Schlagwortarchiv für: Bismarck-Mythos

Amboss mit Werkzeugen, Geschenk der Bergischen Schmiede, Remscheid, zum 1. April 1895, Hans Friedel, Deutschland, um 1895, Eiche, Metalle, Email, Leder, Buche, Bismarck-Museum, Friedrichsruh, Inventar-Nr.: A 052 (@ Otto-von-Bismarck-Stiftung, Fotograf: Jürgen Hollweg) / Postkarte „Der Schmied der deutschen Einheit“ (Sammlung der Otto-von-Bismarck-Stiftung)

Auf Postkarten, als Bebilderung von Notgeld oder als Nippes: Otto von Bismarck wurde von seinen Anhängern gerne als „Reichsschmied“ verklärt. Damit wurde aus dem gebildeten Adligen, studierten Juristen und Politiker, der öffentlich bevorzugt in Uniform auftrat, ein volksnaher Handwerker gemacht, der mit feuerfester Schürze am Amboss steht, den Hammer fest in der Hand.

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Der zwölf Meter umspannende Adlerbogen an der Ostflanke des Donnersbergs galt bei seiner Errichtung 1880 als Ingenieursleistung. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg wurden damit Helmuth von Moltke und Otto von Bismarck geehrt. Ebenso wie der Bau wurde auch die umfangreiche Restaurierung 2016 von Bürgern aus der Region getragen. (Foto: Natalie Wohlleben)

Die Pfalz hat Otto von Bismarck wahrscheinlich nur einmal durchquert – und das unter Jubel an den Bahnhöfen: Als er nach dem Ende des Deutsch-Französischen Kriegs von Versailles nach Berlin reiste, war er am 8. März 1871 von Metz aus vermutlich auf der Eisenbahnstrecke über Kaiserslautern und Neustadt nach Mainz und Frankfurt unterwegs – und kam damit in den seltenen Genuss, dass Untertanen des Königreichs Bayern, zu dem die Pfalz seit 1816 gehörte, einem Preußen zujubelten. Und die Pfälzer sollten es dabei nicht belassen. Ein Bürgerverein ließ an der Ostseite des Donnersbergs, dem höchsten Berg der Region, 1880 den Adlerbogen mit Statuen von Helmuth von Moltke und Bismarck errichten. Generalfeldmarschall und Reichskanzler wurden damit für die Sicherung der pfälzischen Grenzen im Deutsch-Französischen Krieg und die Reichsgründung geehrt.

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Das Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark in Hamburg wurde in den vergangenen Monaten sandgestrahlt und in seiner Standfestigkeit gesichert. Finanziert wurde die Sanierung von Bund und Stadt. (Foto: Natalie Wohlleben)

Die Begeisterung in Teilen der Öffentlichkeit für den ersten Reichskanzler und seine geschickte Selbstinszenierung ließen den Bismarck-Mythos entstehen. Der Podcaster Tobias Jakobi spricht in der Reihe „Geschichte Europas“ mit Dr. Ulf Morgenstern, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Otto-von-Bismarck-Stiftung, über dieses politische Phänomen und seine Nachwirkungen. Anlass ist der 125. Todestag Otto von Bismarcks am 30. Juli 2023.

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Ein gestopftes Unterhemd, eine berühmte Karikatur und eine historische Fotosammlung aus Kalifornien gehören zu den Objekten, die wir für unsere Videoreihe „Bismarck und seine Zeit“ in das Scheinwerferlicht rücken.

In neun Folgen zeigen wir, dass sich mit den Gemälden, Geschenken und persönlichen Utensilien Bismarcks, die wir in unserer Dauerausstellung und im Museum präsentieren oder in unserem Archiv aufbewahren, nicht nur Geschichten unmittelbar aus dem Leben des langjährigen preußischen Ministerpräsidenten und ersten Reichskanzlers schildern lassen. Sie sind auch eng verbunden mit wichtigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen, die Deutschland im 19. Jahrhundert prägten.

