Georg von Schönerer und Otto von Bismarck. Im Banne des „nationalsten und grössten deutschen Staats- und Volksmanns“

„Programm: Anschluß an Deutschland“, Karikatur über die politischen Absichten Georg von Schönerers von C. Barth, 12.10.1879

Seit dem ,Überschwappen‘ der US-amerikanischen „Black Lives Matter“-Bewegung nach Europa im Jahr 2020 hat die bundesdeutsche Debatte über den Umgang mit den Denkmalen Otto von Bismarcks neue Kontur gewonnen. Nicht selten ohne hinreichende Berücksichtigung der historischen Hintergründe und Evidenzen deklarieren Aktivistinnen und Aktivisten der postkolonialen Bewegung die steinernen Hinterlassenschaften seines Ehrregimes zu Relikten eines rassistischen Kolonialismus und verlangen deren Abriss.1

Eine in der Zielsetzung bisweilen ähnliche, wenngleich auf gänzlich anderem Fundament ruhende Diskussion erlebt seit über 25 Jahren die Sachsenwald-Gemeinde Aumühle, zu der auch der Weiler Friedrichsruh gehört, von 1878 bis zu seinem Tod 1898 Bismarcks hauptsächlicher Wohnort. Als ,Steine des Anstoßes‘ dienen hier gleich zwei Artefakte: ein von dem österreichischen Bismarck-Verehrer und bekennenden Antisemiten Georg von Schönerer 1915 initiiertes, 1921 aufgestelltes Bismarck-Denkmal und das 1922 auf dem Aumühler Friedhof für Schönerer eingerichtete Ehrengrab. Über beide Objekte entzündete sich 1996 ein im Kern lokaler, aber bundesweit ausstrahlender Disput, der zwischen dem Ruf nach Abräumung des Gedenksteins wie auch des Grabmals und dem Appell oszillierte, beides in bewährter Tradition erhalten zu wollen. Vor dem Hintergrund nachdrücklicher Interventionen der zuständigen Denkmalschutzbehörde bzw. der Kirchenoberen sahen die Verantwortlichen der politischen wie der Kirchen-Gemeinde schließlich von einer Beseitigung des Grabes und des Denkmals in der Hoffnung ab, das Problem mit der Aufstellung von Informationstafeln beheben zu können. Doch die Ruhe blieb trügerisch, da die Schilder schon bald von offenbar rechtsradikalen Kreisen beschädigt oder sogar entwendet wurden.2

Die folgende Abhandlung nimmt die Aumühler Kontroverse und den darin erhobenen Vorwurf, niemand wünsche das Dunkel über die historischen Ereignisse zu beseitigen,3 zum Anlass, das Verhältnis Schönerers zu Bismarck erstmals auf wissenschaftlicher Basis unter Einbeziehung bisher nicht veröffentlichter Quellen zu untersuchen.4 Nach einer Skizze der Biografie des österreichischen Politikers erörtert die Studie sein Verhältnis zum deutschen Reichskanzler bzw. Alt-Reichskanzler und beleuchtet sodann die Hintergründe der Aufstellung des Denkmals und der Grablegung. Explizit geht sie dabei der in der Aumühler Debatte artikulierten Annahme nach, dass Schönerer Bismarcks Namen „missbraucht“ und Bismarcks Schwiegertochter Marguerite „in Kenntnis des inakzeptabelen [sic!] Politikers die Aufstellung des Denk- mals [in Friedrichsruh] abgelehnt“ haben könnte.5

Wer war Georg von Schönerer?

Georg von Schönerer wurde am 17. Juli 1842 in Wien als Sohn des österreichischen Eisenbahningenieurs Mathias Schönerer geboren.6 Nach der Erhebung des Vaters in den Adelsstand 1860 zog die Familie auf Gut Rosenau bei Zwettl an der böhmischen Grenze. Sohn Georg absolvierte eine landwirtschaftliche Ausbildung, die ihn zunächst nach Tübingen und dann auf die Akademien in Hohenheim und Ungarisch-Altenburg führte. Seit 1865 sammelte er praktische Berufserfahrungen auf verschiedenen Gütern und unternahm mehrere Studienreisen. Ab 1869 leitete Georg von Schönerer – wie einst Bismarck – das Gut des Vaters, das nach dessen Tod 1882 in seinen Besitz überging.

Georg von Schönerer (letzte bekannte Porträtaufnahme)

Zu diesem Zeitpunkt hatte er die Bewirtschaftung schon längst in die Hände eines Verwalters übergeben, fühlte er sich doch, ebenfalls wie der junge Bismarck, seit langem zur Politik hingezogen. Zwei „politische Schlüsselerlebnisse“, die Kriege von 1866 und 1871,7 hatten den Wunsch nach politischer Betätigung in ihm ausgelöst. Knapp ein Jahr nach der Wahlrechtsreform vom Februar 1873, durch die die bisher indirekte Wahl zum Reichsrat durch eine direkte ersetzt wurde, gewann Schönerer ein Abgeordnetenmandat in Wien. Nicht eben standesgemäß, schloss er sich dem demokratischen Flügel der liberalen Verfassungspartei an und erregte vor dem Hintergrund des kurz zuvor ausgebrochenen Wiener Börsenkrachs mit heftiger Kritik an den Geschäftsverbindungen des rechten Flügels der Liberalen unrühmliches Aufsehen. Zu seinen Klagen über die Gewinnsucht des Großkapitals gesellte sich bald ein radikaler deutscher Nationalismus, der den Ausschluss Österreichs aus dem Deutschen Bund 1866 als Schmach stempelte. Von der Überzeugung erfüllt, dass das österreichische Deutschtum nur durch die Verbindung an das Kaiserreich der Hohenzollern gerettet werden könne, propagierte Schönerer seit 1878 mit seiner Parole „Los-von-Österreich“ einen offenen deutschen Irredentismus und bekämpfte die Habsburger-Dynastie wie auch die staatstreuen Eliten.8

Nachdem ein Konflikt zwischen den liberalen Mitgliedern des Kabinetts Auersperg und der Mehrheit der Deutschliberalen im Parlament über die auf dem Berliner Kongress unter der Leitung von Bismarck vereinbarte, von Schönerer entschieden abgelehnte Besetzung von Bosnien-Herzegowina zum Sturz des Kabinetts geführt hatte, beauftragte Kaiser Franz Joseph I. im August 1879 den Konservativen Eduard Taaffe mit der Regierungsbildung. Dessen Versöhnungspolitik gegenüber den slawischen Nationalitäten sollte die innerparteilichen Auseinandersetzungen bei den Liberalen weiter schüren. Zahlreiche jüngere Kräfte wandten sich von den durch die Skandale der Gründerzeit kompromittiert wirkenden Führern ab und zielten auf eine neue Parteibildung, um den deutschnationalen Interessen gegenüber den Slawen in der Monarchie zum Durchbruch zu verhelfen. Ihr Versuch, die Gesamtpartei in Deutschen Klub umzubenennen, stieß jedoch beim rechten Flügel auf massiven Widerstand. Eine Preisgabe der gesamtstaatlichen Ausrichtung kam für ihn nicht in Frage.9

Schönerer stand den jungen kritischen Geistern politisch sehr nahe, und da sie sich nicht durchzusetzen vermochten, trat er nach seiner Wiederwahl in den Reichsrat 1879 keiner Fraktion bei, bildete vielmehr mit Heinrich Fürnkranz eine Zwei-Mann-Gruppe. In dem von ihm im April 1882 mitveröffentlichten deutschnationalen „Linzer Programm“ plädierte Schönerer unter anderem für den Ausbau des von Bismarck 1879 initiierten deutsch-österreichischen Zweibundes zu einer Zollunion. 1885 forderte er in einem Aufruf zur Reichsratswahl eine „wirtschaftliche Reformpolitik im Sinne des Fürsten Bismarck“.10 Nach dem für ihn erfolgreichen Urnengang unternahm er den Versuch, den Parlamentsklub der Vereinigten Linken auf eine kompromisslos deutsche Politik einzuschwören. Kläglich gescheitert, schloss sich Schönerer dem nun neugeschaffenen Deutschen Klub an und gründete im Oktober den
„Verband der Deutschnationalen“. Als Symbol diente seiner Bewegung die Kornblume, die Lieblingsblume Kaiser Wilhelms I. und angeblich auch Bismarcks.11

Im österreichischen Volk sollte Schönerers radikaler Nationalismus nie breiten Boden gewinnen. Kaum weniger erfolgreich entwickelte sich sein zunehmend schärfer artikulierter Antisemitismus. Obwohl er seit 1878 mit der Urenkelin eines getauften Juden verheiratet war,12 hatte Schönerer im Vorfeld der Wahlen von 1885 mit Gleichgesinnten das Linzer Programm um den „Arierparagraphen“ erweitert13 und gab dem Judenhass so eine „Wendung zum politisch-sozial und vor allem biologisch begründeten Antisemitismus“.14 Während die antisemitische Bewegung Österreichs insgesamt auf einen Tiefpunkt zusteuerte, erhob Schönerer den Kampf gegen die Juden zum „Bindemittel für seine illiberale, antisozialistische, antikatholische und gegen Habsburg gerichtete Ideologie“.15

