Ein ertragreicher Workshop der Otto-von-Bismarck-Stiftung vom September 2018 über Wilhelm I. und seine Gattin Augusta wird bei HSozuKult besprochen.

Das freut uns!

Was bei vielen den Geruch von Staub und das Gefühl von Langeweile aufkommen lässt, bedeutet für Verwaltungsbeamte, Archivare und vor allem für Historiker das höchste Lob: „intime Vertrautheit mit den Akten“!

Diese bescheinigt eine Rezension unserem wissenschaftlichen Beirat und Herausgeber der Neuen Friedrichsruher Ausgabe Konrad Canis für sein neues Buch über Österreich-Ungarn nach 1867.

Obwohl nicht unkritisch und auf Schwächen hinweisend, ist die Besprechung voller Anerkennung für die auf enormer Quellenarbeit  basierende Syntheseleistung.

Wir finden: Eine lesenswerte Rezension eines lesenswerten Buches.

Auch nach knapp einer Woche freuen wir uns sehr über ein außergewöhnliches Geschenk. Ernst von Bismarck (links), der Vorsitzende des Familienverbandes, händigte die Spende an den Vorsitzenden des Vorstands der Otto-von-Bismarck-Stiftung, Dr. Rüdiger Kass, aus.

Ernst von Bismarck überbrachte die Briefe im Namen des mit ihm befreundeten großzügigen Spenders Jost Reinhold. Dieser hatte die Briefe ersteigert und nun der Bismarck-Stiftung übereignet, wo sie Archiv und Sammlung bereichern. Selbstverständlich werden die Dokumente in unsere Bismarck-Edition, die Neue Friedrichsruher Ausgabe, einbezogen.

Zunächst: Herzlichen Dank!!!!

Im Einzelnen handelt es sich im 13 Stücke. Zwölf Briefe an seinen Jugendfreund Scharlach zeigen einen Blick in die Gedankenwelt und Schreibpraxis des jungen Bismarck. Ein Geburtstagsbrief an die Kaiserwitwe aus dem Jahr 1888 offenbart den diplomatischen Routinier im Alter.

Während die Jugendbriefe am Beginn des 20. Jahrhunderts einmal in gedruckter Form in die Öffentlichkeit kamen und dann für mehr als ein Jahrhundert in wechselndem Privatbesitz verschwanden, ist der ebenfalls eigenhändige Brief an Augusta bisher unbekannt.

Allesamt also Leckerbissen für die Bismarck-Forschung! Daher nochmals: Herzlichen Dank!

In einem freundlichen Beitrag, weist die Magdeburger Volksstimme auf die Umgestaltung eines Ausstellungsraums des Bismarck-Museums in Schönhausen hin.

Dort wurden Leerstellen im Abschnitt zur Reichskanzlerschaft geschlossen, die nach einer Restitution entstanden waren. Zu sehen sind nun historische Fotografien, auf denen Bismarck und andere Parlamentarier abgebildet sind.

Wir finden: Ein Grund mehr, eine Reise in Altmark zu machen!

Im Rahmen einer internationalen Konferenz der „Forschungsstelle Hamburgs (post-)koloniales Erbe“ ist auch der vor den Toren der Stadt gelegene Ort Friedrichsruh behandelt worden.

Ende Februar 2018 hielt Dr. Ulf Morgenstern einen Vortrag, der Bismarcks Refugium im Sachsenwald als eine Bühne kolonialer Akteure untersuchte.

Näherers kann in einem Tagungsbericht bei HSozuKult nachgelesen werden.

Wer schon zu Lebzeiten als „eiserner Kanzler“ bezeichnet wird und selbst von „Eisen und Blut“ als jenen Mitteln spricht, mit denen „die großen Fragen der Zeit entschieden“ würden, der muss sich nicht wundern, wenn er posthum zum Namensgeber einer Heavy-Metal-Band wird.

Das haben sich offenbar fünf lärmfreudige Musiker aus dem norwegischen Bergen gedacht. Unter dem Namen  „Bismarck“ schrammeln sie eher gemütlich als laut vor sich hin.

Musikalisch ist das nach Auskunft der Fachpresse eher solide und keine Innovation. Die Einschätzung der textlichen Qualität mag beurteilen, wer hier einen Unterschied zwischen Englisch und irgendeiner anderen Sprache hört.

Aber ungeachtet solcher Finessen ist es amüsant, dass das alte Ehrregime des vormodernen Bismarck-Mythos‘, als alles mögliche nach dem Gründer des deutschen Kaiserreichs benannt wurde, hier einen späten Ausläufer hat. Klar heißt das Album dann auch bedeutungs- und metaphernschwer „Urkaft“. Uns gruselt’s!