Die Produktion der Videoreihe wird ermöglicht durch eine finanzielle Förderung der Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien im Rahmen des Programms „Neustart Kultur“. Zu finden sind die Folgen, die in den kommenden Wochen veröffentlicht werden, auf dieser Website in dem Menü „Digitales“ oder direkt auf unserem YouTube-Kanal.

In der ersten Folge erzählen wir „Die Geschichte eines Mythos“:

Bei einem Besuch in Friedrichsruh gelang es Carl Roese, die Wohnräume der Familie von Bismarck zu besuchen. Zu seiner großen Freude konnte er mit einem Spazierstock des ersten Reichskanzlers durch die Flure flanieren. Abbildung: Bismarcks Garderobenständer, wie er heute im Bismarck-Museum zu sehen ist.

Bereits zu Lebzeiten Otto von Bismarcks begann sich in weiten Teilen des Bürgertums eine beinahe kultische Verehrung des „Reichsgründers“ auszubreiten. Diese fand ihren Ausdruck nicht nur in Türmen und Denkmälern, die ihm gewidmet wurden, sondern auch in Pilgerfahrten nach Friedrichsruh, dem Alterswohnsitz des ersten Reichskanzlers. Zu diesem Verehrern zählte auch der in Hamburg ansässige Arzt Carl August Roese, der Tagebuchaufzeichnungen im Umfang von ungefähr 8.000 Seiten hinterlassen hat. Diese bieten zusammen mit einem Essay seiner Tochter Astrid Isey und den von seiner Schwester Ida Roese aufgezeichneten Familienerinnerungen einen lebendigen Einblick in sein Leben und seine Bismarck-Verehrung.

Biografisches

Carl August Roese, geboren am 23.12.1849 in Erfurt, war der Spross einer weitverzweigten, wirtschaftlich und politisch erfolgreichen Familie und Neffe des hochangesehenen, langjährigen Eisenacher Oberbürgermeisters August Julius Roese. Als Schüler kümmerte er sich in einem Erfurter Lazarett um Verwundete des Krieges 1866 gegen Österreich und legte das Abitur mit Verspätung ab. 1870 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger. Er studierte Medizin und wurde in Leipzig mit einer Arbeit „Über Supraorbitalneuralgie“ promoviert, lebte einige Zeit auf Rügen und zog 1883 nach Hamburg, wo er seine spätere Ehefrau kennenlernte. In jenem Jahr erlebte er als Arzt einen kleinen Erfolg, denn seine Abhandlung über die improvisierte Verwundetenhilfe, namentlich der Teil zum Krankentransport im Feld, wurde vom Internationalen Roten Kreuz mit 500 Francs prämiert.

Carl August Roese

Seine beruflichen Aufgaben als niedergelassener Arzt und in der Armen-Anstalt sowie als Gutachter für die Leipziger Teutonia Lebensversicherung ließen ihm wenig Zeit zum Tagebuchschreiben. Entsprechend fallen nur seine Aufzeichnungen auf Reisen umfangreicher aus. Lediglich Familienfeste beschrieb er, wenn auch manchmal kurz, über die Jahre hinweg kontinuierlich und ohne Lücken.

Roese war nationalliberal bis zutiefst konservativ in einigen Belangen, fortschrittlich denkend in anderen. Norwegisch sprach er fließend und war mit einer Norwegerin verheiratet. Er verehrte das „Nordland“, den Polarforscher Fridtjof Nansen und eine mythisierte germanische Vergangenheit. Er reiste noch vor Kaiser Wilhelm II. im Sommerurlaub in die Fjorde Norwegens. Dort wanderte er ausgiebig, um sich vom laut beklagten und stressigen Arbeitsleben in der naturfernen Großstadt zu erholen.

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Die Universitätsbibliothek in Eichstätt ist in diesem Jahr die erste Station unserer Wanderausstellung „Otto von Bismarck: Mensch – Macht – Mythos“, zu sehen ist sie dort vom 23. Januar bis zum 21. Februar 2020. Gastgeber ist der Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte von Prof. Dr. Friedrich Kießling. Auf zwölf Rollups werden Leben und Werk des ersten Reichskanzler aus wissenschaftlicher Sicht dargestellt – dazu gehört auch die Dekonstruktion des Mythos vom genialen Staatsmann und nationalen Helden.

