Vielfalt und Widersprüchlichkeit. Wege des Wilhelminischen Kaiserreichs in die Moderne – Vortrag von Dr. Nils Freytag

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Dr. Nils Freytag (Ludwig-Maximilians-Universität München) charakterisiert die Moderne als eine Entwicklung, die aus widersprüchlichen Teilprozessen besteht. Viele dieser Aufbrüche zur Zeit des Wilhelminischen Kaiserreichs – Industrialisierung, Urbanisierung, Globalisierung und Säkularisierung – begreift der Historiker als Vorgeschichte weiterer Entwicklungen, die teilweise bis in die Gegenwart reichen.

Die Vielfalt und Widersprüchlichkeit dieser Modernisierungsprozesse wird zunächst an drei großen geschichtswissenschaftlichen Debatten über das Kaiserreich und dann am Beispiel eines lokalen Ereignisses veranschaulicht: Ein Sturm, der im August 1906 im Bergischen Land für schwere Verwüstungen sorgte, forcierte die behördliche Katastrophenabwehr, beflügelte den Postkartenversand als Medium für die Verbreitung fast tagesaktueller Sensationsfotos und rief den Bund Heimatschutz auf den Plan. Dieser Bund habe zum Umfeld der modernisierungskritischen Lebensreformbewegungen des Kaiserreichs gehört, erläuterte Dr. Nils Freytag. Es dominierten nationale und konservative Grundtöne, etliche Mitglieder vertraten antisemitische Ansichten. Die vom Bund Heimatschutz eingeschlagenen Pfade hätten damit nicht nur in die heutige ökologische Moderne geführt, sondern zuvor auch in den Nationalsozialismus.

 


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Startbild unter Verwendung einer zeitgenössischen Postkarte, die Sturmschäden bei Müngsten am 14. August 1906 zeigt.