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Vor 140 Jahren öffnete Otto von Bismarck die Berliner Afrika-Konferenz. (Zeitgenössische Zeichnung von Adalbert von Roessler)

Berlin, 15. November 1884: Der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck eröffnet im Reichskanzlerpalais in der Wilhelmstraße 77 eine Konferenz, deren Programm aus Sicht der Zeitgenossen von dem Grundgedanken geleitet war, „allen Handel treibenden Nationen den Zugang zum Inneren Afrikas zu erleichtern“. Unter den 14 teilnehmenden Staaten – neben Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Portugal sendeten auch Österreich-Ungarn, Russland, Italien, Spanien, die Niederlande, Belgien, Dänemark und Schweden-Norwegen sowie das Osmanische Reich und die Vereinigten Staaten von Amerika einen Vertreter – war kein afrikanischer Herrscher. Denn die „Kongo-Konferenz“ sollte aus Sicht der globalen Groß- und Mittelmächte lediglich zwischen ihnen die „Freiheit des Handels im Becken des Kongo und im Bereich seiner Mündung“ festschreiben.

Der Tischgong zeigt stark idealisiert eine friedliche europäisch-afrikanische Begegnung (zu sehen in der Dauerausstellung im Historischen Bahnhof Friedrichsruh).

Doch das Ergebnis der abschließenden Generalakte war deutlich umfangreicher. Sie regelte nicht nur Handel und Schifffahrt im und auf dem Kongo, sondern auch auf dem Niger und setzte zudem erstmals völkerrechtliche Maßstäbe für die „effektive Besitzergreifung“ an den Küsten des afrikanischen Festlandes. Deshalb gilt sie als das Symbol des „Scramble for Africa“, auch wenn die Imperialmächte in Berlin nicht die konkrete Aufteilung Afrikas beschlossen. Diese hatte vielmehr längst vor dem Berliner Winter 1884/85 begonnen und zog sich danach noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein. „Dennoch trägt Bismarck als Gastgeber eine initiierende Verantwortung für die Grenzziehungen in Afrika, die später nach den Regeln der Konferenz durchgesetzt wurden“, erklärt Dr. Ulf Morgenstern, Geschäftsführer der Otto-von-Bismarck-Stiftung.

Die Otto-von-Bismarck-Stiftung hat bereits im vergangenen Jahr mit einer internationalen Tagung auf die historische Berliner Afrika-Konferenz aufmerksam gemacht. Zum Gedenken an dieses bis heute umstrittene Ereignis wird demnächst ein um zahlreiche Beiträge erweiterter Tagungsband erschienen. Im Februar 2025 wird er – 140 Jahre nach dem Ende der historischen Berliner Afrika-Konferenz – in Friedrichsruh vorgestellt.

 


Prof. Dr. Jörn Leonhard eröffnet mit seinem Vortrag die wissenschaftliche Tagung „Die Berliner Afrika-Konferenz 1884/85: Impulse zu einem umstrittenen globalen Ereignis“.

Das Deutsche Reich sei „in Ungerechtigkeit geboren“ und „in Schmach geendet“. Mit diesem Zitat des damaligen französischen Staatspräsidenten Raymond Poincaré aus seiner Eröffnungsrede der Versailler Friedenskonferenz 1919 setzte Prof. Dr. Jörn Leonhard (Universität Freiburg) zu Beginn seines Vortrags einen wichtigen Akzent. Unter dem Titel „Der imperiale Nationalstaat: Das Deutsche Reich in internationaler Perspektive“ eröffnete er am Montag dieser Woche die wissenschaftliche Tagung, zu der die Otto-von-Bismarck-Stiftung in Kooperation mit der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nach Bonn eingeladen hatte. Gewidmet war sie der Berliner Afrika-Konferenz 1884/85, ihrer historischen Einordung und den Nachwirkungen.

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Der Historikertag fand in diesem Jahr Anfang Oktober in München unter dem Titel „Deutungskämpfe“ statt. Die Politikergedenkstiftungen des Bundes haben sich mit der Diskussionsveranstaltung „Deutsche Staatsmänner postkolonial – eine geschichtspolitische Herausforderung“ beteiligt, moderiert wurde diese von Prof. Dr. Gabriele Metzler (Humboldt-Universität zu Berlin).