Die Ausstellung „wandert“ seit dem Jubiläumsjahr 2015 zum 200. Todestag Bismarcks zum wiederholten Mal durch Deutschland und ist in ihrer englischen, französischen und russischen Fassung auch schon in den USA, England und Schottland, Frankreich und Russland zu sehen gewesen. Neben Herkunft und Werdegang werden zentrale Aspekte der Politik des preußischen Ministerpräsidenten und ersten deutschen Reichskanzlers kritisch ausgeleuchtet. Dazu zählen der Verfassungskonflikt der 1860er-Jahre, die sogenannten Einigungskriege und die Reichsgründung, die Außen- und Kolonialpolitik sowie die Konfrontationen, die Bismarcks Innenpolitik prägten. Eine weitere Tafel ist den Sozialreformen gewidmet, gefolgt von einer kritischen Darstellung der Bismarckverehrung im Kaiserreich und seinem Mythos nach dessen Ende.

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Die Uhren der österreichischen Erinnerungskultur tickten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einer Hinsicht schneller als bei den reichsdeutschen Nachbarn: Otto von Bismarck wurde in den deutschsprachigen Gebieten der Habsburgermonarchie schon bald nach der Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866 zum Fixpunkt einer ganz eigenen Wahrnehmung der politischen Entwicklungen und damit zum Mythos. Diese These stellte Tobias Hirschmüller M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Neuere und Neueste Geschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, bei seinem Vortrag gestern im Historischen Bahnhof Friedrichsruh auf.

Tobias Hirschmüller freute sich, nach vielen Jahren wieder in Friedrichsruh zu sein.

Hirschmüller definierte seinen Begriff des Mythos als ein geschichtstheoretisches Modell für eine lebende Person, die in der Öffentlichkeit als „Überfigur“ konstruiert wird. Für den österreichischen Blick auf Bismarck seien seit 1866 zwei kohärente Narrationen festzustellen, erläuterte der Historiker unter Hinweis auf die dortige deutschsprachige Presse jener Zeit, eine der Bismarck-Gegner und eine weitere seiner Befürworter. Die Erzählung der letzteren unterscheidet sich deutlich von dem reichsdeutschen Bismarck-Mythos, hatte dieser doch seinen Ausgangspunkt erst in der Reichsgründung von 1871 gefunden und seinen Aufschwung vor allem nach der Entlassung des ersten Reichskanzlers aus seinem Amt genommen. Seinen letzten Höhepunkt erlebte der Bismarck-Mythos im Deutschen Reich dann im Ersten Weltkrieg.

In den deutschsprachigen Gebieten der Habsburgermonarchie waren sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Gegner und Anhänger Bismarcks zwar einig in ihrer Einschätzung, dass dieser der politisch entscheidende Akteur sei. Die Bewertungen aber über den Deutschen Krieg 1866, der mit der Schlacht von Königgrätz entschieden wurde, fielen ebenso auseinander wie die Meinungen über die Frage, ob alle Deutschen – einschließlich der Österreicher – vereint sein sollten oder nicht. Von den Anhängern Bismarcks sei der 1815 gegründete Deutsche Bund rückbildend verklärt, so Hirschmüller, und der Deutsche Krieg 1866 als „Bruderkrieg“ bedauert worden. In der bürgerlich-liberalen „Neuen Freien Presse“ sei nachzulesen gewesen, dass man Preußen ohne Hass nachblicke.

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Der Bismarck-Mythos wurde von deutschen Auswanderern einst in die ganze Welt getragen. Ein außergewöhnliches Zeugnis ist der Bismarck-Turm in Chile, der einzige in Amerika.

Nicht nur der Zahn der Zeit, sondern auch die Plattentektonik hat dem Gebäude zugesetzt: Um die Erdbebenschäden beseitigen zu können und den zum historischen Erbe der Stadt Concepción zählenden Turm der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen, werden Spenden benötigt. Wer gern einen ganz besonderen Ort der deutsch-chilenischen Geschichte für die gemeinsame deutsch-chilenische Gegenwart und Zukunft erhalten möchte, kann sich mit einer finanziellen Unterstützung beteiligen.

