Kalenderblatt: Schloss Versailles, vom Garten aus gesehen

Schloss Versailles, vom Garten aus gesehen. Kolorierter Stahlstich, James Tibbit Willmore (1800 – 1863), nach Frederick Mackenzie (1787 – 1854), Großbritannien, 1839, Papier (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

Es sollte einer seiner letzten großen Aufträge werden: Frederick Mackenzie fertigte 1839 für das von Charles Heath herausgebene „Picturesque Annual“ sechs Illustrationen von Versailles an. Sie dienten als Vorlage der Stahlstiche, die gedruckt werden konnten. Drei von ihnen – die Ansicht des Schlosses vom Garten aus, der Spiegelsaal (Mai) und die Schlachtengalerie (Dezember) – sind im diesjährigen Kalender „Historische Ansichten von Versailles“ zu sehen.

Der mutmaßlich 52jährige Brite Frederick Mackenzie konnte zu diesem Zeitpunkt auf eine bescheidene Karriere als Aquarellist und Architekturzeichner zurückblicken. Geboren wurde er 1787 oder 1788 als Sohn des Zeichners Thomas Mackenzie. Er lernte sein Zeichenhandwerk bei dem Architekten John Adey Repton und begann 1804, seine Arbeiten in der Royal Academy of Arts auszustellen. 1813 trat er der Royal Watercolour Society bei und übernahm später dort das Amt des Schatzmeisters. Zu ihren Ausstellungen steuerte er bis zu seinem Tod 88 Zeichnungen bei, die fast alle britische Architektur zeigten. Mackenzie veröffentlichte im Eigenverlag einige Bücher, vor allem aber nahm er Aufträge für die Illustration von Büchern anderer Verlage an und arbeitete dabei wiederholt mit Augustus Pugin zusammen. Von diesem stammt wahrscheinlich die Darstellung der Königlichen Kapelle von 1829, die im Juli – von Letitia Byrne in einen Stahlstich verwandelt – als Kalenderblatt zu sehen war.

Charles Heath präsentierte mit dieser Ausgabe des „Picturesque Annual“ von 1839 dem europäischen Publikum ein Versailles, das wieder den Glanz vorrevolutionärer Zeiten erahnen ließ. König Louis-Philippe I. hatte seit seiner Thronbesteigung 1830 dort die Einrichtung eines Nationalmuseums vorangetrieben und damit Versailles wieder zu einem attraktiven Ausflugsziel werden lassen – Mackenzie zeigt die Flaneure mit Kindern und Hunden.

Begleitet werden die Abbildungen von einem Text des schottischen Romanciers und Journalisten Leitch Ritchie, der nicht nur ausführlich die Geschichte Versailles‘ einschließlich der politischen Umbrüche schildert, sondern auch die Unterhaltung seiner Leser nicht zu kurz kommen lässt. So macht er sich unverhohlen über ein Dokument lustig, das kurz zuvor in der Königlichen Bibliothek von Versailles wiederentdeckt worden sei. Verfasst habe es Ludwig XIV. als eine Gebrauchsanweisung für seinen Schlosspark. Zwar habe dieser dabei auf eine korrekte Orthografie keinen Wert gelegt, schreibt Ritchie, dafür aber grenzten seine kleinteiligen Empfehlungen, in welcher Reihenfolge die Besucher beispielsweise die Wasserbecken besuchen sollten, geradezu ans Lächerliche („The quaint minuteness of the king approaches the ridiculous“)

Nach diesem Projekt erhielt Mackenzie aus unbekannten Gründen kaum noch Aufträge für Buchillustrationen. Er verstarb am 25. April 1854 im Alter von mutmaßlich 67 Jahren an einer Herzerkrankung und wurde auf dem Highgate Friedhof im heutigen Londoner Stadtteil Camden begraben. Seine Frau wurde damit zum zweiten Mal in ihrem Leben Witwe, sie und die gemeinsame, kranke Tochter waren nun auf Almosen angewiesen. Die Royal Watercolour Society schenkte ihnen daher 110 Pfund und Freunde bemühten sich um eine kleine Leibrente. Mackenzies verbliebene Werke wurden 1855, ein Jahr nach seinem Tod, bei Sotheby’s verkauft.

Quellen:

Sidney Lee (Ed.): Mackenzie, Frederick, Dictionary of National Biography. Vol. 35. London 1893

Leitch Ritchie: Versailles, London 1839, erschienen in der Reihe „Charles Heath’s Picturesque Annual“

Royal Academy of Arts: Frederick Mackenzie

Royal Academy of Arts: Leitch Ritchie

Royal Watercolour Society


zuvor erschienen: Kalenderblatt: Der Garten von Versailles