„Ausländerehen“ im Deutschen Kaiserreich – Vortrag von PD Dr. Christoph Lorke

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Vor welchen bürokratischen Schwierigkeiten Deutsche standen, die eine Partnerin oder einen Partner mit einer nichtdeutschen Staatsangehörigkeit ehelichen wollten, zeigte PD Dr. Christoph Lorke in seinem Vortrag am 26. Januar 2023 im Historischen Bahnhof Friedrichsruh auf.

Diese Entscheidung trafen im Kaiserreich im Laufe der Jahre immer mehr Menschen. Ihre Auserwählten waren meist Einwandererinnen und Einwanderer vornehmlich aus Russland, Österreich-Ungarn und Italien. Der Historiker beziffert den Anteil dieser binationalen Eheschließungen in dieser Zeit auf insgesamt zwei bis sechs Prozent aller Heiraten.

Möglich wurden die staatlichen Eingriffe in diese private Lebensentscheidung durch die Einführung der Zivilehe im Jahr 1874. Sichtbar wird, dass dem Versuch, binationale Eheschließungen bürokratisch zu ordnen oder sogar abzuwehren, moralische, biologische und demografische Überlegungen zugrunde lagen. Diese weisen laut Lorke auf eine biologische Aufladung des Begriffs der Nation hin und lassen zudem eine deutliche Ungleichbehandlung der Geschlechter erkennen: Während ein deutscher Mann – sofern er kein Diplomat war – ohne rechtliche Konsequenzen eine Frau mit einer anderen Staatsangehörigkeit heiraten konnte, verloren die deutschen Frauen bei einer binationalen Eheschließung die ihrige. Diese Ungleichbehandlung sei in der Bundesrepublik erst 1953, in der DDR 1954 abgeschafft worden.

Als Sonderfall erläuterte Lorke die Situation deutscher Diplomanten, denen Otto von Bismarck als Reichskanzler und Außenminister binationale Eheschließungen mit der Begründung verbot, die ausländischen Ehefrauen könnten Einfluss auf ihre Männer ausüben. Erhielt ein Diplomat keine Ausnahmegenehmigung, musste er nach seiner binationalen Verheiratung aus dem diplomatischen Dienst ausscheiden.

PD Dr. Christoph Lorke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, Münster.

Literatur:

Christoph Lorke
Liebe verwalten. „Ausländerehen“ in Deutschland 1870 – 1945
Paderborn 2020 (Studien zur Historischen Migrationsforschung, Band 37)


Abb.: Herbert von Bismarck und seine Frau Marguerite, die einer ungarischen Adelsfamilie entstammte.