Blog

Konfliktoffenheit und Konfliktfähigkeit sind Voraussetzungen für das Funktionieren einer Demokratie. (Abbildung: Blick in den Plenarsaal des Deutschen Bundestages.)

Am Ende des Beitrags finden Sie diesen Hamburger Bismarck-Vortrag in voller Länge.

Sind die momentan vielerorts zu hörenden lauten Klagen über eine immer tiefere Spaltung unserer Gesellschaft berechtigt? Stört die sogenannte Identitätspolitik den gesellschaftlichen Zusammenhalt und sollte nicht ein größerer Gemeinsinn vorherrschen? Diese aktuellen Fragen standen im Mittelpunkt des diesjährigen Hamburger Bismarck-Vortrags, für den wir den Politikwissenschaftler Prof. Dr. Jan-Werner Müller gewinnen konnten. Er lehrt an der Princeton University und ist in diesem Akademischen Jahr Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Jan-Werner Müller hat mehrere Bücher zu demokratietheoretischen Fragen vorgelegt und wählte diese Perspektive auch in seinem Vortrag „Konflikt und Kohäsion in der Demokratie“, den wir live im Internet übertragen haben.

Weiterlesen

Dieses Standbild aus dem 1913 gedrehten Film „Bismarck“ zeigt eine Szene am Pariser Hof. Bismarck (Franz Ludwig) küsst Kaiserin Eugenie (Schauspielerin unbekannt) die Hand, neben ihr sitzt Napoleon III. (Schauspieler unbekannt, Foto: © Edition Temmen).

„Unsympathisch ist mir die Sache ja überhaupt in höchstem Maße“, schrieb Sybille von Bismarck im Juli 1913 an ihre Schwägerin Marguerite in Friedrichsruh. Die beiden verwitweten Schwiegertöchter des ersten Reichskanzlers waren mit dem Ansinnen der Berliner Filmproduktionsfirma Eiko konfrontiert, die einen Spielfilm über den ersten Reichskanzler plante und um Erlaubnis bat, an dessen einstigen Wohnsitzen drehen zu dürfen. Einige Briefe, in denen dieses Projekt im Mittelpunkt stand, werden in unserem Archiv in Friedrichsruh aufbewahrt. Ausgewertet wurden sie von der Historikerin Maja Lobinski-Demedts, die nun das Buch „Bismarck im Film. Zum Wandel des Bismarck-Bildes in den Spielfilmen von 1914 bis 1942“ vorgelegt hat.

Weiterlesen

Ludwig Windthorst

Anno 1878 trug sich im Deutschen Reichstag eine skurrile Geschichte zu: Während einer Sitzung erhob sich Reichskanzler Otto von Bismarck von seinem Platz und begann – für alle Abgeordneten gut sichtbar – mit Präsident Max von Forckenbeck ein eifriges Gespräch. Im selben Moment begab sich der Zentrumsabgeordnete Ludwig Windthorst von seiner Bank in die Richtung des Präsidentenstuhls. Aufgrund seiner extremen Kurzsichtigkeit war er offenbar ohne „Ahnung von dem, was sich da oben abspielt“, wie der Bonner Literaturwissenschaftler Berthold Litzmann Jahrzehnte später in seinem Buch über das „alte Deutschland“ zu berichten wusste. „Schon ist er […] bis auf zwei Schritte an die Gruppe herangekommen, als mit einem Male […] Bismarck aus seiner gebeugten Stellung sich aufrichtet […] und aus seinen grossen furchtbaren Augen den harmlosen Wanderer so dräuend mustert, wie etwa eine Riesendogge einen kleinen Pinscher […]. Jener macht dann auch vom Flecke weg kehrt“.

Ist es ein Zufall, dass eine auszugsweise Abschrift von Litzmanns Bericht als eines von nur zwei Schriftstücken über Windthorst den Weg in Bismarcks Nachlass fand? Wohl kaum! Obwohl beide Politiker sich gewiss viel zu sagen oder zu schreiben gehabt hätten, waren sie aufgrund eines tief ins Persönliche hineinreichenden politischen Zerwürfnisses zu einer normalen Kommunikation offenbar nicht fähig. „Mein Leben“, so eröffnete Bismarck einmal einem Mitarbeiter, „erhalten und verschönen zwei Dinge, meine Frau und – Windthorst. Die eine ist für die Liebe da, der andere für den Haß.“

Weiterlesen