Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Donnerstag, den 29. September 2016 um 10:43 Uhr

Während die Erinnerung an die NS- und die SED-Diktatur in deutschen Gedenkstätten und Museen einen großen Stellenwert einnimmt, beschäftigten sich nur verhältnismäßig wenige Einrichtungen mit der Geschichte der Demokratie. Der von Thomas Hertfelder, Ulrich Lappenküper und Jürgen Lillteicher herausgegebene Sammelband ergründet die Ursachen und untersucht, wie in ausgewählten Institutionen öffentlich-rechtlicher Trägerschaft, aber auch privaten Initiativen an Demokraten und an die demokratischen Phasen in der deutschen Geschichte erinnert wird.

Die Autoren, 14 renommierte Historiker und Museumsmacher, zeigen auf, wie Phasen der Demokratie und Perioden der Diktatur in Deutschland in den Museen und Gedenkstätten zueinander in Beziehung gesetzt werden und welchen Stellenwert die »Demokratie« in der deutschen Erinnerungskultur einnimmt. Sie untersuchen mit Hilfe des Analyseinstruments der historischen Meistererzählung, auf welche Weise die Geschichte der Demokratie in Deutschland erzählt wird, und fragen nach biographischen und personalisierenden Zugriffen bei der musealen Präsentation.

Details finden sich auf der Verlagsseite.

Bestellt werden kann der Band natürlich nicht nur im Buchhandel, sondern auch in unserem Shop.

Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Donnerstag, den 01. September 2016 um 15:29 Uhr

Als kleine Empfehlung in den Spätsommer möchten wir auf die Ausstellung über einen heute fast vergessenen Aspekt der Vernetzung von Dynastien in Europa hinweisen. Im Mittelpunkt steht eine veritable Königin, die als Tochter eines deutschen Fürstenhauses an die Spitze eines Königreiches heiratete.

Im Südosten Europas erwarb sich die populäre Monarchin als Dichterin einen zeitgenössisch legendären Ruf.

Wer in den nächsten Wochen zwischen Koblenz und Bonn auf Weinreise unterwegs ist, der sollte seine Rheinreise zum Beusch einer Ausstellung im ohnehin sehenswerten Roentgen-Museum in Neuwied nutzen, die mit wunderbaren Exponaten ins 19. Jahrhundert entführt.

Erste Seite des Friedensvertrages zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich, Frankfurt/M., 10. Mai 1871 (Faksimile aus Papier und Textil), zu sehen in der Dauerausstellung der Otto-von-Bismarck-Stiftung

Text: Melith Esmer

Unter den „Einigungskriegen“ zwischen 1864 und 1871 zeichnete sich vor allem der Deutsch-Französische Krieg durch seine überaus große Bedeutung im Zusammenhang mit der Reichsgründung aus. Bismarcks Rechnung ging auf: Die Kriegserklärung Frankreichs war insofern ein ihm gelegenes Manöver, weil sie eine Welle von nationaler Begeisterung in den deutschen Staaten auslöste, welche im Hinblick auf die spätere Reichsgründung eine nicht zu unterschätzende Rolle einnahm.

Nachdem sich Kaiser Napoleon III. nach der Schlacht von Sedan Anfang September 1870 ergeben hatte, leistete die neugebildete provisorische Regierung in Paris weiterhin Widerstand. Besonders Jules Favre, der Außenminister der kurz zuvor ausgerufenen Republik, war ein entschiedener Befürworter des Widerstands, doch wie auf dem hier präsentierten Exponat zu sehen ist, war er am Ende doch gezwungen, einen Friedensvertrag zu Bismarcks Bedingungen zu unterzeichnen. Zum Ärger einiger deutscher Militärs bevorzugte Otto von Bismarck eine politische Lösung des Konflikts, die jedoch vorerst nicht zu Stande kam, weil die republikanische Regierung in Paris die von deutscher Seite geforderten Gebietsabtretungen nicht hinnehmen wollte. Doch die innenpolitische Lage in Frankreich verschärfte sich parallel zum immer noch andauernden Krieg. So kapitulierte die von den Deutschen eingeschlossene Hauptstadt Paris schließlich, und die republikanische Regierung war gezwungen, zunächst einen Waffenstillstand zu vereinbaren, woraufhin eine Nationalversammlung gewählt wurde, die den deutschen Forderungen zustimmte. Somit wurde eine Grundlage für den Vorfrieden von Versailles (26. Februar 1871) geschaffen. Hierbei wurde verbindlich festgelegt, welche Gebiete die dritte Französische Republik an das neugegründete deutsche Kaiserreich abtreten sollte. Außerdem wurden Reparationen in Höhe von fünf Milliarden Francs festgelegt. Ein interessantes Detail ist, dass eine derart hohe Summe selbst aus Bismarcks Sicht im Grunde unangemessen war, weil sie den tatsächlichen Kosten der materiellen Kriegsschäden nicht entsprochen habe.