Nicht alle Mitglieder des Deutschen Klubs, zumal die jüdischen, waren bereit, ihm auf diesem Weg zu folgen. Anfang 1887 brachen etliche Parteifreunde die Zusammenarbeit mit Schönerer ab und provozierten damit die Spaltung des Klubs.16 Trotz dieses Rückschlags gewann Schönerer in den folgenden Monaten neue Popularität, und zwar als Verfechter der Verstaatlichung der Nordbahn, einer Eisenbahngesellschaft, deren Hauptstrecke Wien mit Mähren verband. In seinem Kampf gegen die Aktienbesitze der Habsburger wie der Rothschilds bediente er sich abermals des Bismarck‘schen Vorbilds und dessen Verstaatlichung preußischer Eisenbahnen.17

Dem steilen Aufstieg folgte im Frühjahr 1888 ein jäher Absturz. Nachdem er aus Verärgerung über eine verfrühte Todesmeldung Kaiser Wilhelms I. im betrunkenen Zustand einen nächtlichen Überfall auf die Redaktion des „Neuen Wiener Tagblatts“ verübt hatte, wurde Schönerer zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Er verlor seinen Adelstitel wie auch das passive Wahlrecht.18 Frei von jeglichen Fraktions- und Parteizwängen radikalisierte er nach der Haft seine deutschlandpolitischen wie judenfeindlichen Forderungen. 1891 gründete er die deutschnationale „Alldeutsche Vereinigung“ und schwang sich zum Hauptvertreter des österreichischen Rassenantisemitismus auf. Ideologisch verblendet und persönlich verbittert, wähnte er allerorten durch die Juden, den Katholizismus, durch Slawen und Sozialisten eine tödliche Bedrohung seines Deutschtums.

1897 gelang Schönerer ein erstaunlicher politischer Wiederaufstieg. Mit seiner Rückkehr in den Reichsrat und mit der Bildung einer fünf Sitze umfassenden Schönerer-Gruppe gewannen auch die „Alldeutschen“ an Gewicht. Anders als der Alldeutsche Verband in Deutschland19 verfolgte Schönerers Bewegung keine expansiv-imperialistischen Ziele, sondern den Zusammenschluss aller Deutschen in einem Staatsverband. Ihr politischer Kopf feierte Kaiser Wilhelm II. „als Schutzherr[n] der Deutschen in Österreich“,20 attackierte den Vielvölkerstaat der Habsburger und verbrämte alles „durch einen aufgeputschten Rassenantisemitismus“.21 Ihr polterndes Auftreten prägte, ja vergiftete das politische Klima in der Hauptstadt. Der deutschen Botschaft in Wien mochten die „lärmenden“ Anhänger Schönerers zwar „gegen den Strich“ gehen, die österreichischen Alldeutschen insgesamt aber erweckten durchaus Sympathie.22 In antisemitischen Kreisen des Deutschen Reiches hingegen war der österreichische Politiker seit Jahren ein gern gesehener Gast und Redner.23

Um seine Popularität weiter zu steigern, übernahm Schönerer 1898 die Finanzierung der von Karl Hermann Wolf, seinem Parteigänger und Idol der deutschen Studenten und Burschenschaften in Österreich,24 herausgegebenen Zeitung „Ostdeutsche Rundschau“, wobei schon der Titel einer Provokation gleichkam. Denn mit ostdeutsch war die „Ostmark“ gemeint, im Sprachgebrauch des 19. Jahrhunderts die mittelalterliche Markgrafschaft Österreich.25 Im selben Jahr rief Schönerer als Reaktion auf ein Bündnis der katholischen Parteien Österreichs mit den Slawen die „Los-von-Rom“-Bewegung ins Leben und gerierte sich dabei „als gelehrige[r] Schüler Bismarck‘s“.26

Der Einzug von 21 Alldeutschen in den Reichsrat nach den Wahlen von 1901 katapultierte Schönerer auf den Höhepunkt seines politischen Ansehens. Sogar die Berliner Diplomatie schaltete „auf eine auskömmliche Gesprächsbasis“ mit dem Wiener Radikalnationalen.27 Doch schon ein Jahr später endete der Höhenflug. Aufgrund eines Streits mit Wolf28 kam es zu einer Spaltung der Bewegung, 1904 löste sich die Alldeutsche Vereinigung im Wiener Parlament auf. Immer weniger Abgeordnete mochten Schönerers autokratische Führung, sein elitäres Politikverständnis wie auch seinen antikatholischen Kampf noch hinnehmen.29 Auch bei den reichsdeutschen Alldeutschen stieß sein erratisches Auftreten inzwischen vielfach auf Unverständnis.

1907 erhielt er von den Wählern eine ,gesalzene‘ Quittung. Beim ersten Urnengang Österreichs nach dem allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrecht30 gewannen die im Deutschen Nationalverband zusammengeschlossenen deutschnationalen und deutschliberalen Gruppen 90 Sitze, doch von den ehedem 21 Alldeutschen verloren 18 ihr Mandat31; auch Schönerer, der fortan wie ein „lebender politischer Leichnam“ wirkte.32

Wenngleich er seine Feindschaft zur Habsburger-Monarchie nicht einmal im Krieg milderte, nahm er die erneute Nobilitierung durch Kaiser Karl 1917 gern an. Denn noch wichtiger als der Kampf gegen die Dynastie war ihm die Entfernung des so empfundenen Schandflecks von seinem Familiennamen.33 Obwohl sein Traum von der Anbindung der deutsch-sprachigen Teile der Habsburger-Monarchie an das Deutsche Reich auf den Pariser Friedenskonferenzen von 1919 nicht in Erfüllung gehen sollte,34 lebte Schönerer nach seinem Tod 1921 in deutschnationalen und nationalsozialistischen Kreisen als Legende weiter. Ob Schönerer als Hitlers geisti- ger Vater betrachtet werden kann35 oder doch ,nur‘ als ein ideologischer Wegbereiter seines Antisemitismus,36 ist in der Geschichtswissenschaft umstritten. Kein Zweifel besteht jedoch darüber, dass Hitler sich von Schönerers Deutschnationalismus und von seinem Judenhass hat einnehmen lassen.37

Schönerer und Bismarck

Wie bereits dargelegt, hatte sich Schönerer während seiner aktiven Zeit als Reichsratsabgeordneter in seinen politischen Forderungen wiederholt explizit auf Bismarck berufen, sei es in Bezug auf die Sozialgesetzgebung, die Verstaatlichung der Nordbahn oder die Legitimierung der „Los-von-Rom“-Bewegung. Dort, wo er nicht mit ihm übereinstimmte, etwa bei der Balkanpolitik, ging er offenbar stillschweigend darüber hinweg. Dies gilt auch für sein Kernthema, den Antisemitismus. Warum, lässt ein umfangreiches Manuskript erahnen, das Schönerer nach Bismarcks Tod unter Einbeziehung mannigfacher Quellen verfasst hat. Darin begrüßt er zwar dessen ablehnende Stellungnahme zur Judenemanzipation im preußischen Landtag 1847,38 bedauert aber zugleich, dass Bismarck „an die Lösung der Judenfrage nicht erfolgreich [habe] herantreten“ können, weil der Reichstag zu wenige „offene Antisemiten zählte“. In dialektischer Diktion billigt er dem Reichskanzler jedoch zu, eine „günstige Lösung der Judenfrage angebahnt [zu haben], indem er soziale Reformgesetze auf nationaler Grundlage zu Gunsten der arbeitenden Klasse schuf“ und damit für die Arbeiter den Boden ebnete, „sich von ihren jüdischen Führern“ zu befreien.39

Schönerers vereinzelte und in ihrer historischen Tragfähigkeit mitunter fragwürdige Bismarck-Referenzen geben seine Wertschätzung nur unzureichend wieder. Welch‘ glühender Verehrer des Eisernen Kanzlers er war, zeigte der Reichsratsabgeordnete erstmals 1885, als er zu dessen 70. Geburtstag im Wiener Sophien-Saal eine Bismarck-Feier veranstaltete und ihm postalisch im Namen der dort versammelten „drei Tausend Gleichgesinnten“ zu seinem „Jubeltage“ gratulierte.40 Damit nicht genug, beteiligte er sich mit Gleichgesinnten auch an einer im Deutschen Reich damals durchgeführten „Bismarckspende“,41 deren Erlös Bismarck dazu diente, Gut Schönhausen II zurückzukaufen, das seine Eltern in den 1830er-Jahren hatten veräußern müssen, um Schulden abzuzahlen.42

Zentrale Elemente der Schönerer‘schen Politik, seine Affinität zum Linksliberalismus, sein ungestümer Deutschnationalismus, die „Los-von-Rom“-Bewegung oder der Rassenantisemitismus, konnten Bismarck politisch nicht behagen. Gehörte ein freundschaftliches Verhältnis zu Österreich-Ungarn schon seit der Reichsgründung zu den unumstößlichen Gesetzen seiner Politik, war der Friede mit Rom spätestens seit dem Ende des Kulturkampfes Mitte der 1880er-Jahre für ihn nicht mehr verhandelbar. In Bismarcks Verhalten gegenüber dem Judentum mag es manche Ambivalenz gegeben haben, ein „kompromißlose[r] ,Rassen-Antisemit‘“ wie Schönerer43 war er gewiss nicht.44