Und keine Angst: Es handelt sich nicht um einen deutschtümelnden Hort rechtsradikaler Südamerikaner, im Gegenteil: Der deutsche Sportverein Concepción ist ein sympathischer, politisch neutraler Verein, der selbstverständlich mit einem kleinen Museum auf die Geschichte der Ortes aufmerksam machen wird.

Mehr Informationen zur Initiative

Wiederholt haben wir das Thema der historischen Denkmäler behandelt.

Auch und gerade im Falle Bismarcks drängen sich die Ambivalenzen der einstigen unkritischen Verehrung auf, die so gar nicht zu unseren postheroisch-pluralistischen Bewusstseinsständen passt. Statt Abriss plädieren wir hier traditionell für ein historisches sachliches „Einhegen“.

In der heutigen Ausgabe der „ZEIT“ vertritt aus aktuellem Anlass auch Josef Joffe diese Ansicht. Ein bemerkenswerter Artikel!

 Geschrieben von  Dr. Ulf Morgenstern am Donnerstag, den 13. April 2017 um 11:38 Uhr

Die kleine Stadt Dietenheim besitzt etwas ganz Besonderes, das es nur zu besonderen Zeiten zu sehen gibt.

In den drei Wochen vor Karfreitag verdeckt in der Pfarrkirche St. Martinus ein acht Meter breites und neun Meter hohes Hungertuch ganz eigener Art den Altarraum.  Es handelt sich um eines der wenigen „Heiligen Gräber“, aufwändige Gemälde, die das Leiden und Sterben Christi darstellen. In Dietenheim sind es sage und schreibe 45 Szenen und der Betrachter kann sich kaum sattsehen an dem barocken Monumentalgemälde. Seit 1727 ersetzt das riesige Bild ein schnödes Tuch.

Nach 150 Jahren Einsatz in den letzten drei Wochen der Fastenzeit musste das Heilige Grab zum ersten Mal restauriert werden. Und da ritt 1872 den mit den Arbeiten beauftragten Maler der Schalk und er gab einem Hund, der einen römischen Soldaten begleitet, ein seinerzeit sehr prominentes menschliches Antlitz.

Schauen Sie bitte hier, das Detail findet sich am rechten Bildrand als drittes Bild unten.

Im Kulturkampf wurde Bismarck also unversehens zum Attribut eines Vollstreckers der antiken Christenverfolgung – eine zuzugeben nicht ausgesprochen hintersinnige Allegorie, die auch heute bei historisch bewanderten Kirchenbesuchern noch funktionieren dürfte.

Knapp 150 Jahre post festum und in Zeiten von Aufregungen um Mohammed-Karikaturen und die Grenzen von Satire und Humor sagen wir: Chapeau! Gelungene Herrschaftskritik im Kaiserreich, die vielleicht auch im Kirchenkampf des Dritten Reiches noch funktioniert haben dürfte.

Nach Ostern wird dann im katholischen Württemberg wieder zur liturgischen Normalität zurückgekehrt und mit der Auferstehung Christi wird auch der tierische Bismarck wieder verräumt.

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Otto von Bismarck wurde in der Erinnerung vieler Deutscher bereits zu Lebzeiten verklärt. Bei dieser öffentlichen Führung im Bismarck-Museum Friedrichsruh wird der Bismarck-Kult am Beispiel ausgewählter Geschenke und persönlicher Gegenstände aufgezeigt. Zu sehen sind unter anderem das Gemälde „Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches (18. Januar 1871)“ von Anton von Werner sowie Bismarck-Porträts von Franz von Lenbach, außerdem Meißener Porzellan, eine chinesische Elfenbein-Skulptur und ein Schachspiel aus Indien. Auch kann ein Blick in das mit originalem Mobiliar nachgestellte Arbeitszimmer geworfen werden.

Der Eintritt ist frei, die Mindestteilnehmerzahl beträgt vier Personen.


Abb.: Ehrenbürgerbrief der Freien und Hansestadt Hamburg, 15. Dezember 1871. (© Otto-von-Bismarck-Stiftung / Fotograf: Jürgen Hollweg)