Das besondere Exponat

Objekte aus der Sammlung der Otto-von-Bismarck-Stiftung

Statuette Pallas Athene mit goldener Nike (fehlt), Geschenk der Allgemeinen Kunstgenossenschaft zum 1. April 1895, Ferdinand v. Miller (1842 – 1929) nach einem Entwurf von Heinrich Waderé (1865 – 1950), Deutschland, um 1895, Bronze, Levante Verde, Bismarck-Museum, Friedrichsruh, Inventar-Nr.: A 157 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung / Fotograf: Jürgen Hollweg)

Die kleine vergoldete Siegesgöttin Nike ist längst verloren, nur die Kugel, auf der sie thronte, wird noch von dem ausgestreckten Arm gehalten. Der Speer in der anderen Hand, Kopfbedeckung und Gewand verraten aber, wen die Statuette zeigt: Pallas Athene. Die Tochter des Zeus, so die griechische Mythologie, steht hier unverkennbar für Krieg und Sieg.

Die Statuette gehört zu der fast unüberschaubaren Anzahl an Geschenken, die Otto von Bismarck zu seinem 80. Geburtstag am 1. April 1895 erhielt. Ihr Absender war – wie auf der Rückseite des Sockels zu lesen ist – die Allgemeine deutsche Kunstgenossenschaft. Diese Berufsvertretung hatte sich mit großdeutschem Anspruch, also unter Einbeziehung der österreichischen Künstler, 1856 in Bingen am Rhein gegründet. Ihr Ziel war, die Interessen der bildenden Künstler gegenüber Politik und Verwaltung zu vertreten. Es gründeten sich zahlreiche Ortsgruppen, wie ein Eintrag im Stadtlexikon Darmstadt informiert. Den Vorstand stellten abwechselnd die Berliner und die Münchner Ortsgruppe – die dann 1868 eigens gegründete Münchener Künstlergenossenschaft existiert noch heute.

In München lag auch die künstlerische Federführung bei der Ausgestaltung des Geschenks für Bismarck. Übernommen wurde sie von zwei namhaften Bildhauern: Heinrich Waderé (1865 – 1950) entwarf die elegante Figur; von ihm stammen beispielsweise auch die Attikafiguren über dem Portikus des Prinzregententheaters sowie das Richard-Wagner-Denkmal in München-Bogenhausen. Gegossen wurde die Statuette von Ferdinand von Miller (1842 – 1929), der später, von 1900 bis 1919, die Akademie der Bildenden Künste in München leitete.

Diese kleine Krieg-und-Sieg-Statue misst mit Sockel 87 Zentimeter Höhe und besteht aus zwei Metallen: aus Kupfer und Zinn, legiert zu Bronze. Die Bronze wurde mit grüner Patina so veredelt, dass der Faltenwurf des Gewandes den Eindruck von Stoff entstehen lässt. Das Material des Sockels ist in dem Band „Das Bismarck-Museum in Wort und Bild“ als Levante Verde identifiziert. Dieser Naturstein wird im italienischen Ligurien abgebaut, erdgeschichtlich hat er durch Druck und Temperatur zu seiner Form gefunden.

 

 

Quellen:

Akademie der bildenden Künste München: Personallisten

Athena, in: Britannica, 3. Juli 2023

A. de Grousilliers unter Mitwirkung von W. L. Schreiber: Das Bismarck-Museum in Wort und Bild. Ein Denkmal deutscher Dankbarkeit, Berlin 1899

Friedrich Wilhelm Hackländer: Die erste Versammlung deutscher bildender Künstler, in: ders. Erlebtes. Zweiter Band, Stuttgart 1856

Friedrich Wilhelm Knieß: Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft (Ortsverein), in: Stadtlexikon Darmstadt

Münchner Künstlergenossenschaft

Heinrich Waderé, in: Nordost-Kultur München, als Quelle wird angegeben: Yvette Deseyve: Heinrich Waderé (1865–1950): Ein Münchner Bildhauer der Prinzregentenzeit (Wiener Schriften zur Kunstgeschichte und Denkmalpflege), München 2010

 

Die Statuette hat heute ihren Platz im Bismarck-Museum Friedrichsruh und ist als Oktober-Kalenderblatt in unserem Wandkalender „Durchlauchtigster Fürst“ zu sehen. Zuvor erschienen: Vom Souvenir zum Politikum: Bismarcks Olivenzweig

 

Olivenzweig und Haarnadel im Zigarrenetui (Olivenbaum, Leder, Metall, Bismarck-Museum, Friedrichsruh, Inventar-Nr.: A 030), © Otto-von-Bismarck-Stiftung / Fotograf: Jürgen Hollweg

Im Kanon der Erzählungen über Otto von Bismarck, der sich schon zu seinen Lebzeiten in der Öffentlichkeit zu verbreiten begann, zählt an prominenter Stelle seine „Eisen und Blut“-Rede, die er am 30. September 1862 als designierter Ministerpräsident vor der Budgetkommission des Preußischen Landtages hielt. An deren Ende soll er den Zweig eines Olivenbaums als Zeichen seiner friedlichen Absichten präsentiert haben.

Die Darstellung dieses historischen Moments ist seit jenem Tag ausgeschmückt und mit Mutmaßungen versehen worden, wie ein Streifzug durch die Bismarck-Bibliothek in Friedrichsruh zeigt. Gesichert ist, dass Bismarck, der als Gesandter Preußens in Paris diente, im Sommer 1862 eine ausgedehnte Reise in den Südwesten Frankreichs unternahm. Anstatt den Urlaub bei seiner Frau Johanna und den drei Kindern im pommerschen Reinfeld zu verbringen, suchte der Diplomat – der hoffte, von König Wilhelm I. in die Regierung berufen zu werden – Erholung möglichst weit weg von Berlin. Dort spitzte sich währenddessen die politische Lage zu: Die Regierung, die nur dem König verantwortlich war, und der Preußische Landtag konnten sich nicht über eine Heeresreform einigen. Das einzige Druckmittel, das den Abgeordneten zur Verfügung stand, war die Blockade des preußischen Haushalts. In dieser Situation entschloss sich König Wilhelm I. nun doch, den politisch polarisierenden, aber vermutlich durchsetzungsstarken Bismarck an die Spitze seiner Regierung zu stellen. Bismarck reiste nach Berlin und sprach schon bald nach seiner Ankunft mit den Mitgliedern der Budgetkommission, um das Problem im Sinne der Krone zu lösen.

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Die Revolution von 1848/49, Teil II

Die deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt a/M. Kolorierter Stahlstich von Joseph Maximilian Kolb und Frederick (Friedrich) Girsch, gezeichnet von Heinrich Hasselhorst, Deutschland, 1848, Höhe: 14,6 cm, Breite: 23,7 cm, Material: Papier (Leihgabe aus Privatbesitz)

Die in Frankfurt am Main tagenden Gesandten der Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes (Bundesversammlung) stimmten den Beschlüssen des Vorparlaments und damit unter anderem der Wahl eines nationalen Parlaments zu (siehe den Beitrag „Einzug der Mitglieder des Vorparlaments in die Frankfurter Paulskirche“). Ebenso erklärte die Bundesversammlung den doppelköpfigen Adler – seit dem Spätmittelalter Symbol für das Kaisertum und das Heilige Römische Reich – mit der Umschrift „Deutscher Bund“ zum Bundeswappen sowie die schwarz-rot-goldene Fahne zur Fahne des Deutschen Bundes – letzteres ebenfalls mit (allerdings falschem) Bezug auf das Alte Reich, dessen „Reichspanier schwarz-roth-gold“ gewesen sei.1

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