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Die aktuelle, westliche Debatte über Kolonialgeschichte, Dekolonialisierung und die Frage der historischen Verantwortung erweiterte Prof. Dr. Sven Saaler mit seinem Vortrag im Historischen Bahnhof Friedrichsruh um eine fernöstliche Perspektive: Er zeichnete den Aufstieg Japans zur Kolonialmacht nach.

Der Historiker, der an der Sophia-Universität in Tokio lehrt, setzte den Schwerpunkt seiner Analyse auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und zeigte so auch die Ursprünge gegenwärtiger Grenzstreitigkeiten Japans mit verschiedenen anderen Staaten auf. Indem er die japanischen Expansion in die vier Stufen Inlandskolonialismus, formales und informales Kolonialreich sowie Besatzung ausdifferenzierte, schlug er zugleich einen Bogen bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Immer wieder in den Mittelpunkt gerückt wurde die Besetzung und Annexion Koreas, dessen Gesellschaft jahrzehntelang um ihre Selbstbestimmung kämpfte.

 

Im Video genannter Literaturhinweis:

Chiharu Inaba / Sven Saaler
Der Russisch-Japanische Krieg 1904/05 im Spiegel deutscher Bilderbogen

Das Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark wird derzeit saniert.

„Bismarck neu kontextualisieren“ lautete der Titel eines digitalen Podiumsgesprächs, zu dem der Hamburger Kultursenator Dr. Carsten Brosda am Donnerstagabend eingeladen hatte. Eröffnet wurde damit eine Reihe von Veranstaltungen, in denen der gegenwärtige Blick der Stadt Hamburg und ihrer Bürgerinnen und Bürger auf die Vergangenheit diskutiert werden soll. Festgemacht wird diese Debatte in der Hansestadt derzeit vor allem am Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark, das nach Beschlüssen des Deutschen Bundestages und der Hamburgischen Bürgerschaft saniert wird und durch eine wissenschaftlich fundierte Ausstellung ergänzt werden soll.

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Felix Ekberg (l.) interviewte Prof. Dr. Ulrich Lappenküper über den zeitgemäßen Umgang mit dem historischen Bismarck-Denkmal in Hamburg. (Foto: Matthias Fischer)

In der aktuellen Debatte über Deutschlands historische Rolle als Kolonialmacht sind Stimmen laut geworden, die den Sturz der Bismarckdenkmäler und die Umbenennung von Bismarckstraßen fordern. In dieser stark verkürzten und die Geschichte verzerrenden Argumentation dient der erste Reichskanzler als eine Symbolfigur für Rassismus. Diese Zuschreibung wird damit begründet, dass er nach langer Ablehnung schließlich 1882 doch dem deutschen Erwerb von Kolonialbesitz zugestimmt hatte.

In Hamburg konzentriert sich die Diskussion derzeit vor allem auf die von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossene Sanierung des Bismarck-Denkmals im Alten Elbpark. Bleicherhaus e.V., eine Institution der politischen Bildungsarbeit in der Hansestadt, hat nun auf YouTube zu diesem Thema drei Videos hochgeladen, mit denen die gesamte Auseinandersetzung auf eine breiter fundierte Basis gestellt wird. Nach einer kurzen Einleitung im ersten Video „Bismarck: Vater der deutschen Nation oder konservativer Sozialistenfeind?“ vermittelt zunächst Ulrich Hentschel einen Überblick über die Politik des ersten Reichskanzlers, wobei insbesondere die Bezüge zu Hamburg betont werden. Bismarck wird als „Doppelstratege“ vorgestellt, für den die Sozialistengesetze und die Sozialgesetzgebung keinen Widerspruch bedeuteten. Hentschel erinnert unter anderem auch an die bedeutende Rolle Hamburger Kaufleute, allen voran von Adolph Woermann, die den Kolonialerwerb vorantrieben und dafür beim ersten Reichskanzler massiv lobbyierten.

