Kalenderblatt: Königliche Oper in Versailles

Königliche Oper des Schlosses von Versailles. Kolorierter Stahlstich, Letitia Byrne (1779 – 1849), nach John Nash (1752 – 1835), Großbritannien, 1829, Papier (© Otto-von-Bismarck-Stiftung, Inventar-Nr.: ZSg 2731)

Gute Unterhaltung erleben und zugleich mit glanzvollen Veranstaltungen Macht demonstrieren – diese Absicht führte im absolutistischen Frankreich musikalisch wie architektonisch zu innovativen Entwicklungen, von denen die Geschichte der Königlichen Oper erzählt.

Musikalische Darbietungen und Theateraufführungen waren fester Bestandteil der Zerstreuung am königlichen Hofe. Jean-Baptiste Lully (1632 – 1687) entwickelte als Hofkomponist von Ludwig XIV. (1638 – 1715) aus der italienischen Oper eine eigene französische Form, die für die nächsten zweihundert Jahre Paris zur Musikhauptstadt Europas machen sollte. Der König selbst betrat 1653 als 15jähiger die öffentliche Bühne in der Hauptrolle des Apollo im „Ballet royal de la nuit“.

Seine Begeisterung für die Oper veranlasste den Sonnenkönig, ein festes Opernhaus planen zu lassen; damit sollte die Zeit der Aufführungen in den aufwendig temporär aufgestellten Sälen beendet werden. Geldmangel aber verhinderte die Verwirklichung dieses Vorhabens.

Erst 1748 griff sein Urenkel und Nachfolger König Ludwig XV. (1710 – 1774) – die absehbaren Hochzeiten seiner drei Enkel vor Augen – die Idee wieder auf und beauftragte den Hofarchitekten Ange-Jacques Gabriel (1698 – 1782) mit dem Bau nicht nur eines Operngebäudes, sondern eines multifunktionalen Veranstaltungsraumes. Es sollte in den Jahren 1768 bis 1770 eines der letzten großen Bauvorhaben in Versailles werden.

Ange-Jacques Gabriel entwarf auf der Grundlage der ersten Pläne, die unter Ludwig XIV. von Jules Hardouin-Mansart und Carlo Vigarani erarbeitet worden waren, einen Raum, der als Oper, Ball- oder Bankettsaal dienen sollte. Die Bühne – mit 14 Meter Breite und 36 Metern Tiefe die damals größte in Europa – musste daher beweglich sein. Dem ersten Theatertechniker des Königs Blaise-Henri Arnoult gelang angesichts dieser Herausforderung ein Meisterwerk: Mit Hilfe eines komplexen Systems beweglicher Böden, die über Winden und Hebevorrichtungen bewegt werden konnten, schuf Arnoult, wie das Château de Versailles auf seiner Website informiert, einen verstellbaren Saal, in dem die Bühne abgesenkt werden konnte. Die Wände, deren Dekoration einer Marmorausstattung nachempfunden waren, bestanden aus Holz, was eine hervorragende Akustik entstehen ließ. Erleuchtet wurde der Saal von 2000 Kerzen.

Dieser Saal wurde am 16. Mai 1770 anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten des Dauphins und der Erzherzogin Marie-Antoinette eingeweiht, in der Folge aber nur selten genutzt – sein Betrieb war sogar für einen König sehr teuer. Die Französische Revolution durchkreuzte nicht einmal zwanzig Jahre später alle weiteren Pläne für prunkvolle Feierlichkeiten. Erst Kaiser Napoléon III. ließ den alten Glanz wieder aufleben, als er dort 1855 ein Bankett für die britische Königin Victoria gab.

Von der Multifunktionalität, die in der Monarchie erdacht worden war, profitierte völlig ungeplant später die Republik: 1871 tagte die neugewählte Nationalversammlung in der Königlichen Oper, nach 1875 der Senat.

Von 2007 bis 2009 wurde das Gebäude mit seiner einst innovativen, immer noch funktionsfähigen Bühnentechnik restauriert, heute finden dort wieder – nun öffentlich zugängliche – Opernaufführungen statt.


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