Ein Wegbereiter der Demokratie. Rückblick auf den Online-Vortrag über Matthias Erzberger

Matthias Erzberger am 6. Februar 1919 anlässlich der Eröffnung der Nationalversammlung vor dem Weimarer Schloss, Foto: Bildagentur Presse-Photo A. Frankl (© Haus der Geschichte Baden-Württemberg)

Matthias Erzberger wurde für seinen kompromisslosen Einsatz für die Demokratie in Deutschland ermordet. Der bekannte Politiker, der der Weimarer Republik als Vizekanzler und Reichsfinanzminister gedient hatte, wurde am 26. August 1921 auf einer Wanderung im Schwarzwald von zwei rechtsextremistischen Terroristen erschossen. Mit Dr. Christopher Dowe erläuterte auf Einladung der Otto-von-Bismarck-Stiftung am vergangenen Donnerstag ein ausgewiesener Experte die Vorgeschichte dieses Attentats, seine Bedeutung und Auswirkungen.

Das Attentat auf Erzberger erschütterte die noch junge Weimarer Republik. Während die Verteidiger der Demokratie massenhaft gegen diese Tat und die Gewalt von rechts protestierten, wurde der Mord von Vertretern des rechten nationalistischen Spektrums gefeiert. Dowe zeigte in seinem Vortrag die Lebensstationen des Politikers auf, die zur Vorgeschichte seiner Ermordung werden sollten. Prägend waren demnach über viele Jahre hinweg die öffentlichen, hasserfüllten Anfeindungen, mit denen die Gewalttat verbal vorbereitet wurde.

Dr. Christoper Dowe publizierte die Biografie „Matthias Erzberger. Ein Leben für die Demokratie“ und kuratierte die Ausstellung der Erinnerungsstätte Matthias Erzberger im Geburtshaus des Politikers in Münsingen-Buttenhausen (Foto: © Haus der Geschichte Baden-Württemberg).

Wie Dowe schilderte, wurde Erzberger 1875 auf der schwäbischen Alb in eine einfache, katholische Familie hineingeboren. Als junger Erwachsener ließ er sich zunächst zum Volksschullehrer ausbilden, wechselte aber bald vom Schuldienst in den Journalismus und dann in die Politik. 1903 wurde er als damals jüngster Abgeordneter für die Zentrumspartei in den Reichstag gewählt. Dowe hob hervor, dass sich Erzberger vom Beginn seiner politischen Karriere an für eine Stärkung der Kontrollrechte des Parlaments einsetzte, deswegen aber zunächst kein Problem mit der Monarchie hatte – nur wollte er deren Verantwortlichkeiten einhegen, Kanzler und Militär sollten sich seiner Ansicht nach gegenüber dem Reichstag verantworten müssen. Außerdem kritisierte er die Missstände in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts, was unter anderem zum Rücktritt des Leiters Ernst II. Fürst zu Hohenlohe-Langenburg führte. Er mahnte zudem an, die Rechte der einheimischen Menschen in Afrika zu achten. Gleichwohl war Erzberger kein Gegner der Kolonialpolitik. Insgesamt machten ihn seine politischen Stellungnahmen, mit denen er keineswegs allein stand, zum Feindbild nationalistischer Kräfte, die den Parlamentarismus ablehnten.

Dowe schilderte die weiteren Stationen der Karriere Erzbergers. Im Ersten Weltkrieg glaubte er zunächst wie viele Deutsche, einen gerechten Krieg zu führen, und vertrat weitreichende Annexionspläne. Nachdem er aber unter dem Dach des Auswärtigen Amtes für die Propaganda in den neutralen Staaten zuständig geworden war und sich umfassend über den Kriegsverlauf informieren konnte, wurde er zu einem Befürworter eines Verständigungsfriedens. Diese Haltung und seine Unterschrift unter das Waffenstillstandsabkommen im November 1918 – im Auftrag der neuen Reichsregierung und der Obersten Heeresleitung – machten ihn vollends zum Hassobjekt der rechten Demokratiefeinde, die es vorzogen, die historische Tatsache der Kriegsniederlage zu verleugnen.

Um eine Wiederaufnahme der Kriegshandlungen und damit das Ende der neu gegründeten Weimarer Republik zu verhindern, setzte sich Erzberger für die Annahme des Versailler Vertrages ein. Als Reichsfinanzminister trieb er außerdem eine grundlegende Reform der Steuererhebung voran mit dem Ziel, die Besteuerung sozial gerechter zu gestalten. Sein Ziel, so Dowe, sei eine wohlfahrtsstaatliche Demokratie gewesen. Rechtsextreme aber versuchten die Weimarer Republik durch Anschläge zu destabilisieren. Ein knappes Jahr nach Erzberger wurde auch Außenminister Walther Rathenau ermordet.


Matthias Erzberger wird auch in dem Projekt „100 Köpfe der Demokratie“ vorgestellt.