Wie Bismarck damals über Schönerer persönlich dachte, ist nicht bekannt, wohl aber sein Urteil über dessen Bewegung. In einem Erlass an den deutschen Botschafter in Wien, Prinz Heinrich VII. Reuß, meinte er nach der Gründung des Deutschen Klubs im Wiener Abgeordnetenhaus 1885 eher abschätzig, für die „Kornblumen“ hege er aufgrund ihrer Vorstellungen von parlamentarischer Regierung ebenso wenig Sympathie wie für die „Herbstzeitlosen“ des früheren Chefs der Liberalen Eduard Herbst.45 Ein Jahr darauf beklagte er sich beim österreichischen Außenminister „lebhaft [über] das intempestive Vorgehen des ,Deutschen Clubs‘“.46 Kurz darauf runzelte er Reuß gegenüber vernehmlich die Stirn, weil der Botschafter das Protektorat über einen nach dem Niederwalddenkmal benannten Verein der Reichsdeut- schen in Wien übernommen hatte.47

Es dürfte dem Reichskanzler nicht entgangen sein, dass es im Deutschen Klub auch wegen seiner Person schon bald zu brodeln begann. Denn neben den Verehrern vom Schlage Schönerers gab es dort auch Abgeordnete, die in Bismarck noch immer den Mann von 1866 sahen. Zwar rückte bei Schönerer die Bismarck-Verehrung zeitweise hinter den Antisemitismus „in die zweite Reihe“ seiner politischen Forderungen,48 ablassen mochte er von ihr aber nicht – im Gegenteil. Trotz seines tiefen Sturzes infolge der Haftstrafe initiierte er 1888 aus Anlass des „ersten machtvollen Auf- treten[s] der Germanen in der Weltgeschichte“ 2000 Jahre zuvor unter den Deutschnationalen eine Kampagne zur Absendung von Huldigungsschreiben an Bismarck, den „nationalsten und grössten deutschen Staats- und Volksmann“.49

Seit dem Sturz des Reichskanzlers 1890 sollte Schönerer seine Kontakte nach Friedrichsruh deutlich intensivieren. Der ehemalige Reichsratsabgeordnete sandte dem Reichskanzler a. D. nicht nur ein Exemplar des Jahresberichts über die Tätigkeit des von ihm, Schönerer, geleiteten Deutschen Volksvereins in Wien für 1890/91,50 er schickte seinem Idol auch den Text einer im Herbst 1891 gehaltenen Rede vor dem Tiroler Bauernverein zu Oberhofen, in der er Bismarck als Vorbild eines bauernfreundlichen Staatsmannes gerühmt hatte.51 Anfang 1892 ging in Friedrichsruh ein Zeitungsartikel über Schönerers Rede in Bischofswerda vom 25. Januar ein, in der er beteuert hatte, dass den national gesinnten Deutschösterreichern „die Thaten des eisernen Kanzlers stets unvergessen bleiben werden“. Nicht unlieb dürfte dem Absender gewesen sein, dass der Artikel herausstellte, wieviele Briefe und Depeschen an Schönerer zu dieser Ansprache mit dem dreifachen Jubelruf „Heil Bismarck! Heil Schönerer! Hurrah Germania“ endeten.52

Herbert (l.) und Otto von Bismarck. Der Altreichskanzler vermied eine persönliche Begegnung mit Schönerer. Sein Sohn ließ den österreichischen Antisemiten dann aber an den Sarg des verstorbenen Vaters treten.

Regelmäßig nutzte Schönerer die Geburtstage Bismarcks, um sich in Friedrichsruh in Erinnerung zu rufen. Am 1. April 1891 gratulierte er ihm im Namen von „hunderten deutschnational fühlender Ostmärker“ aus Wien.53 Ein Jahr darauf beglückwünschte er auf telegraphischem Wege persönlich mit den Worten „Heil dem Fürsten Otto v. Bismarck! Dreimal Heil“.54 Wenige Tage später erinnerte Schönerer den Verband Graz des Germanenbundes an Bismarcks Ehrentag und schloss das Telegramm mit „Heil Alldeutschlands größtem Sohne!“ ab. Da der Telegrafenbeamte in Graz die Weiterleitung des Schriftstücks verweigerte, zwei weitere Telegramme von Schönerer nach Dresden und Freilassing mit demselben Inhalt hingegen befördert wurden, kam es Ende April 1892 zu einer Interpellation im österreichischen Abgeordnetenhaus.55

Bismarck wahrte zu all diesen Aktivitäten eine auffällige Distanz. Dass er auf Schönerers Huldigungsschreiben zwar „äußerst kühl“, aber dennoch geantwortet habe, wie die österreichische Historikerin Brigitte Hamann behauptet,56 ist quellenmäßig nicht belegt. Weder im Friedrichsruher Bismarck-Archiv noch in den nachgelassenen Papieren Schönerers in Wien lassen sich aus diesem Zeitraum Depeschen des Alt-Reichskanzlers auffinden. Charakteristisch für Bismarcks Einstellung gegenüber Schönerer mag sein Verhalten anlässlich der Hochzeit seines Sohnes Herbert mit der aus ungarischem Adel stammenden Marguerite Hoyos in Wien Mitte Juni 1892 gewesen sein.57 Am Abend der Ankunft des hohen deutschen Gastes kam es in der österreichischen Hauptstadt zu deutschnationalen und antisemitischen Exzessen, die ein Eingreifen der Polizei erforderlich machten.58 Tags darauf fuhren 60 Wagen mit deutschnationalen Studenten und Verbänden beim Herbert (l.)Alt-Reichskanzler vor, um Einlass zu erbitten – vergeblich. Auch Schönerer versuchte, empfangen zu werden, ohne Erfolg.59 Während Bismarck die Huldigungen an den deutschen Orten seiner Rundfahrt durchaus genoss, waren sie ihm auf österreichischem Boden offenbar nicht recht, wie auch ein Vorfall auf seiner Rückreise belegt. Als ein deutschliberaler Verehrer ihn bei einem Zwischenhalt in Linz als „größten Mann des Deutschen Reiches“ rühmte, verlangte der Ex-Reichskanzler, lediglich als „Begründer des Bündnisses zwischen Österreich und Deutschland“ gewürdigt zu werden.60

Schönerer ließ sich durch Bismarcks Reserviertheit in seinem Tatendrang nicht entmutigen. Zu dessen 78. Geburtstag dachte er sich eine besondere Ehrung aus, indem er für die Ostmärker das Muster eines Glückwunschschreibens drucken ließ, das dann Hunderte von ihnen einzeln signiert Ende März 1893 nach Friedrichsruh schickten.61 Auch Schönerer und seine Frau bedienten sich eines der Formulare.62 Für die folgenden drei Jahre sind im Bismarck-Archiv keine persönlichen Geburtstagsglückwünsche von ihm überliefert. Aus Schönerers nachgelassenen Papieren kann aber rekonstruiert werden, dass er von Wien aus abermals mit vorgedruckten Karten daraufhin wirkte,63 dass die Deutschnationalen dem Alt-Reichskanzler in „Dankbarkeit und Treue“ gratulierten.64 1896 gründete Schönerer Bismarck zu Ehren eine Arbeiterzeitung, der er in Anlehnung an das Bild vom Reichsschmied den Namen „Der Hammer“ gab; gedruckt wurde das Blatt auf der Titelseite mit einem Spruch Bismarcks zur Sozialpolitik.65 Zur Mitte des Jahres begab sich eine Gruppe von Anhängern Schönerers – allem Anschein nach ohne ihren Anführer – nach Friedrichsruh, um dem Alt-Reichskanzler einen aus Eichenholz und Eisen hergestellten Schild mit der Umschrift eines Schönerer-Zitats zu überreichen.66

Bismarck wahrte bezeichnenderweise abermals seine Reserviertheit. Er begrüßte die Gäste, angeblich wegen Unwohlseins, lediglich bei der Ausfahrt mit der Kutsche vom Schlosshof, bedankte sich aber einige Wochen später bei einem der Teilnehmer schriftlich für die Gabe.67 Bis zu seinem Tod am 30. Juli 1898 sollte Bismarck an Schönerer nur ein einziges Schreiben richten, und auch das nicht an ihn persönlich. Nachdem ihn Ende März 1898 ein letzter Geburtstagsgruß des im Vorjahr wiedergewählten Reichsratsabgeordneten sowie weiterer Mitglieder der Schönerer-Gruppe im Wiener Parlament erreicht hatte, sandte der Jubilar allen Gratulanten Ende April ein zweizeiliges Danktelegramm.68