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Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Donnerstag, den 06. Oktober 2016 um 07:55 Uhr

Wer kann, der sollte in den nächsten Monaten eine Reise nach Koblenz machen und dort eine Ausstellung im Bundesarchiv besuchen.

Der Titel könnte von dem erst zögernden, dann fördernden und schließlich wieder desinteressierten Kolonialpolitiker Otto von Bismarck stammen: „Was teiben die Deutschen in Afrika?!“ Mit dem Fokus auf der westafrikanischen Kolonie Kamerun wird das Verhältnis der Deutschen zu einer ihrer ehemaligen Kolonien beleuchtet.

Der zeitliche Rahmen ist dabei nicht nur bis 1919 abgesteckt, als der Versailler Vertrag dem Deutschen Reich seinen „Platz an der Sonne“ kurzerhand strich. Mit Fotos aus den Beständen des Bundesarchivs werden die Besucher auch in spätere Phasen der deutsch-kamerunischen Beziehungen geführt, als Bundesrepublik und DDR je ganz eigene Interessen in Afrika hatten. Nachdenkenswert.

Details zu der bis Ende Januar 2017 zu sehenden Ausstellung finden sich hier.

Wen das allein nicht lockt, der sei an die jetzt auf Hochtouren laufende Weinlese erinnert und an die önologischen und sonstigen kulinarischen Highlights am Rhein. Was machen wir eigentlich noch nördlich der Elbe?

…heißt ein berühmtes Buch Friedrich Nietzsches. Im Alltag geht dieses schöne Schlagwort oft verschütt unter Anträgen, Fristen, Formularen, Sitzungen und sonstigen Pflichtterminen und Widrigkeiten des Forscherlebens.

Dass es auch mal anders gehen kann und zwar sogar unter der Woche, bewiesen gestern 12 neugierige Wissenschaftler aus dem Team Jürgen Zimmerers vom Historischen Seminar der Universität Hamburg. Die Doktoranden und Post-Docs seines Lehrstuhls und der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die frühe Globalisierung“ hatten sich trotz besten norddeutschen Regenwetters auf Erkundungsreise in den Sachsenwald gemacht.

Nachdem Friedrichsruh ausgiebig besichtigt und als Erinnerungsort kontextualisiert war, ging es bei sommerlichen 15 Grad an den Grill und an die Kaltgetränke. „Fröliche Wissenschaft“ eben!

Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Montag, den 11. April 2016 um 11:06 Uhr

Als die Reichsregierung aus einem ganzen Bündel von Ursachen 1884/85 dem Drängen kolonialer Enthusiasten nachgab und einige „Erwerbungen“ deutscher Händler unter den Schutz des Reiches stellte, begann das kurze Kapitel deutscher kolonialer Besitzungen in Übersee. Im Bewusstsein der Deutschen haben sich die afrikanischen Territorien und vielleicht auch – weil besonders weit entfernt und mit einer ganz eigener Exotik – die chinesischen Häfen gehalten.

Fast vergessen ist dagegen das Bismarck-Archipel in Papua-Neuginea. Und völlig vergessen sind die dortige Kreolbevölkerung und ihre ganz eigene Sprache, die linguistisch ausgedrückt die einzige deutsche Kreolsprache ist. Auf das Schicksal ihrer Sprecher, die als Nachkommen von deutschen Männern und eingeborenen Frauen weder in die koloniale noch in die indigene und nach der Unabhängigkeit des Gebietes von Australien 1975 auch nicht in die post-koloniale Gesellschaft integriert wurden, weist ein Artikel in der Welt hin.

Darin berichtet Matthias Heine über die Forschungen des Germanisten Péter Maitz von der Universität Augsburg. Im Moment hat Maitz ein Forschungsfreisemester, wir vermuten ihn in Südostasien. Die von Maitz und seinen Kollegen untersuchte Pidgin-Sprache heißt übrigens „Unserdeutsch“: Eine ehemals in deutschen Missionsschulen „erworbene“, unfreiwillige Aneignung deutscher Leitkultur, von der hierzulande bisher nicht einmal eine Handvoll Spezialisten etwas wusste. Nun kann man erfahren, dass die wenigen verbliebenen Sprecher, nach 1875 nach Australien auswanderten. Der Augsburger Forscher bekommt seinen Forschungsgegenstand also in Brisbane und Cairns zu hören. Was für eine post-koloniale Pointe!