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Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Freitag, den 05. August 2016 um 11:56 Uhr

Die Klimageschichte könnte weiterhelfen bei der Frage, ob der Erfinder einer Massage gegen Sommersprossen im Veröffentlichungsjahr seiner Werbe-Anzeige (1898) ein gutes Geschäft gemacht hat oder nicht. Im Sommer 2016 hätte er seine fragwürdigen Dienste nur selten anbieten können, denn bisher sind die Sommersprossen herauskitzelnden Strahlen selten gewesen – zumindest hier im Norden.

Wenn Sie vermuten, dass Nachrichten wie diese ein eindeutiger Indikator für das jährliche Sommerloch sind, liegen Sie völlig richtig. Bevor wir noch mehr Ephemeres aus dem Bildbestand unserer Sammlungen heraussuchen, verabschieden wir uns lieber in einen hoffentlich sonnigen August. Aber nur virtuell: Die Standorte der Stiftung bleiben natürlich weiter geöffnet! Zum Beispiel mit einer Sonderausstellung über „Li Hongzschang – ein Bismarck des Fernen Ostens?“ in Friedrichsruh.

Auf dem Sprung in die Sommerpause muss es nach langer Zeit einfach mal wieder raus: Ein großes Lob an unsere studentischen Hilfskräfte! Von der Museumsaufsicht, über die Besucherführung und die Tagungsbegleitung bis zur handfesten Unterstützung der wissenschaftlichen Arbeit: alles würde länger dauern und wäre mühsamer, wenn sich nicht fast täglich fleißige Helfer aus der Stadt aufmachen würden in den Wald, um dem „Kernteam“ der Bismarck-Stiftung unter die Arme zu greifen.

Da sich die Kommilitonen aber nur selten sehen, weil ihre Arbeitszeiten im Tagesgeschäft über die Wochentage verteilt sind, gibt es selten Gelegenheiten für ein gemeinsames Bild. Aufgenommen an einem der bisher noch raren Hochsommertage hier im Norden zeigt das Foto neben zwei schon etwas länger exmatrikulierten Historikern (v.l.n.r) die aufstrebenden Rayk Unger, Sedef Karakan, die Chefeinteilerin der Studis Gaby Wurl, Tobias Köhler (von der Stud. HK zu Wiss. HK aufgestiegen), Dorothee Cordes und Katharina Reissmann.

Ihnen und dem hier nicht abgebildeten Hannes Mühlbock herzlichen Dank für Ihren Einsatz in Friedrichrsuh und einen schönen und hoffentlich erholsamen Sommer!

Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Montag, den 18. Juli 2016 um 15:11 Uhr

… wie wenig verschlafen Friedrichsruh und der Sachsenwald sind, im Gegenteil, wie sehr man unter den rauschenden Buchenkronen jeweils zeitgenössisch à jour ist, dass wussten die Zeitgenossen Bismarcks in ihrer uns fernen Gegenwart ebenso wie die Kolonialrevisionisten der Zwischenkriegszeit oder die Terroristen der RAF, die hier Waffen und Geld versteckten.

Da ist uns eine der neuesten Entwicklungen lieber: Pokémon Go ist da, hier im Wald, live und in Farbe. Wenn man denn den virtuellen Monstern etwas abgewinnen kann und sie überhaupt sieht. Wer das tut, kann hier auf ungefährlichere Art und Weise auf die Jagd gehen als in der Stadt, wo man mit stierem Blick auf das Smartphone leicht mal unter die Räder kommen oder sogar erschossen werden kann.

Hier läuft man höchstens gegen einen Baum. Zumindest so lange wie, der elektronische Zeitvertreib aus Japan „in“ und „hip“ und nicht selbst schon wieder Zeitgeschichte ist. Dann sind wir gespannt auf den nächsten in Echtzeit hier eintreffenden Wahnsinn kommender Gegenwarten.

Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Montag, den 18. Juli 2016 um 10:23 Uhr

Es gibt sie noch, die guten alten Konditoreien aus der Zeit vor Donoughts und Bagles. Eine davon befindet sich in der Hellbrookstraße 61 in Hamburg Barmbek. Der Laden ist eine Institution, die mit der Zeit geht. Davon zeugt der gepflegte Online-Shop.

Wer allerdings nur dort einkauft, verpasst einen Sprung in die politische Kulturgeschichte. Im Ladengeschäft gibt es nämlich eine Wand mit gebackenen Miniaturen aus der Hamburger Geschichte. Und zu denen gehören neben dem Michel und dem Rathaus auch der auf das „Hummel, Hummel“ der Straßenkinder „Mors, Mors!“ [1] anwortende Wasserträger und – na? – klar: Bismarck! Der Kanzler im Profil, eingrahmt von Allegorien aus der Tier- und Pflanzenwelt, eine kulinarische Profanisierung des Heldenkults von ehedem.

