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Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Montag, den 21. September 2015 um 19:03 Uhr
So könnten zwei Handschriften Otto von Bismarcks überschrieben sein, die in der Autographensammlung der Universitätsbibliothek Tübingen verwahrt werden. Wenn, ja wenn sie denn von Otto von Bismarck stammen würden. Und wenn es überhaupt Autographen wären. Oder sind sie es vielleicht doch? Oder vielleicht nur zur Hälfte? Der Reihe nach.
Der Kanzler ohne Amt sonnte sich seit seiner Entlassung 1890 in einer beispiellosen Popularität, die vorherige Verehrungsbekundungen, etwa zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 1885, bald in den Schatten stellten. Zum Sedantag, zum Neujahr und vor allem zu seinem Geburtstag liefen wäschekörbeweise Glückwünsche in Friedrichsruh ein. 1895, zum 80. Geburtstag Bismarcks wurde am Alterssitz des Reichsgründers im Sachsenwald eigens ein Postamt in Betrieb genommen, um der eingehenden Sendungen Herr zu werden.
Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Dienstag, den 01. September 2015 um 07:35 Uhr
Thomas Nipperdeys berühmte Trilogie über die Geschichte Deutschlands im 19. Jahrhundert beginnt mit dem berühmten Satz: „Am Anfang war Napoleon.“[1] Die bibelfesten Leser der 1980er Jahre wussten, anders als manche Proseminaristen heute, woher die lakonische Feststellung entlehnt war. Wenn der Marburger Historiker Eckart Conze seine Geschichte des Auswärtigen Amts mit Bezug auf Otto von Bismarck mit einem ganz ähnlichen Satz beginnt, bezieht er sich, so kann man annehmen, nicht nur auf das Johannes-Evangelium, sondern auch auf Nipperdey. Gleich zweimal nimmt Knut Linsel in einer launigen Rezension Conzes Formulierung „am Anfang stand Bismarck“ auf. Wir wollen nicht widersprechen und wünschen gute Unterhaltung, beim Lesen der Besprechung und bei Eckart Conzes Buch.
Achso: Worauf, oder besser worin Bismarck stand, zeigt die Grafik aus der „Bombe“, obere Reihe, Mitte.
[1] Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, S. 11: „I. Der große Umbruch. 1. Das Ende des Reiches. Deutschland unter der Herrschaft Napoleons
Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Montag, den 31. August 2015 um 08:48 Uhr
Als am Ende des 19. Jahrhunderts das Fahrrad seinen Siegeszug antrat, schossen überall in Europa Fahrradfabriken aus dem Boden. Neben vielen unternehmerischen Neugründungen betätigten sich auch etablierte Maschinenbauer auf diesem neuen Markt. Oft bauten die Fahrradfabrikanten auch Motorräder (was nahe liegt) oder Nähmaschinen (worauf man erstmal kommen muss). Die drei Hersteller, für deren Produkte auf unserem Bild so elegant an einem Lattenzaun geworben wird, durften sich bald zu den Marktführern in Deutschland zählen. Die Bielefelder Firma Göricke stellte seit 1895 Fahrräder her, Corona-Fahrräder wurde seit 1891 in Brandenburg an der Havel zusammen- geschraubt und seit 1896 produzierte man in Radevormwald Fahrräder mit dem Namen Bismarck.
Der hochbetagte Kanzler a.D. bestieg zwar bis in seine letzten Lebensjahre noch den Rücken seines Pferdes, dass er aber jemals eine Fahrradfahrt unternommen hat, ist nich überliefert (und darf getrost bezweifelt werden). Sicherlich hat er aber sein Placet zur Namensgebung der rheinischen Fahrradfabrik gegeben. Auf ein weiteres Prudukt mit seinem Namen kam es schließlich nicht mehr an, nachdem bereits Rasierklingen, Heringe, ein Schnaps, Zigarren usw. nach ihm hießen. Bis in die 1980er Jahre wurden in Radevormwald noch Fahrräder gebaut. Der Name „Bismarck“ wirkt bei den letzten Modellen aus heutiger Sicht etwas skurril. Ein Bonanza-Rad mit dem Namen des Altkanzlers? Ein Mountainbike in Erinnerung an den Reichsgründer? Die hat es tatsächlich gegeben, wenn sie auch etwas aus der Zeit gefallen waren.
Hochmodern waren hingegen die 28-Zoller auf unserem Bild aus Oldenburg. Den dortigen Fahrradhändler „Vosgerau“ (schwacher Schriftzug am Zaun links über „Göricke“) am Damm 25 gibt es seit 1893. Zu Gründungszeiten hieß es: „Meister Vosgerau macht Hufbeschlag und Wagenbau“, bevor man dann um 1900 begann, trendy Fahrräder anzupreisen. Der Technikhistoriker Dr. Andreas von Seggern vom Stadtmuseum Oldenburg datiert dieses Bild aus seinen Archivbeständen auf diese Gründerjahre des Fahrradhandels (vielen Dank für die Fotografie!). Das Geschäft mit den Miele, Panther, Opel, Patria, NSU, Brennabor und eben auch Bismarck scheint durch das gesamte 20. Jahrhundert hindurch gut gelaufen zu sein. Immerhin fünf Mitarbeiter hat der Nachfahre des Gründers im Moment. Wer je als Fußgänger in Oldenburg unterwegs war, weiß auch, was die Geschäftsgrundlage ist: Eine extrem fahrradaffine Einwohnerschaft, die mit dem Selbstbewusstsein sizilianischer Taxifahrer alle anderen Verkehrsteilnehmer mit souveräner Nichtachtung straft. Holland ist nicht mehr weit, das spürt man in Deutschland sonst nur in Münster so deutlich!