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Max Weber (mit Hut) auf einer Tagung in Burg Lauenstein, Thüringen, im Jahr 1917: Dort traf er einige linke Künstler und Intellektuelle, die mitten im Ersten Weltkrieg für den Pazifismus eintraten, unter ihnen der Dichter Ernst Toller (im Hintergrund). © Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz / DGDB

Vor einhundert Jahren, am 14. Juni 1920, starb der Gründervater der deutschen Soziologie Max Weber. Noch heute zählen seine Kernthesen zum unverzichtbaren Vokabular nicht nur wissenschaftlicher Debatten, sondern auch der politischen Auseinandersetzung. „Leidenschaft und Augenmaß“, „charismatische Herrschaft“, Politik als „Bohren harter Bretter“, „Werturteilsfreiheit“ oder „Gesinnungs-“ und „Verantwortungsethik“. Wer kennt sie nicht, die Schlüsselbegriffe des Weberschen Denkens.

Geboren am 21. April 1864 in Erfurt, hatte der Sohn eines Juristen zunächst wie sein Vater Rechtswissenschaften studiert, dann aber nach der Habilitation mit nur dreißig Jahren einen Lehrstuhl für Nationalökonomie an der Universität Freiburg angenommen. 1896 wechselte Weber an die Universität Heidelberg, musste seine akademische Tätigkeit jedoch zwei Jahre später wegen seines exzessiven Arbeits- und Lebensstils aufgeben. Dank des familiären Vermögens lebte Weber fortan als Privatgelehrter und verbrachte mehrere Jahre in Nervenkliniken. Erst im Mai 1919 fühlte er sich dazu imstande, den ihm nun angetragenen Lehrstuhl für Gesellschaftswissenschaften an der Universität München anzunehmen.

Äußerst kritisch stand Weber der Politik des Eisernen Kanzlers Otto von Bismarck gegenüber – und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen warf er ihm eine „cäsarische Herrschaft“ vor, die das Aufkommen politischer Führernaturen im Keim erstickt und das Parlament zur Bedeutungslosigkeit verdammt habe. Bismarck, so heißt es in Webers 1918 erschienenem Werk „Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland“, habe eine Nation hinterlassen „ohne alle und jede politische Erziehung, […] eine Nation ohne allen und jeden politischen Willen, […] eine Nation, daran gewöhnt, unter der Firma der ‚monarchischen Regierung‘ fatalistisch über sich ergehen zu lassen, was man über sie beschloß“.1 Weber dagegen wünschte sich eine Führerdemokratie nach englischem Vorbild, eine „lebende Maschine, welche die bureaukratische Organisation mit ihrer Spezialisierung der geschulten Facharbeit, ihrer Abgrenzung der Kompetenzen, ihren Reglements und hierarchisch abgestuften Gehorsamsverhältnissen darstellt“.2

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Kolorierte Lithografie, Spanien, 1867 – Maße: 31,3 cm x 20,4 cm, Material: Papier – Herkunft: Otto-von-Bismarck-Stiftung Friedrichsruh, Inventar-Nr.: ZSg 2396

Das Königreich Spanien war im 19. Jahrhundert nur noch eine europäische Macht zweiten Ranges. Der politische, ökonomische und kulturelle Niedergang der einstigen Weltmacht samt der Erstarrung der sozialen Verhältnisse hatte bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eingesetzt. Dennoch strahlte die altehrwürdige spanische Krone auch zweihundert Jahre später noch immer etwas von dem einstigen Glanz aus.

Seit 1833 herrschte Isabella II. aus dem Haus der Bourbonen als Königin über Spanien. Am 10. Oktober 1830 in Madrid geboren, bestieg sie bereits als dreijähriges Kind den Thron. 1843 wurde die junge Monarchin vom Parlament, den Cortes, für mündig erklärt; sie stand aber unter dem Einfluss von Personen aus Adel, Klerus, Militär und Politik. Insgesamt war die Regierungszeit Isabellas II. von politischen und sozialen Spannungen gekennzeichnet. So wechselten zwischen 1834 und 1868 insgesamt 55 weitgehend autoritär regierende Kabinette einander ab. Forderungen der Opposition nach einer liberalen Verfassung wurden seitens der Regierung bekämpft. 1868 griff diese sogar zu diktatorischen Mitteln, um die Widersacher zur Räson zu bringen. Durch die chronische Staatsverschuldung wurden die politischen und wirtschaftlichen Probleme des Landes noch verschärft. Zunehmend richtete sich die Kritik an der Regierung auch gegen die trotz ihres ausschweifenden Lebenswandels nicht unpopuläre Königin. Dies führte zu einer schleichenden Delegitimierung der Bourbonendynastie.

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Ein historisches Zeugnis der politischen Kultur des Bürgertums im Kaiserreich: das Bismarck-Denkmal in Hamburg (Abbildung: historische Postkarte aus der Sammlung der Otto-von-Bismarck-Stiftung).

Die Otto-von-Bismarck-Stiftung beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit Bismarck-Benennungen und -Ehrungen im öffentlichen Raum.1 Jene vor mehr als 100 Jahren nicht durch staatliche Institutionen, sondern durch zivilgesellschaftliche Initiativen in die Welt gekommenen Denkmäler, Türme, Straßen, Plätze, Schulen usw. erinnern in unserer postheroischen Zeit an einen Politiker, mit dem der im 20. Jahrhundert nachhaltig diskreditierte politische Personenkult begann.

An vielen Orten hat der Gründer des deutschen Nationalstaats die Zeitläufte überdauert und sein Name und seine Figur stehen als Relikte einer längst vergessenen Zeit in den Stadtlandschaften unserer Tage. Dabei laufen die Zuschreibungen und Interpretationen gelegentlich weit auseinander. Was die Anhänger seiner politischen Leistungen kritiklos freut, verstört die Gegner seiner Minderheitenpolitik und seines monarchischen Staatsverständnisses. Beides greift aus unserer Sicht historisch zu kurz. Die gegenwärtigen Forderungen nach der Beseitigung geben uns noch einmal nachdrücklich Anlass, für eine historisch-kritische Kommentierung von Bismarck-Orten durch erklärende Texttafeln und andere Formen der Einordnung zu plädieren. Daneben können auch dauerhafte Kommentierungen der heute befremdlichen ikonografischen Heldenaussage von Denkmälern und deren zeitweise Einhegungen durch historisch-kritische oder künstlerische Bildungsangebote zum Nachdenken anregen.

In den zuständigen Kommunen sollte ebenso demokratisch entschieden und gehandelt werden wie bei der einstigen Benennung und Errichtung. Der Abriss und die Umbenennung sind dagegen geschichtsvergessen, sie führen zu dem Orwellschen moralischen Clean Sweep einer Gegenwart, die die Ambivalenzen ihrer Herkunft nicht aushält und dabei vergisst, dass auch sie nur ein Punkt auf dem Zeitstrahl ist, der zukünftig kritisch gesehen werden wird.


1. Wir beantworten regelmäßig Anfragen zur Geschichte einzelner Bismarck-Referenzen im öffentlichen Raum. Vgl. als Überblick zu der Thematik Ulf Morgenstern/Christian Wachter, Wie der Bismarck-Mythos in die Landschaft kam. Bismarck-Ehrungen im öffentlichen Raum: Entstehung, Kartierung und Interpretationsansätze, in: Dietmar von Reeken/Malte Thießen (Hrsg.), Ehrregime. Akteure, Praktiken und Medien lokaler Ehrungen in der Moderne, Göttingen 2016, S. 89-112. Siehe auch das Projekt http://bismarckierung.de/