Schönerer und die Nachkommen Bismarcks

Ob Schönerer darunter gelitten hat, dass er seinem Idol nie persönlich begegnete, ist nicht überliefert. Der Gedanke erscheint aber keineswegs abwegig, denn kaum vier Wochen nach dem Ableben des Alt-Reichskanzlers rief der österreichische Abgeordnete seine Anhänger in seiner Zeitschrift „Unverfälschte Deutsche Worte“ zu einer alljährlichen Fahrt zur Grabstätte in Friedrichsruh auf.69 Dem schon seit Bismarcks Rücktritt 1890 bestehenden deutschen Wallfahrttourismus in den Sachsenwald70 gab er damit eine österreichische Note. In einem 67-seitigen, möglicherweise als Buch geplanten, mit zahlreichen Originalzitaten seines Idols gespickten Manuskript rühmte Schönerer das Leben des Eisernen Kanzlers nun als „gewaltigen ehrlichen Kampf im Bunde mit allen guten und edlen Deutschen […] gegen die bösen und schlechten Instinkte des deutschen Volkes“.71

Noch ehe Bismarck seine letzte Ruhestätte im Friedrichsruher Mausoleum gefunden hatte, setzte Schönerer seinen Plan mit einigen Getreuen um und durfte im November 1898 mit Erlaubnis von Bismarcks Sohn Herbert sogar zu dem im Schloss aufgebahrten Sarg.72 Seit der Umbettung des Leichnams im Frühjahr 1899 reisten die Schönerianer mit ihrem Chef dann regelmäßig am Tag vor dem Totensonntag in den Sachsenwald, besuchten die Gruftkapelle und nahmen abends in Hamburg an Veranstaltungen des Jungdeutschen Bundes zu Ehren Bismarcks teil. Da Schönerer die Anzahl seiner Begleiter nach den ersten drei Touren zu gering anmutete, appellierte er 1901 an die Leitung der deutschvölkischen Vereine der Ostmark, dass bei der nächsten Fahrt nach „Bismarcksruh kein deutschvölkischer Verein unvertreten“ sein dürfe.73

Bismarcks Familie war der von den Schönerianern betriebene Kult um ihren großen Ahnen offenbar nicht unlieb. Die vom Eisernen Kanzler stets gewahrte Distanz zum österreichischen Alldeutschen und Antisemiten verschwand. 1903 begrüßte Herbert von Bismarck die Schönerianern persönlich vor dem Mausoleum und hielt eine kurze Ansprache.74 Nach Herberts frühem Tod im September 1904 übernahm seine Witwe Marguerite von Bismarck das Regiment in Friedrichsruh75 und gestattete ohne Zögern die Fortsetzung der Besuche ihres habsburgischen ,Landsmannes‘. 1905 sandte ihr Sekretär, Weishaar, Schönerer sogar Weihnachtsgrüße und legte zur Erinnerung an dessen letzte Friedrichsruh-Visite ein Foto der Fürstin „mit den 3 Stammhaltern der Familie“ bei.76

Bismarcktrum bei Schloss Rosenau (Foto: Wikipedia, CC BY-SA 3.0 Deed)

Schönerers Bismarck-Kult nahm derweil immer ausgeprägtere Formen an. Mit unermüdlichen Initiativen regte er in der Habsburger-Monarchie Straßenbenennungen nach Bismarck und das Aufstellen von Denkmälern an, die von der Größe Bismarck‘scher Taten künden sollten.77 Nach dem Verlust des Reichsratsmandats 1907 begann der Schlossherr unweit von Rosenau mit den Bauarbeiten zu einem granitenen Bismarck-Turm, der Mitte Juni 1908 eingeweiht wurde.78 1910 beteiligte er sich mit einer finanziellen Gabe am Spendenaufruf zum Bau eines Bismarck-Nationaldenkmals in Berlin.79 In öffentlichen Verlautbarungen rief er „im Geiste Bismarcks“ zur Verschärfung des Kampfes gegen „die schwarzen und roten Feinde“ und zur Fortsetzung der „germanische[n] Welt- und Lebensanschauung“ auf. „Daher: Los von Juda! Und: Los von Rom!80 Ganz in diesem Sinne radikalisierte sein „letzter Jünger“ Franz Stein81 die Linie der Zeitung „Der Hammer“ und versah das Titelblatt nun mit einem Bismarck-Spruch über die revolutionäre Gefahr der Sozialdemokratie.82

Schönerers Friedrichsruh-Touren verliefen derweil in den üblichen Bahnen mit dem Gedenken im Mausoleum und der Teilnahme an den vom Jungdeutschen Bund zu Hamburg ausgerichteten Bismarck-Feiern.83 1911 aber sollte eine den Alldeutschen nahestehende Seite versuchen, seinen Besuch zu vereiteln. Über die Presse wurde Marguerite von Bismarck die Nachricht zugespielt, dass Schönerianer und Sozialdemokraten vor den letzten Reichsratswahlen ein Wahlbündnis abgeschlossen hätten. Nachdem Schönerer prompt seinen Austritt aus dem Alldeutschen Verband verkündet hatte, gewährte die Fürstin ihm nicht nur demonstrativ den Zugang zum Mausoleum, sie ließ sogar abermals das ehemalige Arbeits- und Sterbezimmer ihres Schwiegervaters zur Besichtigung herrichten.84

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs sah Schönerer von Wallfahrten in den Sachsenwald ab, vielleicht auch deshalb, weil seine Frau Philippine im November 1913 auf dem Rückweg von Friedrichsruh verstorben war.85 Als Quasi-Ersatz ließ er an Bismarcks Geburtstagen 1915 und 1918 in Wien ihm zu Ehren Feiern abhalten,86 1915 außerdem in Friedrichsruh einen Kranz mit Kornblumen am Sarkophag niederlegen. Nach dem Ende des Krieges nahmen die Schönerianer die Tradition zwar 1920 wieder auf, allerdings ohne ihren Anführer, der sich durch Franz Stein vertreten ließ. Mit Schönerers Tod 1921 setzten sie die Besuche für zehn Jahre aus. Erst 1931 fand auf Anregung des Alldeutschen Vereins „Schönerer“ unter Beteiligung der Wiener Ortsgruppe des Alldeutschen Verbandes wieder eine Sachsenwaldfahrt statt.87

Der Bismarck-Gedenkstein und das Schönerer-Grab in Aumühle

Einen bizarren Höhepunkt von Schönerers ganz eigenem Bismarck-Kult markierten die Enthüllung des von ihm gestifteten Gedenksteins in Aumühle und seine Grablegung auf dem dortigen Friedhof. Schon 1899 hatte Schönerer unter den Ostmärkern eine Spendensammlung zur Errichtung eines Bismarckdenkmals gestartet.88 Ursprünglich dachte er an eine Büste in Krems, dann an einen Turm in Graz.89 Nachdem beide Projekte nicht zustande gekommen waren, unternahm Schönerer 1915, mitten im Ersten Weltkrieg, einen neuen Anlauf. Mit festem Blick auf Bismarcks 100. Geburtstag bat er die „alldeutschen Bismärcker in der österreichischen Ostmark“ um eine Spende für ein „Malzeichen […] als dauerndes Sinnbild unserer Treue und Dankbarkeit“. Schönerer hoffte, mit den Vorarbeiten möglichst rasch zu beginnen, „damit das Denkmal bald nach erfolgreicher Beendigung des Krieges errichtet werden könne“.90 Als Ort des Geschehens schwebte ihm nunmehr sein langjähriger Wallfahrtsort Friedrichsruh vor. Ehererbietigst wandte er sich am 1. März 1915 an den Privatsekretär Marguerite von Bismarcks mit der Bitte, bei ihr als Fürsprecher für die Errichtung eines Gedenksteines „nach dem Kriege“ aufzutreten.91 Zwei Wochen später kam die ernüchternde Antwort: Im Auftrag der Fürstin teilte Sekretär Doerbandt mit, dass es nicht leicht sein dürfte, in Friedrichsruh eine würdige Stelle zu finden. Denn ein Platz auf dem Gebiet der Gruftkapelle könne keinesfalls zur Verfügung gestellt werden, um nicht zukünftigen Privatgesuchen einen Präzedenzfall zu bieten.92 Schönerer ließ sich von der Rückmeldung nicht ermutigen und beauftragte seinen „Gesinnungsgenossen“93 Leo von Moos mit der Herstellung des Denkmals.94 Der Salzburger Bildhauer schuf einen aus drei Teilen bestehenden wuchtigen Gedenkstein aus „Untersberger Marmor“, aus dem auch der Sarkophag Bismarcks angefertigt worden war.95 Auf ein massiges Fundament setzte er einen glattgeschliffener Quader mit kupferner Faust und martialischer Inschrift sowie darüber ein von zwei Adlern über einem Bismarck-Kopf gekröntes Hauptstück.96