Ob 2016 noch jeder, der zwischen Brötchen und Baiser den Blick schweifen lässt, den einstmal ikonischen Glatzkopf erkennt, ist natürlich eine andere Frage. Funktioniert hat die Assoziation bei Frank Fischer, dem herzlich für diese Zuschrift zu danken ist.

[1] Joachim W. Franck, Hummel, in: Franklin Kopitzsch/Dirk Brietzke (Hrsg.), Hamburgische Biografie Bd. 3, Göttingen 2006, S. 176f

Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Freitag, den 15. Juli 2016 um 11:19 Uhr

Gern weisen wir auf die Ausstellung „Fokus Königgrätz“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin hin. Obwohl die Kollegen im „großen Tanker“ die Werbung aus dem „kleinen Beiboot“ natürlich nicht nötig haben. Aber um es mit den Worten Thomas Manns in Bezug auf das zerstörte Lübeck nach dem Zweiten Weltkrieg auszudrücken: „Das geht mich an!“

Genauso geht es der Bismarck-Forschung mit einer Ausstellung über die Schlacht bei Königgrätz, die im Sommer 1866 den Dualismus zwischen Preußen und Österreich zu Gunsten der ersteren entschied: Das geht uns an!

In der Rückschau kann darin eine der wichtigsten Vorstufen zur Gründung des Deutschen Kaiserreichs unter preußischer Führung (und ohne Österreich) gesehen werden. Den Zeitgenossen war das im Sommer 1866 freilich noch nicht klar, wie auch?

Während Sieger, Besiegte und auswärtige Großmächte verhandelten, konnten sich die Otto-Normal-Bürger in Berlin, Dresden und Wien alles andere als sicher über die allernächste Zukunft sein. Wie offen die Situation bis zum Prager Frieden (und auch noch darüber hinaus) beurteilt wurde, haben die Referate einer Tagung der Bismarck-Stiftung gemeinsam mit Kollegen vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (Potsdam) und der Universität Wien gezeigt. Die im März 2016 in Dresden vorgetragenen Sichtweisen aus den deutschen Staaten sowie den europäischen Hauptstädten der Zeit verdeutlichen, wie ambivalent die Rezeption des böhmischen Schlachtenergebnisses war. Bis der Sammelband mit den Beiträgen Anfang nächsten Jahres vorliegen wird, empfehlen wir einen Besuch der Ausstellung im DHM in Berlin, die noch bis zum 31. Dezember 2016 läuft.

Zum Flyer geht es hier.

Um auf eine andere Schlacht des Krieges hinzuweisen, in der nicht die Sachsen und Österreicher den Preußen unterlagen, hier ein Bild aus Magdeburg. Dort zogen nach der Schlacht bei Langensalza die Truppen des preußischen Königs ein, verloren hatten die des Königs von Hannover.

…heißt ein berühmtes Buch Friedrich Nietzsches. Im Alltag geht dieses schöne Schlagwort oft verschütt unter Anträgen, Fristen, Formularen, Sitzungen und sonstigen Pflichtterminen und Widrigkeiten des Forscherlebens.

Dass es auch mal anders gehen kann und zwar sogar unter der Woche, bewiesen gestern 12 neugierige Wissenschaftler aus dem Team Jürgen Zimmerers vom Historischen Seminar der Universität Hamburg. Die Doktoranden und Post-Docs seines Lehrstuhls und der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die frühe Globalisierung“ hatten sich trotz besten norddeutschen Regenwetters auf Erkundungsreise in den Sachsenwald gemacht.

Nachdem Friedrichsruh ausgiebig besichtigt und als Erinnerungsort kontextualisiert war, ging es bei sommerlichen 15 Grad an den Grill und an die Kaltgetränke. „Fröliche Wissenschaft“ eben!

Das Deutsche Historische Institut in London veranstaltet im Moment eine Reihe von Seminar-Vorträgen unter dem Titel „Narrating the Nineteenth Century: New Approaches“. Führende Köpfe der Forschung tragen dabei Ihre Gedanken über aktuelle Entwicklungen der historischen Forschung zu Fragestellungen der Geschichte des 19. Jahrhunderts vor. Wer es nicht nach London schafft, englische Vorträge aber nicht scheut, kann die Lectures als Audio-Podcasts nachhören, hier die Überblicksseite.

Besonders lohnend erschien uns ein Vortrag von Johannes Paulmann. Lassen Sie an einem lauschigen Sommerabend doch einmal den Fernseher aus und hören Sie mit einem Glas kühlen Weißweins in der Hand bei geöffnetem Fenster den Ausführungen des Direktors des Instituts für Europäische Geschichte in Mainz über Nähe und Ferne des 19. Jahrhunderts zu. Einfach Flasche entkorken, hier klicken und dann gute Unterhaltung!