Aus der Zeit gefallen – Rückblick auf den Vortrag über Ludwig II. von Bayern

Ludwig II. von Bayern, Bismarck-Museum Friedrichsruh (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

Ludwig II. von Bayern (1845 – 1886) pflegte einen extravaganten Lebensstil, baute aufsehenerregende Schlösser, starb früh und wurde zur Legende. Damit allerdings ist der bayerische König keineswegs ausreichend beschrieben, wie Dr. Christoph Botzenhart auf Einladung der Otto-von-Bismarck-Stiftung in seinem Online-Vortrag aufzeigte. Der Rückzug des (vermeintlichen) „Märchenkönigs“ aus der Öffentlichkeit sei nicht aus Desinteresse geschehen, so die zentrale These des Historikers, sondern durch ein Leiden an der politischen Situation bedingt gewesen.

In einer politisch sehr bewegten Zeit stand Ludwig II. 22 Jahre lang als regierender König an der Spitze eines bedeutenden deutschen Staates. Botzenhart erläuterte unter Hinweis auf die bayerische Verfassung von 1818 zunächst dessen Rechte und Pflichten: In dieser konstitutionellen Monarchie war der König voll und ganz in die Regierungsgeschäfte eingebunden, er berief die Minister, die sich nicht dem Landtag zu verantworten hatten, und ernannte die Reichsräte, die eine der beiden Kammern des bayerischen Landtages bildeten. Die Gesetzgebung konnte nur gemeinschaftlich durch König und Landtag erfolgen, wobei letzterer auch noch über das Budgetrecht verfügte.

Dr. Christoph Botzenhart zeigte Ludwig II. als politischen Monarchen, nicht als Märchenkönig

Botzenhart arbeitete in seinen Vortrag heraus, mit welchen Schwierigkeiten – auch bedingt durch seine Persönlichkeit – Ludwig II. konfrontiert war. Mit gerade einmal 18 Jahren zum König geworden, hatte er sich zwar schnell auch in komplizierte politische Fragen eingearbeitet, sah sich bei der Durchsetzung seiner eigenen Vorstellungen aber durch die mächtige bayerische Bürokratie ausgebremst. Ludwig II. hatte selbst allerdings auch ein gravierendes Akzeptanzproblem: Er war nicht nur ein glühender Verehrer des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV., sondern war auch von seinem eigenen Gottesgnadentum überzeugt. Diese Selbstwahrnehmung hielt ihn fast seine gesamte Regierungszeit über davon ab, sich im Landtag politische Verbündete zu suchen. Das Drängen des Volkes auf Mitbestimmung blieb ihm fremd. Botzenhart ordnete Ludwig II. angesichts dieser Grundeinstellung im Kontext des politisch bewegten 19. Jahrhunderts als „Anachronismus“ ein.

Weder von den Beamten seines Staates noch vom Landtag in seinen „hochgespannten Absichten“ unterstützt, so die weitere Analyse Botzenharts, floh Ludwig II. aus den Staatsgeschäften und pflegte nur noch wenig Kontakt zu seinen Ministern. Allerdings zeige der umfangreiche Aktenbestand, dass er sich dennoch während seiner gesamten Regierungszeit intensiv um einige politische Themen gekümmert habe. Sein größtes Anliegen sei die Bewahrung der Eigenständigkeit Bayerns gewesen.

Hatte Bayern im Deutschen Krieg 1866 auf der Seite der Verlierer gestanden, hoffte der Monarch im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 mit einer schnellen Mobilisierung und damit tatkräftigen Unterstützung Preußens die bayerische Unabhängigkeit zu sichern. Das Gegenteil sollte eintreten – schließlich war es dann doch Ludwig II., der auf Bitten Otto von Bismarcks in einem Brief dem preußischen König Wilhelm I. 1871 die deutsche Kaiserwürde antrug.

Schloss Neuschwanstein (© Natalie Wohlleben)

Botzenhart betonte, dass der Beitritt Bayerns zum Deutschen Reich aus politischen wie wirtschaftlichen Gründen unvermeidbar gewesen sei. Ob die Summen, die Reichskanzler Otto von Bismarck dem bayerischen König als Dankeschön für die Zustimmung für diesen Beitritt zukommen ließ, tatsächlich als Korruption zu werten seien, bezweifelte der Historiker allerdings. In jener Zeit seien Gratifikationen durchaus üblich gewesen – allerdings erhielt der hochverschuldete Ludwig II. diese Zuwendungen nicht offiziell, sondern über geheime Kanäle und verwendete sie für den Weiterbau seiner Schlösser.

Die Könige in den deutschen Ländern des 19. Jahrhunderts hätten ihre Rolle nur durch die Wahrnehmung von Repräsentationsaufgaben erhalten und festigen können, betonte Botzenhart. Ludwig II. aber sei sehr menschenschau gewesen und habe nicht repräsentieren wollen – oder können. Und so sei er als König gescheitert.

 

Literatur:

Christof Botzenhart
Ein Schattenkönig ohne Macht will ich nicht sein. Die Regierungstätigkeit König Ludwigs II. von Bayern
München 2004