„Geschichte wird gemacht“: Musikhistorisch Interessierte kennen diesen indikativen Dreiwortsatz aus einem Ohrwurm der frühen 1980er Jahre. „Fehlfarben“ hieß die Band, „Ein Jahr (es geht voran)“ der Song und „Monarchie und Alltag“ das Album.

„Monarchie und Alltag“, ausgerechnet! Denn das tagtägliche „Machen von Geschichte“, das hier als die Arbeit eines Historikers vorgestellt werden soll, ist zufällig ein Stück Forschung über das deutsche Kaiserreich. Und zwar ein ganz besonderes. Aber der Reihenfolge nach ….

Wie alle fertigen Produkte stehen Bücher irgendwann im Laden. Das ist bei wissenschaftlichen Werken nicht anders, auch wenn sich deren Verkaufszahlen in engen Grenzen halten. Der Forscher hat sein Manuskript abgeschlossen, der Verlag mehr oder weniger kritische Blicke darauf geworfen, die Druckerei hat den Auftrag erledigt und die Kritiker wetzen die Messer. Wie ein Buch entstanden ist, unter welchen Bedingungen recherchiert wurde, wo und wie schnell geschrieben, verworfen und wieder neu geschrieben wurde, das ist für die spätere Rezeption meist uninteressant. Allenfalls bei zu Klassikern gewordenen Büchern schaut die Historiographie-Geschichte im Abstand von Jahrzehnten nach den Entstehungsbedingungen, wobei damit eher die intellektuellen Einflüsse auf den Autor als dessen tagesaktuelle Befindlichkeiten gemeint sind.

Und doch weiß jeder, wie wichtig die Tagesform, das private Umfeld, die Gesundheit und sogar das Wetter für den Fortgang eines Forschungsprozesses sind. Sich selbst kann man nicht objektiv über die Schulter schauen, bei befreundeten Kollegen will man das mitunter gar nicht so genau. Oder doch?

Eine wunderbare Möglichkeit, einem Historiker beim „Machen von Geschichte“, sprich bei seiner Arbeit zu zuschauen, bietet der Blog des Australiers Matthew Fitzpatrick. Der ausgewiesene Experte für die deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts in ihren weltweiten Vernetzungen lehrt an der Flinders Universiät im südaustralischen Adelaide. Immer wieder kommt er für seine Forschungen nach Deutschland, da ein Gutteil der Quellen für seine Studien in deutschen Archiven liegen.  Im Moment lebt er (mit seiner Familie!, ja auch die entsagungsvollen Schreibtischarbeiter haben gelegentlich Familie) in Münster.

In einem work-in-progress-Blog kann man ihm und dem Entstehen seiner Gedanken zu seinem neuen Buch folgen und in kurzweiligen Einträgen sehen, wie das Projekt eines Australiers in Deutschland wächst und wächst. Er schreibt darin über Bahnfahrten, Archivrecherchen, das Grübeln über längst vergangene Ordensverleihungen, aber auch über Spaziergänge zu Denkmälern: Solche und andere scheinbare Banalitäten fügen sich zu einem spannenden wissenschaftlichen Itinerar zusammen. An dessen Ende soll ein Buch über „Wilhelm II. und die Kolonien“ stehen, zumindest ist das bislang der Arbeitstitel.

Ist ein solcher Blog nun Geschichtswissenschaft 2.0? Oder sogar 3.0.? Und schlicht „Public Historiography“? Oder als Meta-Geschichtsschreibung eine Art Selbstbespiegelung? Am ehesten ist es eine Mischung aus allem, und zwar im positivsten Sinne. Im Zeitalter von geistlosen Influencern, die Handtaschen und Peeling-Cremes empfehlen, tut diese Baustellenkamera an der Werkbank eines Wissenschaftlers unheimlich gut. Sie fängt seriöses Arbeiten ein. Im Zeitraffer entsteht hier ein Buch, „Geschichte wird gemacht“.

Bei den Fehlfarben war der Präsident an allem schuld. Ob das bei Fitzpatrick nach einigen Monaten „Monarchie und Alltag“ der Kaiser sein wird? Wir dürfen gespannt sein ….

Die Diskussion um Straßennamen und Denkmäler für historische Persönlichkeiten ist vielgestaltig. Sie hat regionale Anlässe oder unterliegt geschichtskulturellen Konjunkturen. Zwei Beispiele für diese beiden Fälle sind uns zuletzt untergekommen.

In Düren steht seit 1892 ein Bismarck-Denkmal. Eingehegt ist der Reichsgründer von dem liberalen ersten Bundespräsidenten, denn Bismarck steht auf einem Theodor-Heuss-Platz. Dieses Beispiel für den Wandel von Ehrungen im öffentlichen Raum, sog. Ehr-Regimen, zeigt, wie sich ändernde historische Wahrnehmungen in ironisch sachlicher Art zu einem sich ändernden Geschichtsbild in der Öffentlichkeit führen können.