Gut fünf Jahre später traf Moosens Denkmal im Sachsenwald ein, nicht bei Marguerite von Bismarck, sondern beim Hamburger Kaufmann Emil Specht, der im Hause Bismarck bestens bekannt war. Specht hatte 1897 von Otto von Bismarck ein Waldstück erworben und darauf die Aumühler Villenkolonie Sachsenwald-Hofriede sowie einen Bismarck-Turm gebaut,97 in dem er eine Bismarck-Bibliothek und eine Ausstellung mit Leihgaben der Fürstin einrichtete.98 Offenbar fasziniert von Schönerers Plan, machte er sich zu dessen Vollstreckungsgehilfen und stellte ihm ein Areal zur Verfügung. Passend zum Sedantag, dem 2. September 1920, ließ Specht den Gedenkstein in einem Birkenwäldchen am Bismarck-Turm aufstellen und „zum Schutz gegen Frevel“ zunächst mit Holz verkleiden. Nachdem er sich über Franz Stein erkundigt hatte, wie Schönerer die Enthüllungsfeierlichkeiten wünsche,99 sandte er Fürstin Marguerite Ende Dezember Fotos vom Denkmal und versicherte ihr, dass er bis zu der von Schönerer geplanten Feier am 1. April 1921 noch „eine hübsche gärtnerische Anlage“ anlegen lasse.100

Wie vorgesehen, fand die Zeremonie an Bismarcks 106. Geburtstag statt, in Anwesenheit einer von Stein geführten kleinen Delegation alldeutscher Ostmärker wie auch Marguerite von Bismarcks und Emil Specht, aber ohne Schönerer, der die Fahrt von Niederösterreich in den Sachsenwald aus gesundheitlichen Gründen nicht hatte antreten können.101 Stein begab sich daher umgehend auf das Schloss seines Förderers und sandte Fürstin Bismarck am 3. Mai102 von Rosenau aus einen von ihm verfassten Zeitungsartikel, in dem er die Enthüllung des Denkmals als „sichtbares Zeichen unverlöschten Dankes der alldeutschen Ostmärker“ rühmte. Als besonders verdienstvoll würdigte er Emil Specht, „der selbstlos dem Denkmal eine Stätte gab im Sachsenwald“.1103 Dank der Angaben Steins können alle bis auf den heutigen Tag im Sachsenwald zirkulierenden Angaben über das Datum der Aufstellung als widerlegt gelten. Die Enthüllung fand weder 1923104 noch 1924 statt105 und wurde auch nicht „1923/24 von der Schönerer-Gesellschaft gestiftet“,106 sondern von Alldeutschen aus der Ostmark.

Der Bismarck-Denkstein in Aumühle wurde 2001 von der Gemeide mit einer Tafel versehen, auf der Schönerer als Antisemit eingeordnet und den Opfer der Verbrechen, deren Wegbereiter er war, gedacht wird. (Foto: Natalie Wohlleben)

Schönerer hatte der Feier, wie erwähnt, nicht beiwohnen können. Am 14. August 1921 starb er auf Schloss Rosenau und verließ diese Welt in der Hoffnung, seine letzte Ruhe in der Nähe Bismarcks zu finden. Ursprünglich hatte er sich im Schlosspark von Rosenau beerdigen lassen wollen, dann aber testamentarisch die Überführung seines Leichnams nach Aumühle festgelegt, wohl von der Sorge geplagt, dass sein Grab dereinst in „Judenhände“ fallen könnte.107 Denn da neben seiner Frau auch sein einziger Sohn verstorben war, hatte er keine direkten Erben.108

Sein Wunsch blieb zunächst unerfüllt. Aber ein Jahr nach seinem Begräbnis in Österreich fand sich mit Emil Specht ein Gönner, der eine Grabstelle auf dem Au- mühler Friedhof erwarb.109 Der Kirchenvorstand der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde hatte der Bestattung in einem „Ehrengrab“ „auf Friedhofsdauer“ zugestimmt. Die Beisetzung in der gemauerten Gruft fand am 1. April 1922 statt, in Verbindung mit den Feierlichkeiten der Alldeutschen zu Bismarcks 107. Geburtstag. Ganz in deren Sinne dürfte die große Grabplatte gestaltet worden sein, gab sie doch unmissverständlich zu verstehen, wie „Georg Ritter v. Schönerer“ erinnert werden wollte: als „Gutsherr zu Schloss Rosenau Nieder-Österreich 1842 – 1921“ und als „Ein Kämpfer für Alldeutschland“.110 Wenige Monate später, am 1. September 1922, folgte die Bestattung von Schönerers Frau Philippine, allerdings nicht in der Gruft, sondern in einem anliegenden Erdgrab.111

Schlussbetrachtung

In ihren Forschungen über die Entstehung und Ausformung des deutschen Bismarck-Mythos hat die Geschichtswissenschaft überzeugend herausgearbeitet, dass der Eiserne Kanzler für seine Bewunderer zur Leitfigur eines überhitzten Nationalismus und zu einem „Identifikations-Symbol“ aufstieg, in das sich unerfüllte Wünsche projizieren ließen.112 Auch für manchen Österreicher war Bismarck ein „Held“.113 Die von Schönerer und seinen Anhängern betriebene Huldigung reichte jedoch über das in der Habsburger-Monarchie übliche Maß weit hinaus, war mehr Mythisierung denn Ikonisierung.

Die Ehrerbietungen seiner deutschen Fangemeinde genoss Bismarck nicht nur, er befeuerte sie noch mit einem Arsenal von Presseartikeln, Publikationen und mit seinen Memoiren.114 Ging es ihm dabei zum einen um seinen Platz in der Geschichte, sorgte er sich zum anderen um den Erhalt seines Vermächtnisses, das aufgrund der Hybris seiner Nachfolger gefährdet schien. Die Regierung des Deutschen Reiches müsse das bewahren, was die Gründer „mühsam unter dem bedrohenden […] Ge- wehranschlag des übrigen Europa ins Trockene gebracht haben“,115 lautete Bismarcks Ceterum censeo.

Zu seinem österreichischen ,Oberfan‘ Georg von Schönerer hielt er hingegen zeitlebens Distanz. Allzu sehr stimmten ihre innen- wie außenpolitischen Ziele nicht überein. Allerdings war die Kluft nicht so groß, dass Bismarck sich explizit von Schönerer ferngehalten oder gar seine Glückwünsche, Publikationen und Geschenke zurückgeschickt hätte. Folglich kann auch nicht davon die Rede sein, dass Schönerer Bismarcks Namen „missbraucht“ hätte, wie im Laufe der Aumühler Kontroverse behauptet worden ist.116 Wäre dem so gewesen, hätte Bismarck wohl anders auf die Ehrerbietungen reagiert, hätte sein Sohn Herbert Schönerer kaum die Tür zum Sterbezimmer bzw. zur Gruftkapelle seines Vaters geöffnet und erst recht nicht die Schönerianer 1903 in Friedrichsruh persönlich begrüßt. Entschieden zurückzuweisen ist schließlich die Annahme, Herberts Witwe Marguerite habe die Aufstellung des von Schönerer gestifteten Bismarck-Gedenksteins in Friedrichsruh abgelehnt, weil sie den Stifter „inakzeptabel“ gefunden hätte.117 Marguerite von Bismarck folgte nicht nur der Tradition ihres Mannes hinsichtlich der Billigung der Schönerer-Wallfahrten, sie untermauerte sie noch mit ihren persönlichen Freundlichkeiten bis hin zur Teilnahme an der Zeremonie der Aufstellung des Gedenksteins – wenn auch nicht in Friedrichsruh, so doch in Aumühle. Bismarcks Schwiegertochter besaß nicht nur weniger Soupçon als er gegenüber dem Antisemitismus ihres ,Landsmannes‘ Schönerer118, sondern in der aufgewühlten Nachrevolutionszeit der frühen 1920er-Jahre offenbar auch weniger Skrupel, den „Kampf um das historische Erbe“ ihres Schwiegervaters mithilfe zwielichtiger Zeitgenossen fortzusetzen.119

 

Der Aufsatz ist erschienen in: Vom Nutzen der Historie. Festschrift für Hans-Christof Kraus zum 65. Geburtstag, Berlin 2023

siehe auch: Schwierige Erbschaften. Der Gedenkstein für Otto von Bismarck und das Grab Georg von Schönerers in der Sachsenwald-Gemeinde Aumühle, 15. November 2022

 


1. Vgl. dazu pars pro toto mit europäischer Perspektive Benedikt Stuchtey, Das schwierige Erbe des Kolonialismus. Die europäische Debatte über den Umgang mit der kolonialen Vergangenheit, in: Zeitgeschichte aktuell Nr. 2, Dezember 2020.

