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Das Institute of Historical Research hat Jonathan Steinbergs Rede bei der Eröffnung der Sonderausstellung „Bismarck and Great Britain“ am 6. Mai 2015 jetzt als Film online gestellt. Wer den gedankenscharfen Vortrag Steinbergs verpasst hat oder ihn noch einmal nachschauen möchte, kann das bei Youtube tun, bequem vom heimischen Sessel aus. Wir danken dem IHR für diesen Service und wünschen viel Vergnügen!
Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Freitag, den 29. Mai 2015 um 14:55 Uhr
Wie steht es um die regionalen Identitäten in der Bundesrepublik? Und sind diese noch heute geeignet, um zu landsmannschaftlich gefärbten Urteilen über Otto von Bismarck bzw. über die Historiographie über diesen zu kommen? Mit dieser ketzerischen Frage schauen wir auf einige willkürlich ausgewählte Rezensionen der letzten Wochen und beginnen mit dem einst liberalen Süden.
Mit mainfränkischem Wohlwollen bespricht Matthias Stickler (Würzburg) bei Sehepunkte den neuesten Band der Friedrichsruher Ausgabe, in dem Andrea Hopp die Bismarck-Dokumente der Jahre 1888-1890 ediert hat.
Und Dieter Langewiesche (ehemals Würzburg, seit Langem freilich Tübingen) rezensiert ebenfalls bei Sehepunkte die Bismarck-Biographie von Hans-Christof Kraus. Dessen Passauer Anbindung macht ihn zwar zum Wahlsüddeutschen, allerdings zeigt sein innerer Kompass sicher mehr als einmal am Tag in nördlichere Gefilde. Mit noch südlicherem Blick als Stickler und Langewiesche, aus dem schweizerischen Fribourg nämlich, schaut Siegfried Weichlein im Tagesspiegel auf den Band von Kraus. Alle drei finden kaum etwas grundstürzend Neues, alle drei loben die Ausgewogenheit der Neuerscheinungen. Carsten Kretschmann (Stuttgart) kommt zu ganz ähnlichen Urteilen in seiner Rezension der Bücher von Kraus, Christoph Nonn und Tilman Mayer. Sind die Süddeutschen also zahnlos geworden? Wie sieht es im katholischen Rheinland aus? Und wie in Sachsen? Oder spielen diese Verortungen keine Rolle mehr, weil die einschlägigen Rezensenten auf ihrer beruflichen Laufbahn mehr als einmal de Norden gegen den Süden getauscht haben und umgekehrt? Wir setzen die Serie fort.
Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Dienstag, den 19. Mai 2015 um 10:08 Uhr
Eine der wichtigsten Botschaften der Otto-von-Bismarck-Stiftung ist die von der doppelten Historisierung Bismarcks. Landauf, landab werden wir nicht müde, die noch immer anzutreffenden Befürchtungen auszuräumen, wir strickten noch weiter am Mythos vom Reichseiniger und Eisernen Kanzler, vom Ehrlichen Makler und weltabgewandten Landjunker. Der Bismarck-Mythos, zu dem diese Bilder gehören, hatte sich seit den 1890er Jahren zwischen den historischen Bismarck und seine Rezeption in der Gegenwart gestellt. In vielen Köpfen spukt der verklärte Staatsmann noch immer herum, weshalb wir immer wieder postulieren: Schluss damit! Beide sind historisiert, der echte Bismarck und der Mythos um ihn. Die Reaktionen sind ganz unterschiedlich und am Ende in aller Regel überrascht positiv, wenn klar wird, dass wir mit historisch-kritischer Distanz zwei Bismarcks untersuchen: denjenigen, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 200. Mal jährt. Und denjenigen, der, durchaus noch mit Bismarcks eigenem Zutun, in nationalkonservativer Absicht aus ihm gemacht wurde.
Selten bekommt man bei dieser Argumentation eine so wirkungsvolle Unterstützung wie seit gestern in Hamburg. Dort haben österreichische Künstler, ausgerechnet ;-), dem größten Bismarckdenkmal zwischen Nord- und Südpol Hörner aufgesetzt. Aus Anlass des Hamburger Architektur-Sommers stellten sie dem grimmigen Roland einen überdimensionalen Steinbock auf den Kopf. Weithin sichtbar scheint er das Denkmal erstiegen zu haben und schaut keck von der Stirn Bismarcks hinab – bereit zum Sprung nach St. Pauli. Ironischer kann der Bismarck-Mythos kaum gebrochen werden. Bismarck scheint das nicht zu stören, er wird es geduldig ertragen. Obwohl, Achtung Kalauer von Gabriele Wurl, Bismarck war Widder, nicht Steinbock! Wer hier nun Verhohnepiepelung, Frevel und Respektlosigkeit am Werke sieht, dem sei noch einmal kurz gesagt: Es gibt zwei Bismarcks. Den echten und den zum Mythos erhobenen Reichsgründer. Der Echte wird durch die unsäglichen Graffiti am Fuss des Denkmals besudelt. Auf Letzterem steht bis in den Juli ein alpiner Paarhufer.
Erste Bilder liefert die Presse.
Unser Bild: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:SteinbockGabinten.jpg