80 Jahre Kriegsende – Frieden: ein Rundgang über den Waldfriedhof Aumühle-Wohltorf

Nikolaj Müller-Wusterwitz (l.) erzählte die Geschichte des Friedhofs und ausgewählter Grabstellen, die anregen, über die deutsche Geschichte nachzudenken.

Der erste Hinweis auf die bronzezeitlichen Gräber eröffnete einen kurzen Blick auf die lange Siedlungsgeschichte des Sachsenwaldes. Im Mittelpunkt sollten am vergangenen Sonnabend bei diesem Rundgang über den Waldfriedhof Aumühle-Wohltorf aber die Zeit des Nationalsozialismus und das Kriegsende 1945 stehen. Die Führung übernahm kenntnisreich Nikolaj Müller-Wusterwitz. Der Kulturwissenschaftler ist Mitglied des Friedhofsausschusses, außerdem bietet er regelmäßig für unsere Stiftung öffentliche Führungen durch das Bismarck-Museum und Friedrichsruh an. Dieser Rundgang stieß als Teil der Aumühler Veranstaltungsreihe „80 Jahre Kriegsende – Frieden“ auf große Resonanz: 53 Gäste schlossen sich an.

Der Waldfriedhof hat vor allem als Bestattungsstätte von Karl Dönitz eine zweifelhafte Berühmtheit erlangt. Der kurzfristige Nachfolger des Diktators Adolf Hitler war nach seiner Entlassung aus der Haft, die er als verurteilter Kriegsverbrecher verbüßte, zu seiner Frau nach Aumühle gezogen und dort 1980 verstorben. Sein Grab sowie der Gedenkstein für einen in Stalingrad gefallenen Soldaten werden bis in die Gegenwart gelegentlich genutzt, um NS-Devotionalien abzulegen, wie Nikolaj Müller-Wusterwitz berichtete. Weitere verfassungsfeindliche Objekte seien immer wieder auf der Grabplatte von Georg von Schönerer zu finden, einem österreichischen Alldeutschen, Bismarck-Verehrer und Antisemiten, der 1921 verstarb (siehe dazu: Schwierige Erbschaften). Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten, ob diese Gräber erhalten bleiben sollten – herauszuhören war die Auffassung, dass deren Fortbestand als Aufforderung zu verstehen ist, sich kritisch mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Beim weiteren Rundgang machte Nikolaj Müller-Wusterwitz auf Grabstellen aufmerksam, die die Demokratie und den Widerstand repräsentieren. Dazu zählt zunächst das Grab von Andreas Blunck. Der Jurist, Jahrgang 1871, war im Kaiserreich Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und des Reichstags sowie in der Weimarer Republik Mitglied der Nationalversammlung und kurze Zeit Reichsjustizminister. Er verstarb 1933.

Hervorzuheben ist die Gedenkstafel für Rüdiger Schleicher. Er gehörte zum Kreis der Widerstandskämpfer, die das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 und eine Neuorganisation des Deutschen Reichs planten. Schleicher wurde am 23. April 1945 zusammen mit seinem Schwager Klaus Bonhoeffer in Berlin erschossen.

Ein anderes Opfer des NS-Regimes ist auf dem Friedhof ohne Gedenkstein geblieben, aber inzwischen in Aumühle mit einem Stolperstein bedacht worden: Ein Sohn der Familie Pauly wurde 1944 im Rahmen der Euthanasie ermordet.

Ausführlich stellte Nikolaj Müller-Wusterwitz außerdem die Geschichte des Ehren- und Mahnmals vor, mit dem der Toten beider Weltkriege gedacht wird. Zum Ensemble dieser Anlage gehört auch ein Gedenkstein für sowjetische Kriegsgefangene, die zwischen 1941 und 1943 in der näheren Umgebung zu Tode gekommen sind. An diesem zentralen Ort des Waldfriedhofs findet alljährlich am Volkstrauertag eine Gedenkveranstaltung statt.

Abgerundet wurde dieser informative Spaziergang über das Gelände mit einigen Hinweisen auf kunsthistorisch wertvolle Gedenkorte, wie dem kleinen Schrein zu Ehren von Oberförster Peter Lange und seinem gleichnamigen Enkel, der 1915 in Frankreich fiel. Die dekorative Ausgestaltung geht auf den renommierten Bauplastiker Richard Kuöhl zurück. Der Entwurf der Grabstätte der Familie Pauly stammt von Ernst Barlach. Ein Bronze-Engel, der ursprünglich die Anlage zierte und 1950 gestohlen, soll als Keramikfigur in naher Zukunft dort wieder seinen Platz finden.

Auswahl der weiteren Veranstaltungen im Rahmen der Reihe „80 Jahre Kriegsende – Frieden“:

Donnerstag, 5. Juni, 19:00 Uhr
Was bedeutet Pazifismus? Öffentliche Podiumsdiskussion
Festsaal, Schloss Reinbek

Freitag, 6. Juni, 17:00 Uhr
Setzung des Stolpersteins für Paul Lamp’l
Sachsenwaldstr. 33, Aumühle

Donnerstag, 12. Juni, 19:30 Uhr
Castle Looted by British Troops – Die vergessene Plünderung von Schloss Glücksburg, Vortrag von Kai Wittmacher (Kiel)
Historischer Bahnhof Friedrichsruh

Donnerstag, 13. November, 19:30 Uhr
Großadmiral Karl Dönitz – Unbelehrbar und uneinsichtig bis zum Ende seines Lebens, Vortrag von Prof. Dr. Michael Epkenhans
Historischer Bahnhof Friedrichsruh