2. Vgl. Ulrich Lappenküper, Schwierige Erbschaften. Der Gedenkstein für Otto von Bismarck und das Grab Georg von Schönerers in der Sachsenwald-Gemeinde Aumühle, Aufsatz in Vorbereitung; Online-Fassung: https://www.bismarck-stiftung.de/2022/11/15/schwierige-erbschaften-bismarck-gedenkstein-und-schoenerer-grab-in-aumuehle/

3. Vgl. Privatarchiv Mylius, Leserbrief des Aumühler Journalisten Erhard Herzig, in: Bergedorfer Zeitung, 24. 11. 1997

4. Ausgewertet wurden das Bismarck-Archiv der Otto-von-Bismarck-Stiftung Friedrichsruh [OBS, Bismarck-Archiv], die nachgelassenen Unterlagen Schönerers im Österreichischen Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Nachlass Eduard Pichl, in Wien [ÖStA, AVA, NL Pichl], relevante Akten der Kirchengemeinde Aumühle-Wohltorf im dortigen Archiv und im Archiv des Ev.-Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg in Lübeck sowie Presseausschnittsammlungen in den Privatarchiven des Aumühler Gemeindevertreters Axel Mylius und des Aumühler Journalisten Lothar Neinass. Für hilfreiche Unterstützungen bei den Archivrecherchen danke ich Herrn Eduard Bartels, Aumühle, Frau Beatrix Jenckel, Aumühle, Herrn Nikolaj Müller-Wusterwitz, Aumühle, Herrn Axel Mylius, Aumühle, Herrn Lothar Neinass, Aumühle, Herrn Dr. Lukas Schaefer, Schwarzenbek, Frau Dr. Claudia Tanck, Lübeck, und Herrn Dr. Michael Wladika, Wien.

5. Privatarchiv Neinass, Rundschreiben Greth Ingel von Tümplings an Bürgermeister Dieter Giese und andere Vertreter der Gemeinde Aumühle, 12. 5. 2000

6. Zur Biografie vgl. Andrew Whiteside, Georg Ritter von Schönerer. Alldeutschland und sein Prophet, Graz 1981; Eduard Pichl, Georg Schönerer, 6 Bde. in 3 Doppelbänden, 3. Aufl., Oldenburg 1938. Die mit Unterstützung des „Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands“ besorgte Neuauflage wurde von Hitler durch den Aufkauf der Hälfte der Auflage massiv gefördert: Vgl. [Adolf] Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition. Hrsg. von Christian Hartmann/Thomas Vordermayer/ Othmar Plöckinger/ Roman Töppel, 2 Bde., München/Berlin 2016, S. 310, Anm. 175. Trotz der ideologischen Einseitigkeiten ist das Werk von Schönerers „Freund und Gefolgsmann“ Pichl aufgrund der Materialmasse für die Befassung mit Schönerer noch immer unverzichtbar: Sven Fritz, Houston Stewart Chamberlain. Rassenwahn und Welterlösung, Paderborn 2022, S. 45 mit Anm. 189

7. Brigitte Hamann, Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators, 3. Aufl., München/Zürich 1996, S. 339

8. Vgl. Berthold Sutter, Die politische und rechtliche Stellung der Deutschen in Österreich 1848 bis 1918, in: Adam Wandruszka/ Peter Urbanitsch (Hrsg.), Die Habsburgermonarchie 1848 – 1918, Bd. 3,1: Die Völker des Reiches, Wien 1980, S. 154 – 339, S. 215

9. Vgl. Adam Wandruszka, Österreich-Ungarn vom ungarischen Ausgleich bis zum Ende der Monarchie (1867 – 1918), in: Theodor Schieder (Hrsg.), Handbuch der europäischen Ge- schichte, Bd. 6: Europa im Zeitalter der Nationalstaaten und europäische Weltpolitik bis zum Ersten Weltkrieg, unveränd. Nachdruck, Stuttgart 1973, S. 353 – 399, S. 362 – 371.

10. Zitiert nach: Michael Wladika, Georg Ritter von Schönerers Radikalisierung zum Rassenantisemiten vom Linzer Programm 1882 bis zur Gründung des „Verbandes der Deutschnationalen“ 1885, S. 228; https://doi.org/10.1515/9783110671995-011 (abgerufen am 15. 7. 2022).

11. Vgl. Lothar Höbelt, Kornblume und Kaiseradler. Die deutschfreiheitlichen Parteien Altösterreichs 1882 – 1918, Wien u. a. 1993; Stefan Schwall, Wie die Kornblume preußisch wurde und Invaliden der Schlacht von Spichern half, https://www.saarland-lese.de/streifzuege/geschichtliches/wie-die-kornblume-preussisch-wurde-und-invaliden-der-schlacht-von-spichern-half/ (abgerufen am 26. 8. 2022); eine ikonographische Stilisierung der Bismarck zugeschriebenen Zuneigung findet sich in der Abschiedsadresse der Berliner Bürgerschaft zur Demission des Reichskanzlers im März 1890; https://www.bismarck-stiftung.de/produkt/abschiedsadresse-der-berliner-buergerschaft-an-otto-von-bismarck/ (abgerufen am 26. 8. 2022).

12. Vgl. Michael Wladika, Hitlers Vätergeneration. Die Ursprünge des Nationalsozialismus in der k.u.k. Monarchie, Wien/Köln/Weimar 2005, S. 224; Whiteside, Georg Ritter von Schönerer (Anm. 6), S. 250

13. Vgl. Peter Pulzer, Die Entstehung des politischen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867 bis 1914. Mit einem Forschungsbericht erweiterte Neuausgabe, Göttingen 2004, S. 183 – 186.

14. Joachim Fest, Hitler. Eine Biographie, Frankfurt am Main/Berlin 1973, S. 66

15 Ian Kershaw, Hitler 1889 – 1936, Stuttgart 1998, S. 67

16. Vgl. Pulzer, Entstehung (Anm. 13), S. 188 f.

17. Vgl. Wladika, Schönerers Radikalisierung (Anm. 10), S. 226. Zu Bismarcks Eisenbahnpolitik vgl. Alfred von der Leyen, Die Eisenbahnpolitik des Fürsten Bismarck, Berlin 1914; Uwe Müller, Otto von Bismarck und die Infrastrukturpolitik in Ostelbien vor und nach der ,ordnungspolitischen Wende‘ von 1879, in: Michael Epkenhans/Ulrich von Hehl (Hrsg.), Otto von Bismarck und die Wirtschaft, Paderborn u. a. 2013, S. 121 – 162

18. Vgl. Pichl, Georg von Schönerer (Anm. 6), Bd. 2, S. 434 – 477

19. Dazu grundlegend Rainer Hering, Konstruierte Nation. Der Alldeutsche Verband 1890 bis 1939, Hamburg 2003

20. Pichl, Georg von Schönerer (Anm. 6), Bd. 6, S. 446

21. Kershaw, Hitler (Anm. 15), S. 67

22. Konrad Canis, Die bedrängte Großmacht. Österreich-Ungarn und das europäische Mächtesystem 1866/67 – 1914, Paderborn 2016, S. 279

23. Vgl. ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 17, Friedrich Witte, Vorsitzender des Deutschen Antisemiten-Bundes in Berlin, an Schönerer, 17. 3. 1892; ebd., Vortrag Schönerers vor dem Deutsch-sozialen antisemitischen Verein in Heidelberg, 8. 5. 1892

24. Zu Wolf vgl. Hamann, Hitlers Wien (Anm. 7), S. 375 – 393

25. Vgl. ebd., S. 378

26. ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 15, Manuskript Schönerers, o. D., verfasst nach Bismarcks Tod 1898

27. Höbelt, Kornblume (Anm. 11), S. 327; vgl. Canis, Großmacht (Anm. 22), S. 286

28. Vgl. Hamann, Hitlers Wien (Anm. 7), S. 381

29. Vgl. Fest, Hitler (Anm. 14), S. 67

30. Vgl. Christian Neschwara, „Die Schönerianer und der Abgeordnete Löcker“. Eine Epi- sode aus der Geschichte des allgemeinen Wahlrechts in Österreich, in: Milan Hlavacˇka u. a. (Hrsg.), „Die Heimstatt des Historikers sind die Archive“. Festschrift für Lothar Höbelt, Wien/ Köln 2022, S. 463 – 473

31. Vgl. Wandruszka, Österreich-Ungarn (Anm. 9), S. 385

32. Whiteside, Georg Ritter von Schönerer (Anm. 6), S. 256

33. Vgl. ebd., S. 255

34. Vgl. Jörn Leonhard, Der überforderte Frieden. Versailles und die Welt 1918 – 1923, München 2018, S. 1051 – 1053

35. Vgl. Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Frankfurt am Main 1955, S. 71 f.

36. Vgl. Lothar Höbelt, Schönerer, Georg von, in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 406 – 407; https://www.deutsche-biographie.de/pnd118610163.html#ndbcontent (abgerufen am 1. 8. 2021)

37. Vgl. Kershaw, Hitler (Anm. 15), S. 99

38. Vgl. Rede Bismarcks in der Kurie der drei Stände, 15. 6. 1847, in: [Otto von] Bismarck, Die gesammelten Werke (Friedrichsruher Ausgabe), Bd. 10 Reden 1847 bis 1869. Bearb. von Wilhelm Schüßler, Berlin 1928, S. 8– 12, S. 10

39. ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 15, Manuskript Schönerers, o. D., verfasst nach Bis- marcks Tod

40. Ebd., Karton 16, Schönerer an Bismarck, [1. 4. 1885]. Vgl. Heinrich Schnee, Georg Ritter von Schönerer. Ein Kämpfer für Alldeutschland, Reichenberg 1940, S. 137

41. ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 16, Rudolf von Gneist an Schönerer, 8. 4. 1884 sowie etliche Spendenbescheinigungen Schönerers

