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Die Ausstellung lädt ein, über das historische Zusammenspiel von Krieg, Macht und Nation nachzudenken.

Welche Hoffnungen und Ziele verbanden die Menschen im 19. Jahrhundert mit der Idee der Nation? Welche Rolle schrieben sie den „Einigungskriegen“ zu? Diese Fragen ziehen sich als Leitmotiv durch die Ausstellung „KRIEG MACHT NATION. Wie das deutsche Kaiserreich entstand“, die vom 16. Juli 2020 bis zum 31. Januar 2021 im Militärhistorischen Museum Dresden zu sehen ist. Der Kurator Dr. Gerhard Bauer und die Kuratorin Katja Protte haben zusammen mit dem Direktor des Museums Dr. Armin Wagner dazu einen umfangreichen, reich bebilderten Katalog vorgelegt, der in Zeiten der Corona-Pandemie notfalls die Reise in die sächsische Hauptstadt (fast) zu ersetzen vermag.

„Angesichts von zwei Weltkriegen und dem Völkermord an den europäischen Jüdinnen und Juden wirkt das deutsche Kaiserreich weit entrückt, einer Epoche zugehörig, die oftmals als ‚gute alte Zeit‘ verklärt oder als Inbegriff von Militarismus und Nationalismus abgelehnt wird“, schreiben Bauer, Protte und Wagner einleitend. Dabei helfe ein differenzierter Blick auf diese Ära und ihre Menschen zu erkennen, „wie viele Entwicklungen im Zusammenhang mit Krieg, Nation und Fortschrittsglauben, die uns heute noch beschäftigen, damals ihren Ausgang nahmen“.

Sichtbar werden in Ausstellung und Katalog die vielen Beteiligten, die an der deutschen Reichsgründung politisch mitwirkten, dafür in den drei „Einigungskriegen“ kämpften oder aber für einen friedlichen Weg plädierten und daher weder Geld noch Leben einsetzen wollten. Zwei der herausragendsten Persönlichkeiten, die für völlig gegensätzliche politische Wege standen, ist ein eigenes Kapitel gewidmet: Bismarck und Bebel.

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Unser Kalender zeigt im Juli „Die Deputation des Reichstags übergibt die Adresse im Schlosse zu Versailles am 18. Dezember“, Holzstich (Faksimile) nach einer Skizze von Fritz Schulz (1871), Archiv der Otto-von-Bismarck-Stiftung, Inventar-Nr.: ZSg 2494.

Am 18. Dezember 1870 empfing König Wilhelm I. im Schloss Versailles eine Abordnung des Reichstags des Norddeutschen Bundes unter Leitung des Reichstagspräsidenten Eduard Simson. Die Delegation bat im Namen des Parlaments den preußischen Monarchen, die deutsche Kaiserwürde anzunehmen. Diese Szene wird von dem Maler Friedrich „Fritz“ Schulz (um 1823 – 1875) wiedergegeben. Schulz war als Kriegszeichner Augenzeuge der Ereignisse in den „Einigungskriegen“ von 1864, 1866 und 1870/71. Neben Simson, ein Redemanuskript in den Händen haltend, und Wilhelm I. sind auf dem Holzstich die Parlamentsmitglieder, einige deutsche Fürsten sowie Helmuth von Moltke, Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen und Otto von Bismarck zu erkennen.

Simson war schon 1849 Mitglied der Deputation der deutschen Nationalversammlung gewesen, die König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die Kaiserkrone angeboten hatte. Anders als sein Bruder, der damals die ihm angetragene Krone zurückgewiesen hatte, war Wilhelm I. bereit, trotz persönlicher Vorbehalte den Kaisertitel anzunehmen.

Sowohl der Reichstag als auch die Volksvertretungen der dem Norddeutschen Bund im Rahmen der Novemberverträge von 1870 beigetretenen süddeutschen Staaten waren am Reichsgründungsprozess aktiv beteiligt. So bedurften die Novemberverträge der Zustimmung der genannten Parlamente, zudem musste die Verfassung des Norddeutschen Bundes aufgrund dieser Entwicklung geändert werden, was der Reichstag des Norddeutschen Bundes am 10. Dezember 1870 mit großer Mehrheit billigte. Die parlamentarische Zustimmung zu den Novemberverträgen (lediglich der bayerische Landtag votierte mit zeitlicher Verzögerung für das Vertragswerk) war ein entscheidendes Moment für Wilhelm I., den Kaisertitel anzunehmen. Da im weiteren Verlauf die „Verfassung des Deutschen Bundes“ vom 1. Januar 1871 noch einmal angepasst werden musste, wurde am 16. April die „Verfassung des Deutschen Reiches“ verkündet, die mehrheitlich vom Reichstag des neugegründeten Deutschen Reiches angenommen wurde.

Felix Ekberg (l.) interviewte Prof. Dr. Ulrich Lappenküper über den zeitgemäßen Umgang mit dem historischen Bismarck-Denkmal in Hamburg. (Foto: Matthias Fischer)

In der aktuellen Debatte über Deutschlands historische Rolle als Kolonialmacht sind Stimmen laut geworden, die den Sturz der Bismarckdenkmäler und die Umbenennung von Bismarckstraßen fordern. In dieser stark verkürzten und die Geschichte verzerrenden Argumentation dient der erste Reichskanzler als eine Symbolfigur für Rassismus. Diese Zuschreibung wird damit begründet, dass er nach langer Ablehnung schließlich 1882 doch dem deutschen Erwerb von Kolonialbesitz zugestimmt hatte.

In Hamburg konzentriert sich die Diskussion derzeit vor allem auf die von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossene Sanierung des Bismarck-Denkmals im Alten Elbpark. Bleicherhaus e.V., eine Institution der politischen Bildungsarbeit in der Hansestadt, hat nun auf YouTube zu diesem Thema drei Videos hochgeladen, mit denen die gesamte Auseinandersetzung auf eine breiter fundierte Basis gestellt wird. Nach einer kurzen Einleitung im ersten Video „Bismarck: Vater der deutschen Nation oder konservativer Sozialistenfeind?“ vermittelt zunächst Ulrich Hentschel einen Überblick über die Politik des ersten Reichskanzlers, wobei insbesondere die Bezüge zu Hamburg betont werden. Bismarck wird als „Doppelstratege“ vorgestellt, für den die Sozialistengesetze und die Sozialgesetzgebung keinen Widerspruch bedeuteten. Hentschel erinnert unter anderem auch an die bedeutende Rolle Hamburger Kaufleute, allen voran von Adolph Woermann, die den Kolonialerwerb vorantrieben und dafür beim ersten Reichskanzler massiv lobbyierten.

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