gefertigten Stiefel fanden in vielen berittenen Einheiten Verwendung, wo sie auch in der hier ungepanzerten Version ohne Stahlplatte noch einen gewissen Schutz – beispielsweise vor z.B. Hieben – boten. Auf Höhe der Ferse ist ein der Befestigung des Sporns dienender Metallbügel zu erkennen, der wiederum durch einen auf dem Spann liegenden Lederriemen zusammengehalten wird. Otto von Bismarck gehörte zwar nur ehrenhalber zum Kürassier-Regiment v.Seydlitz (Magdeburgisches) Nr.7, war aber aufgrund dieser Tatsache zum Tragen der Regimentsuniform berechtigt, was die Stiefel mit einschloss; die hier abgebildeten Exemplare wurden um 1890 vom Altreichskanzler getragen.

Doch nicht nur die physischen Abdrücke der Stiefel waren gewaltig, auch im Sprachgebrauch schlug sich der Begriff der Kürassierstiefel nieder. So schrieb Otto Ladendorf in seinem 1906 erschienenen Werk Historisches Schlagwörterbuch, dass mit diesem „bildliche[n] Ausdruck“ „die Gegner Bismarcks seine Politik als ein rücksichtsloses Draufgängertum verhöhnten, [diesen] aber alsdann von den Verehrern des eisernen Kanzlers freudig ausgenommen und zur ehrenden Anerkennung seines kraftvollen, patriotischen Selbstbewußtseins umgeprägt wurde.“[1] Er verweist zudem auf ein 1867 veröffentlichtes Buch des Historikers Johannes Scherr[2], der an einer Stelle verschiedene politische Ausrichtungen beschreibt: „und ihr küsst morgen die Kürassierstiefeln Bismarcks“[3].

Die explizite Nennung der Stiefel lassen diese zu einem Symbol des weitreichenden Einflusses des Reichskanzlers werden, versinnbildlichen sowohl die physische Wirkmacht Otto von Bismarcks als auch den Stil seiner politische Tätigkeit und bilden somit ein standfestes Duo in ihrer Funktion als Exponat des Monats.

[1] http://www.textlog.de/schlagworte-kuerassierstiefel.html, zuletzt aufgerufen am 23.10.2014.

[2] http://gutenberg.spiegel.de/autor/718, zuletzt aufgerufen am 23.10.2014.

[3] Scherr, Johannes: Aus der Sündflutzeit, Leipzig 1867, S. 301; hier: Vorlage der Bayerischen Staatsbibliothek: http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10425388-3, zuletzt aufgerufen am 23.10.2014.