42. Vgl. Bismarck an Wilhelm I., 4. 4. 1885, in: Otto von Bismarck, Gesammelte Werke (Neue Friedrichsruher Ausgabe), Abt. III Schriften 1871 – 1898, Schriften, Bd. 6 1884 – 1885. Bearb. von Ulrich Lappenküper, Paderborn 2011, S. 548; ders. an dens., 4. 4. 1885, in: ebd. S. 549; ders. an dens., 13. 6. 1885, in: ebd., S. 616 – 618

43. Höbelt, Kornblume (Anm. 11), S. 354

44. Vgl. pars pro toto Fritz Stern, Gold und Eisen. Bismarck und sein Bankier Bleichröder, Frankfurt am Main/Berlin 1978

45. Bismarck an Reuß, 7. 7. 1885, in: Bismarck, NFA (Anm. 42), Abt. III, Bd. 6, S. 635 f., S. 636

46. Herbert von Bismarck an Reuß, 4. 2. 1886, in: Otto von Bismarck, Gesammelte Werke (Neue Friedrichsruher Ausgabe), Abt. III Schriften 1871 – 1898, Schriften, Bd. 7 1886 – 1887. Bearb. von Ulf Morgenstern, Paderborn 2018, S. 50

47. Vgl. ders. an dens., 21. 2. 1886, in: Bismarck, NFA (Anm. 46), S. 61 f.

48. Wladika, Schönerers Radikalisierung (Anm. 10), S. 229

49. ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 16, Rundschreiben Schönerers, o. D., nebst Entwurf des Huldigungsschreibens, 24. 6. 1888. Welches konkrete historische Ereignis Schönerer dabei im Blick hatte, erwähnt er nicht.

50. OBS, Bismarck-Archiv, A 119, Jahres-Bericht über die Thätigkeit des Deutschen Volksvereins, Horn 1891

51. Ebd., Sonderdruck aus der Innsbrucker „Neuen Inn-Zeitung“, 15./22. 10. 1891

52. Ebd., Erste Beilage zu Nr. 10 des „Sächsischen Erzählers“, 3. 2. 1892. Der Heil-Gruß wird hier nicht im altnordischen Sinn, sondern als politisches Zeichen der Opposition zur kleindeutschen Lösung von 1866/71 verstanden.

53. Ebd., A 112, Schönerer an Bismarck, 2. 4. 1891

54. Ebd., A 119, Schönerer an Bismarck, 28. 3. 1892

55. Zitiert in: Johs. Penzler (Hrsg.), Fürst Bismarck nach seiner Entlassung. Leben und Politik des Fürsten seit seinem Scheiden aus dem Amte auf Grund aller authentischen Kundgebungen, Bd. 3, Leipzig 1897, S. 203

56. Hamann, Hitlers Wien (Anm. 7), S. 339

57. Vgl. Penzler (Hrsg.), Fürst Bismarck nach seiner Entlassung (Anm. 55), Bd. 3, S. 311 – 328

58. Vgl. Reuß an Reichskanzler Leo von Caprivi, 21. 6. 1892, in: Otto Gradenwitz, Akten über Bismarcks großdeutsche Rundfahrt vom Jahre 1892, Heidelberg 1921, S. 20 f.; Penzler (Hrsg.), Fürst Bismarck nach seiner Entlassung (Anm. 55), Bd. 3, S. 345. Schon Anfang Juni hatte Schönerer über seinen Vertrauten Carl Iro die Deutschnationalen Wiens dazu aufgerufen, während der Anwesenheit Bismarcks eine Kundgebung für den „Stifter des Deutschen Reiches und des deutschen Volkes neuerstandener Herrlichkeit“ durchzuführen: ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 16, Rundschreiben Iro, Juni 1892

59. Vgl. Reuß an Caprivi, 23. 6. 1892, in: Gradenwitz, Akten (Anm. 58), S. 21 f.

60. Zitiert nach: Penzler (Hrsg.), Fürst Bismarck nach seiner Entlassung (Anm. 55), Bd. 3, S. 321.

61. Vgl. die Eingaben in: OBS, Bismarck-Archiv, A 132 u. 133

62. Ebd., A 132, Georg und Philippine Schönerer an Bismarck, o. D. [März 1893]

63. Vgl. die Aufrufe Schönerers und Vordrucke von 1893, 1894 u. 1895, in: ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 16

64. OBS, Bismarck-Archiv, A 138, Schriftleiter Meidling an Bismarck, 31. 3. 1894

65. Zum Herausgeber ernannte Schönerer seinen Verehrer Franz Stein, der bereits 1888 von ihm mit der Aufgabe betraut worden war, eine alldeutsche Arbeiterbewegung aufzubauen; vgl. Hamann, Hitlers Wien (Anm. 7), S. 365 – 367. Das Blatt ist nicht zu verwechseln mit der vom deutschen völkisch-antisemitischen Publizisten Theodor Fritsch seit 1902 herausgegebenen Zeitschrift gleichen Namens; vgl. Michael Bönisch, Die „Hammer“-Bewegung, in: Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871 – 1918. Hrsg. von Uwe Puschner u. a., München 1996, S. 341 – 365

66. Der Spruch lautete: „Um unsere Zukunft als Angehörige des großen deutschen Volkes braucht uns unter keinen Umständen jemals bange sein (Schönerer).“ Der Schild ist abgebildet in: A. de Grousilliers (Hrsg.), Das Bismarck-Museum in Bild und Wort. Ein Denkmal deutscher Dankbarkeit, Leipzig o. O., Tafel 112 (nach S.160). Über das Datum der Übergabe herrscht in der Literatur eine gewisse Verwirrung. Penzler nennt den 24. 7. 1895, Pichl gibt mal 1896, mal 1897 als Jahr der Übergabe an: ders., Georg von Schönerer (Anm. 6), Bd. 6, S. 129 u. 345. Das korrekte Datum kann einer Abbildung im Nachlass Pichl entnommen werden, auf der sowohl der Tag mit dem „19. des Heumonds 1896“ angegeben als auch der Text des Danktelegramms von Bismarck im Faksimile wiedergegeben wird: ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 16. Vgl. zur Übergabe in Friedrichsruh auch den Artikel von W. Ph. Hauck, in: „Bezirks-Bote für Favoriten und die Wieden“, 1. 8. 1896, ebd.

67. S. Bismarck an Heinrich Diezel, 24. 7. 1895 [sic!], in: Johs. Penzler (Hrsg.), Fürst Bismarck nach seiner Entlassung. Leben und Politik des Fürsten seit seinem Scheiden aus dem Amte auf Grund aller authentischen Kundgebungen, Bd. 7, Leipzig 1898, S. 86

68. Vgl. OBS, Bismarck-Archiv, A 188, Schönerer u. a. an Bismarck, 31. 3. 1898, ebd., Bismarck an Schönerer u. a., 21. 4. 1898; Texte ohne Datumsangabe abgedruckt in: Pichl, Georg von Schönerer (Anm. 6), Bd. 6, S. 346

69. ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 16, Aufruf Schönerers im Sonderdruck der „Unverfälschte[n] Deutsche[n] Worte“, 1. 9. 1898

70. Vgl. Ulrich Lappenküper, Otto von Bismarck – eine Jahrhundertgestalt und ihre fortdauernde Aktualität, in: Lüneburger Blätter 35 (2016), S. 219 – 232

71. ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 15, Manuskript Schönerers, o. D., nach Bismarcks Tod verfasst

72. Zu den Fahrten der Schönerianer nach Friedrichsruh zusammenfassend Pichl, Georg von Schönerer (Anm. 6), Bd. 6, S. 341 – 346

73. ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 16, Schönerer an die Vereinsleitung, September 1901

74. Auf Anordnung von Marguerite von Bismarck wurde der Text der Ansprache vom 21. 11. 1903 nicht in die von Johannes Penzler besorgte Edition der Reden ihres Mannes aufgenommen: Vgl. OBS, Bismarck-Archiv, M 35, Penzler an Marguerite von Bismarck, 20. 11. 1904; ebd., Marguerite von Bismarck an Penzler, 21. 11. 1904; Johannes Penzler [Hrsg.], Fürst Herbert von Bismarcks politische Reden. Gesamtausgabe, Berlin/Stuttgart 1905

75. Andrea Hopp, Im Schatten des Staatsmanns. Johanna, Marie und Marguerite von Bismarck als adlige Akteurinnen (1824 – 1945), Paderborn 2022, S. 301 – 497

76. ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 39, Weishaar an Schönerer, 21. 12. 1905

77. Vgl. Pichl, Georg von Schönerer (Anm. 6), Bd. 6, S. 58 u. 346 – 351; s. a. die Rede Schönerers zur Enthüllung einer Bismarck-Tafel im Kurhaus von Salzburg, 1. 9. 1901, im Auszug in: ebd., S. 98 – 100

78. Vgl. Sieglinde Seele, Lexikon der Bismarck-Denkmäler: Türme, Standbilder, Büsten, Gedenksteine und andere Ehrungen. Eine Bestandsaufnahme in Wort und Bild, Petersberg 2005, S. 334 f.; Hamann, Hitlers Wien (Anm. 7), S. 340

79. ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 15, Geschäftsstelle zur Errichtung eines Bismarck-Nationaldenkmals an Schönerer, 26. 10. 1910

80. „Alldeutsches Tagblatt“, 21. 7. 1909, zitiert nach: Hamann, Hitlers Wien (Anm. 7), S. 337

81. Ebd., S. 364; zu Stein vgl. das ihm gewidmete Kapitel ebd., S. 364 – 375

82. Vgl. ebd., S. 372

83. OBS, Bismarck-Archiv, A 78, Bruckmayr an Weishaar, 29. 10. 1906; ebd.,A 79, ders. an dens., 11. 10. 1907; ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 16, Festprogramm der Bismarckfeiern vom 19. 11. 1910

84. Vgl. Pichl, Georg von Schönerer (Anm. 6), Bd. 6, S. 344 f. u. 361

85. Vgl. Wladika, Hitlers Vätergeneration (Anm. 12), S. 625 f.

86. Vgl. die Unterlagen zu den Feiern 1913, 1915 und 1918, in: ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 16

87. Vgl. Pichl, Georg von Schönerer (Anm. 6), Bd. 6, S. 352 f.

88. Vgl. Aufruf Schönerers, in: „Unverfälschte Deutsche Worte“, 1. 8. 1899, in: ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 16; die Unterlagen zum Spendenaufruf vom Frühsommer 1899, ebd.

89. Vgl. Pichl, Georg von Schönerer (Anm. 6), Bd. 6, S. 352

90. OBS, Bismarck-Archiv, A 80, Aufruf Schönerers an die alldeutschen Bismärcker in der österreichischen Ostmark, o. D. Die von Franz Stein in seiner Schönerer-Biografie aufgestellte Behauptung, der „Rufer der Ostmark“ habe das Denkmal bereits 1915 aufstellen wollen, entspricht also nicht den Tatsachen: Franz Stein, Der Rufer der Ostmark. Georg von Schönerers Leben und Kampf, Wien 1941, S. 49

91. OBS, Bismarck-Archiv, A 80, Schönerer an L. Doerbandt, 1. 3. 1915

92. Ebd., Doerbandt an Schönerer, 12. 3. 1915

93. Ebd., Artikel von Franz Stein in: „Wiedervergeltung. Bismarcktreue Alldeutsche Blätter“, Ostermond 1921; vgl. Hering, Konstruierte Nation (Anm. 19), S. 266, Anm. 220

94. Moos hatte von Schönerer bereits den Auftrag erhalten, eine Bismarck-Büste für den Deutschen Heldenhain in Kaltenbach herzustellen, die aufgrund des Krieges nicht zur Realisierung gelangte; vgl. Pichl, Georg von Schönerer (Anm. 6), Bd. 6, S. 351 f.

95. Vgl. OBS, Bismarck-Archiv, A 80, Artikel von Franz Stein in: „Wiedervergeltung. Bismarcktreue Alldeutsche Blätter“, Ostermond 1921

96. Die Inschrift lautet: „In gewaltiger Zeit nahen wir Dir Bismarck! Dein Werk, dein Wollen ist unser Weg, Alldeutschland das Ziel.“ Vgl. das undatierte Foto im Gemeindearchiv Aumühle, Fotobestand 101.194

97. Vgl. Seele, Lexikon (Anm. 78), S. 42; Greth Ingel von Tümpling, Aumühle im Sach- senwald, Schwarzenbek 1976, S. 116 – 122

98. OBS, Bismarck-Archiv, A 80, Specht an Marguerite von Bismarck, 10. 3. 1915; ebd., Auflistung der Leihgaben Spechts, 25. 3. 1915

99. ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 15, Specht an Stein, 8. 9. 1920

100. OBS, Bismarck-Archiv, A 80, Specht an Marguerite von Bismarck, 16. 12. 1920, nebst Anlage; s.a. Pichl, Georg von Schönerer (Anm. 6), Bd. 6, S. 353

101. OBS, Bismarck-Archiv, A 80, Stein an Marguerite von Bismarck, 22. 4. 1921. In Vertretung von Schönerer nahmen Stein, Sepp Melchiar aus Linz, Franz Vogel aus Reichenberg und ein Herr Liensberger aus Innsbruck teil: Pichl, Georg von Schönerer (Anm. 6), Bd. 6, S. 353

102. OBS, Bismarck-Archiv, A 80, Stein an Marguerite von Bismarck, 3. 5. 1921

103. Ebd., Artikel von Franz Stein in: „Wiedervergeltung. Bismarcktreue Alldeutsche Blätter“, Ostermond 1921. Die Verbundenheit der Deutschnationalen zu Specht spiegelt auch ein Nachruf auf ihn vom 19. 7. 1926 wider, in: ÖStA, AVA, NL Pichl, Karton 16. Stein blieb Friedrichsruh weiterhin verbunden, wie die Tatsache belegt, dass er 1930 die Gedächtnisrede anlässlich der Gedenkfeier der Alldeutschen zu Bismarcks 115. Geburtstag hielt: vgl. Hering, Konstruierte Nation (Anm. 19), S. 266, Anm. 220

104. Vgl. Privatarchiv Neinass, Presse- und Informationsdienst Neinass, 13. 9. 2016

105. Vgl. ebd., Leserbrief Erich de Vivanco, in: „Schwarzenberger Anzeiger“, 8. 3. 2000

106. Ebd., Bürgermeister Dieter Giese an die Gemeindevertretung von Aumühle, 6. 10. 2000

107. Eduard Pichl an Rudolf Zarboch, Februar 1929, zitiert nach: Wladika, Hitlers Vätergeneration (Anm. 12), S. 626

108. Georg von Schönerer Junior verstarb kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs; vgl. ebd., S. 625 f.

109. Vgl. Pichl, Georg von Schönerer (Anm. 6), Bd. 6, S. 353

110. S. die Eintragung im Grabregister der Kirchengemeinde Aumühle, Grab W 50. Bestätigt wird das Datum der Beisetzung auch durch das Kirchenbuch der Kirchengemeinde Aumühle im Archiv des Ev.-Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg, Lübeck, Bestand Kirchenkreis Herzogtum-Lauenburg. Zu den Feierlichkeiten der Alldeutschen vgl. Hering, Kon- struierte Nation (Anm. 19), S. 265 f.

111. S. die Eintragung im Grabregister der Kirchengemeinde Aumühle, Grab W 50, u. Kirchenbuch der Kirchengemeinde Aumühle im Archiv des Ev.-Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg, Lübeck, Bestand Kirchenkreis Herzogtum-Lauenburg. Damit kann die in Wi-kipedia veröffentlichte Behauptung, neben Schönerer sei seine Schwester Alexandrine bestattet worden, die 1919 verstorbene ehemalige Direktorin des Theaters an der Wien, als widerlegt gelten, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Grab_Georg_von_Sch%C3%B6nerer_2174.JPG (abgerufen am 15. 7. 2022).

112. Lothar Machtan, Bismarck-Kult und deutscher National-Mythos 1890 bis 1940, in: ders. (Hrsg.), Bismarck und der deutsche National-Mythos, Bremen 1994, S. 14 – 67, S. 14. Zum Bismarck-Mythos grundlegend Robert Gerwarth, Der Bismarck-Mythos. Die Deutschen und der Eiserne Kanzler, München 2007

113. Vgl. den Vortrag von Tobias Hirschmüller, Bismarck – ein Held Österreichs?, gehalten in der Otto-von-Bismarck-Stiftung am 16. 1. 2020

114. Otto von Bismarck, Gesammelte Werke (Neue Friedrichsruher Ausgabe), Abt. IV Gedanken und Erinnerungen. Bearb. von Michael Epkenhans/Eberhard Kolb, Paderborn u. a. 2012

115. Ansprache Bismarcks an die Studenten der deutschen Universitäten und Technischen Hochschulen, 1. 4. 1895, in: [Otto von] Bismarck, Die gesammelten Werke (Friedrichsruher Ausgabe), Bd. 13 Reden 1885 bis 1897. Bearb. von Wilhelm Schüßler, Berlin 1930, S. 557-559, S. 559

116. Privatarchiv Neinass, Rundschreiben Greth Ingel von Tümplings an Bürgermeister Dieter Giese und andere Vertreter der Gemeinde Aumühle, 12. 5. 2000. Greth Ingel von Tümpling war eine Enkelin Emil Spechts.

117. Ebd.

118. Vgl. Hopp, Schatten (Anm. 75), S. 426 – 437

119. Ulf Morgenstern, Das Ende des Kaiserreichs in der Familie des Reichsgründers. Wahrnehmungen von Revolution und Republik bei den Bismarcks in Friedrichsruh, in: Johanna Meyer-Lenz/ Franklin Kopitzsch/ Markus Hedrich (Hrsg.), Hamburg in der Novemberrevolution von 1918/19. Dynamiken der politischen und gesellschaftlichen Transformation in der urbanen Metropole, Bielefeld 2022, S. 355 – 374, S. 373