In einer englischen Karikatur ist der überraschend zum Kolonialbefürworter gewordene Bismarck zu sehen, der um die Gunst einer „African Venus“ wirbt.

Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Dienstag, den 11. August 2015 um 09:57 Uhr

In Waren an der Müritz verläuft östlich des Stadtzentrums, direkt am Ufer die Gerhart-Hauptmann-Allee. Eine der besten Adressen an Deutschlands größtem Binnensee, spontan zählt der Vorbeikommende seine Enkel und singt den Refrain von Peter Fox 2008er Sommerhit „Haus am See“.

In Sommerlaune habe ich dort Ende Juli ein Haus entdeckt, dessen Name die Gedanken von Cocktails und Cricket auf dem Rasen direkt zur einstigen nationalistischen Heldenverehrung lenkten. Die Ursache dieses assoziativen Themenwechsels waren die Jahreszahl „1912“ und 13 braune Frakturbuchstaben: „Friedrichsruh“.

Der Name spricht unmissverständlich für eine Nähe des einstigen Besitzers zum 14 Jahre zuvor verstorbenen Reichsgründer Bismarck. Ob das Haus wohl zu DDR-Zeiten auch so hieß? Ein Ortsname war möglicherweise unverdächtig, die einstige Kanzler-Konnotation war vielleicht in der Mecklenburgischen Weite vergessen. Deutlich sichtbar wurde der Schriftzug wahrscheinlich erst nach der Sanierung der Villa vor einigen Jahren. Die meisten Einheimischen und Müritztouristen dürften über ihn hinweg lesen und nicht an den einst mythisch verehrten Bismarck und dessen letzten Wohnort denken.

Durch meine déformation professionelle als Historiker beschlich mich aber sofort ein merkwürdiges Gefühl. Denn schließlich hatte ich auf meiner Radtour schon wenige hundert Meter zuvor eine massive Portion Kaiserreich verabreicht bekommen, und zwar aus dem Bereich der Kolonialgeschichte. Ist das südliche Mecklenburg also ein Hort positivistischer Erinnerungen an das 19. Jahrhundert? Eher nicht, weitere Kaiserreich-Reminiszenzen im öffentlichen Raum blieben auf der Umrundung der Müritz aus. Abgesehen von allgegenwärtigen Bismarck-Brötchen natürlich, überall neutralisiert zwischen Lachs, Saibling und Aal.

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Zwischen November 1884 und Februar 1885 trafen sich die europäischen Imperialmächte gemeinsam mit den USA und dem Ottomanischen Reich, um in Berlin auf Einladung Otto von Bismarcks über die koloniale „Erschließung“ Westafrikas zu beraten. Gemeinsame Regeln sollten über den Kopf der afrikanischen Bevölkerungen hinweg Konflikte zwischen Europäern vermeiden.

Zu einer wissenschaftlichen Tagung über dieses historische Ereignis und seine Nachwirkungen hatte im vergangenen Jahr die Otto-von-Bismarck-Stiftung in Kooperation mit der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nach Bonn eingeladen. In dem grundlegenden Tagungsband wird nun der aktuelle Forschungsstand über den Verlauf und die Folgen der „Afrika-Konferenz“ zusammengetragen. Vorgestellt wird er an diesem Abend von Prof. Dr. Sabine Mangold-Will und Dr. Ulf Morgenstern, sie sind neben Prof. Dr. Holger Afflerbach (University of Leeds) und Prof. Dr. Joachim Scholtyseck (Universität Bonn) die Herausgeber.

Der Band demnächst im Schöningh Verlag.

Abb.: Zeitgenössische Zeichnung von Adalbert von Roessler (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)


Ihre Anmeldung nehmen wir gerne ab dem 13. Februar telefonisch unter der Nummer 04104 / 97710 oder per E-Mail an info@bismarck-stiftung.de entgegen. Der Eintritt ist frei.