Kleine Leihgabe mit großem Symbolcharakter. „Erinnern in Lichtenberg“ zeigt Schiffsmodell aus Friedrichsruh

Brandenburgische Fregatte „Der Kurprinz“, Schiffsmodell, Silber, 1885 (15,0 x 6,0 x 15,0 cm) auf Marmorsockel (25,5 cm x 13 cm x 4,5, cm), Bismarck-Museum, Friedrichsruh (Foto: Otto-von-Bismarck-Stiftung / David Rojkowski)

Die Takelage dieses nur 15 Zentimeter langen Schiffsmodells aus Silber ist leicht ramponiert, aber die Bordkanonen zeugen immer noch von der Absicht, sich die Welt – oder zumindest Teile von ihr – untertan zu machen. Otto von Bismarck erhielt es 1885 als Geburtstagsgeschenk, in der Ausstellung „Erinnern in Lichtenberg“ wird es als Leihgabe in seinen kolonialgeschichtlichen Kontext gestellt. Dieser verweist allerdings nicht auf den ersten Reichskanzler und den Beginn der deutschen Kolonialpolitik in seiner Regierungszeit, sondern reicht weiter zurück und verbindet die Lokalgeschichte des Berliner Bezirks mit der Globalgeschichte einer anderen Epoche.

Das Modell zeigt eine der drei Fregatten, die alle auf den Namen „Der Kurprinz“ (oder „Churprinz“) getauft waren. Das zweite dieser Schiffe spielte eine wichtige Rolle, als mit Unterstützung von Friedrich Wilhelm (1620 – 1688), dem Großen Kurfürsten, erstmals unter brandenburgisch-preußischer Flagge in Afrika Land für eine Kolonie besetzt wurde – Fort Groß Friedrichsburg im heutigen Ghana ist als Anlage erhalten geblieben und zeugt von diesem Versuch, zu anderen europäischen Kolonialmächten politisch und wirtschaftlich aufzuschließen.

Wesentlicher Initiator und zeitweiliger finanzieller Nutznießer dieser kolonialen Expedition war Benjamin Raule (1634 – 1707). Er war vom Großen Kurfürsten zum General-Marine-Direktor ernannt worden und gründete zusätzlich die Brandenburgisch-Afrikanische Kompanie. Auf diese Weise verband er seine offiziellen Aufgaben mit privaten Interessen. In dieser für ihn erfolgreichen Lebensphase erhielt Raule von Friedrich Wilhelm als Dank für sein Engagement einen ungenutzten Hof mit Gartenland. 1685 ließ er dort ein Lustschloss bauen und nach dem Erwerb weiterer Flächen einen Park anlegen. Das Ensemble ist noch heute – baulich und landschaftsgärtnerisch verändert – zu besichtigen: Es handelt sich um das im Bezirk gelegene Schloss Friedrichsfelde und den dort 1955 eingerichteten Tierpark Berlin. Das heutige Ausflugsziel werde in der Ausstellung erstmals als ein kolonialgeschichtlicher Erinnerungsort präsentiert, erläutert Kurator Dr. Dirk Moldt. Das Silbermodell der damals beteiligten Fregatte erinnert auch daran, dass die Kolonisierung ohne Seefahrt nicht möglich gewesen wäre.

„Erinnern in Lichtenberg“: In der Gesamtschau werden historische Kontinuitäten sichtbar, die zur Diskussion anregen. (Fotos: Otto-von-Bismarck-Stiftung / Natalie Wohlleben)

Dr. Dirk Moldt hat zusammen mit Dr. Margret Kampmeyer-Käding und Thomas Irmer die Ausstellung „Erinnern in Lichtenberg“ kuratiert, Leiterin des bezirklichen Fachbereichs Museum und Geschichte ist Anna Katz.

Die Ausstellung umfasst insgesamt sieben Themenbereiche der „Erinnerung in Lichtenberg“, die die Frage, wie man sich erinnert, mit konkreten Orten verbinden. Auf die kolonialgeschichtliche Abteilung folgt interessanterweise ein Kapitel über die sogenannten Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter, die aus Vietnam und Mosambik in die DDR kamen. Sie erlebten trotz propagierter internationaler Völkerfreundschaft Diskriminierung und Rassismus, so die Informationen, ein Teil ihrer Löhne wurde nicht an sie selbst, sondern an die Regierungen ihrer Heimatländer ausgezahlt.

Weitere Orte, an denen sich lokale, deutsche und auch globale Geschichte in verschiedenen Phasen begegneten, sind beispielsweise der Zentralfriedhof Friedrichsfelde, auf dem unter anderem Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht beerdigt sind, sowie zahlreiche Straßen. Deren Namen sollen im Mittelpunkt eines der Projekte stehen, berichtet Dr. Moldt, die auf die Ausstellung folgen und den Bürgerinnen und Bürgern des Bezirks die Möglichkeit zum Austausch bieten sollen.

Dem Team des Museums Lichtenberg ist es gelungen, die Vielfalt der Erinnerungsorte und ihre verschiedenen historischen Kontexte aufzuzeigen. Insbesondere die Themenkomplexe zur jüngeren Vergangenheit – zur Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) sowie zur DDR-Opposition und Friedlichen Revolution – bieten den Besucherinnen und Besuchern aus dem Bezirk unmittelbar die Möglichkeit, ihre eigenen Erinnerungen zu verknüpfen.

 

Erinnern in Lichtenberg
Was macht Erinnerungskultur in Lichtenberg aus?
Museum Lichtenberg im Stadthaus
14. Dezember 2023 – 10. November 2024


Quellen und weiterführende Literatur:

Jörg Bock: Benjamin Raule (1634 – 1707), Beitrag in der Reihe „Lichtenberger Persönlichkeiten“, Website Museum Lichtenberg

Gemeinschaft der Förderer von Tierpark Berlin und Zoologischem Garten Berlin e.V. (Hrsg.): Die Geschichte vom Schloss Friedrichsfelde, Website Schloss Friedrichsfelde

Ulf Morgenstern: Ein Schiff wird kommen… Ein Silbermodell der Fregatte „Kurprinz“ zu Otto von Bismarcks 70. Geburtstag, Blog der Otto-von-Bismarck-Stiftung, 25. August 2011, siehe auch den gleichnamigen Beitrag in: Kanzlergeschenke. Kulturgeschichte(n) des Schenkens, hrsg. von Fridrun Freise / Thorsten Logge / Ulf Morgenstern, Hamburg 2020 (erhältlich bei der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg), S. 151-157