Loyalitätskonflikte im Monarchismus der Weimarer Republik: Wilhelm II. gegen Bismarck. Vortrag von Prof. Dr. Sabine Mangold-Will
Sein Tagebuch eröffnet nicht nur einen privaten Blick auf Ex-Kaiser Wilhelm II., sondern zeigt wie unter einem Brennglas auch den Diskurs, der in der frühen Weimarer Republik über die Wiedereinführung der Monarchie geführt wurde: Der Militärarzt Alfred Haehner diente vom November 1919 bis 1924 als Leibarzt von Wilhelm II. Er war als überzeugter Monarchist bereit gewesen, dem Hohenzollern ins niederländische Exil zu folgen. In dieser Zeit führte er ein Tagebuch, das im vergangenen Jahr von Prof. Dr. Sabine Mangold-Will ediert wurde.

Prof. Dr. Sabine Mangold-Will
Für ihren Vortrag im Historischen Bahnhof Friedrichsruh hat die Historikerin drei Zitate aus dem Tagebuch ausgewählt und mit diesem Diskurs verknüpft, der auf die Wiedereinführung der Monarchie zielte. Das monarchistische Milieu war allerdings politisch in sich zersplittert: Die seit 1890 andauernde Konfrontation der jeweiligen Anhänger Willhelms II. und Bismarcks hielt auch nach dem Systemwechsel an. Befeuert wurde sie auch durch Publikationen der Familie Bismarck – insbesondere durch den dritten Band der „Gedanken und Erinnerungen“ –, die dezidiert die Frontstellung gegenüber dem Ex-Kaiser aufrechterhielten. Die Position der Monarchisten verkomplizierte sich zudem durch die Person Wilhelms II. Nicht nur sein Leibarzt Haehner betrachtete ihn zunehmend desillusioniert und als ungeeignet, den Thron wieder zu besteigen.
Haehner habe sich dennoch der Frontstellung Kaiser–Kanzler entzogen, sei Monarchist geblieben und habe von dieser Grundposition aus später geistigen Abstand zum Nationalsozialismus gehalten. Viele der Bismarck-Anhänger seien einen anderen Weg gegangen, so Prof. Dr. Mangold-Will. Sie hielten an der bereits im Kaiserreich gepflegten Verehrung Bismarcks als politischem Führer fest. Allerdings entmonarchisierten sie ihn zu Beginn der Weimarer Republik und konnten so weiterhin in ihm die Symbolfigur des Nationalstaats sehen. „Damit hatten die Bismarck-Verehrer der Republik aus der DVP und der DNVP einen ziemlich kurzen mentalen Weg, um über den Nationalhelden Bismarck beim späteren neuen Hüter der Nation, also bei Hitler, anzukommen.“
Literatur:
Sabine Mangold-Will (Hrsg.) / Kauder, Martin (Mitarb.)
Wilhelm II. im Exil
Das „Holländische Tagebuch“ des Leibarztes der Hohenzollern Dr. Alfred Haehner 1919 – 1924
Berlin 2024 (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 82)
Demnächst auch online auf www.haehner-tagebuch.de
Abbildung unter Verwendung von: Kaiser Wilhelm II. (1859 – 1941), Gemälde von Caesar Philipp (1859 – 1930), nach einem Porträt von Heinrich von Angeli (1840 – 1925), Öl/Leinwand, um 1890 / Otto Fürst von Bismarck, Gemälde von Franz von Lenbach (1836 – 1904), Öl/Leinwand, 1880 – beide Gemälde sind im Bismarck-Museum Friedrichsruh zu sehen (© Otto-von-Bismarck-Stiftung / Fotograf: Jürgen Hollweg)
Video