Nun gibt es Streit um die Wiederaufstellung des Denkmals, das während eines Neubauprojekts in unmittelbarer Nachbarschaft eingelagert worden ist. Der Name des Neubaus: „Bismarck-Quartier“, ausgerechnet. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Stadt positionieren wird. Und wo sie den 124-jährigen Bismarck positionieren wird!

Vielleicht reicht ja eine erklärende Hinweistafel mit Hinweisen zu Leistungen und Fehlleistungen des Geehrten neben dem Denkmal. Das wäre jedenfalls unsere Empfehlung.

Eine solche abzugeben stehen wir beim nächsten Beispiel nicht an, denn es geht um eine Bismarck-Straße in einem fernen Ausland, wenn auch in einem mit ganz besonderer Beziehung zu Deutschland. Die Rede ist von der „Bismarckstrasse“ in Windhuk.

Die kleine, aber einflussreiche Gruppe von Namibianern deutscher Herkunft hat bisher sorgsam darauf geachtet, dass deutsche Spuren im Land erhalten bleiben.

Aus nachvollziehbaren Gründen sehen das die Nachfahren der schwarzen Namibianer anders, zumindest einige. Denn wie zuletzt auf einem Symposium im Deutschen Historischen Museum zu hören war, gibt es etliche afrikanische Stimmen, die das Abreißen der einst erzwungenen, seit langem aber auch identitätsstiftenden deutsch-namibisch – namibisch-deutschen „Entangled History“ für Geschichtsvergessenheit halten.

Also auch in Windhuk eher ein erklärendes Schild als eine Umbenennung? Warten wir es ab. Es gilt wie immer in der Geschichte: Der Ausgang ist offen, auch wenn man Wahrscheinlichkeiten ausmachen darf.

„Der größte aller deutschen Russland-Versteher war ohne Zweifel Otto von Bismarck“, schreibt der renommierte Historiker und Publizist Michael Stürmer jüngst in einem hochinteressanten Artikel der „Welt“.

Doch im dezidierten Gegensatz zu den zahlreichen „Russland-Verstehern“ und „Russland-Verklärern“ unserer Tage geht es ihm nicht darum, Deutschlands Verhältnis zu Russland unter Berufung auf den ersten deutschen Reichskanzler von „Schwärmerei und Dämonisierung“, sondern von „Abschreckung und Entspannung“ leiten zu lassen.

In der Tat: Wenn heute von interessierter Seite das Hohe Lied der Bismarck’schen Freundschaft zu Russland gesungen wird, wird nur zu gern ausgeblendet, dass der preußisch-deutsche Staatsmann das autokratische Zarenreich in all‘ seinen Widersprüchen mal als Partner, mal als militärische Bedrohung ansah.

Wenn wir Bismarcks Russlandpolitik heute als Orientierung nehmen wollen, müssen wir zwei Aufgaben lösen. Zunächst, den ‚ganzen‘ Bismarck in den Blick nehmen:

– den Bismarck, der mühsam die russische Sprache erlernte, um als Diplomat auf Posten in St. Petersburg auch mit dem Volk kommunizieren zu können;
– den Bismarck, der Zar Alexander II. als „asiatischen Despoten“ titulierte, obwohl der sich als Preußens „intimsten, wenn nicht alleinigen Freund“ rühmte;
– den Bismarck, der wegen der „Unberechenbarkeit der russischen Politik“ ein Bündnis mit dem autokratischen Zarenreich schloss, um sich vor der „roten Gefahr“ des Sozialismus wie auch des panslawistischen Chauvinismus zu schützen;
– den Bismarck, der Russland mit harter Schutzzollpolitik bekämpfte, um die deutsche Agrarwirtschaft vor unliebsamen Importen zu bewahren;
– den Bismarck, der Russland im Rückversicherungsvertrag machtpolitische Avancen machte, die anderen Abkommen des Deutschen Reichs diametral zuwiderliefen;
– den Bismarck, der Russland am Ende seiner Kanzlerschaft, wenn auch nur als reservatio mentalis, „freie Hand im Osten“ zuzugestehen bereit, um einen etwaigen Zweifrontenkrieg abzuwenden.

Und dann, das ist die zweite Aufgabe, sollten wir entscheiden, ob uns der Preis für die Wiederaufnahme seines Kurses annehmbar erscheint.

Vom Eisernen Kanzler stammt übrigens auch jener Satz, der vielleicht besser als alle Schwärmerei oder Dämonisierung Deutschlands Verhältnis zu Russland bestimmen kann: „Nur soll man nicht glauben, daß angenehme Eindrücke und Sympathien in der Politik maßgebend sind; da entscheiden schließlich doch die Interessen“.