100 Köpfe der Demokratie zwischen zwei Buchdeckeln

Sie gehören zu den „100 Köpfen der Demokratie“ in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs: der Zentrumspolitiker Ludwig Windthorst und die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm
200 Jahre deutsche Demokratiegeschichte, in absteigender Chronologie nach den Geburtsdaten wichtiger Persönlichkeiten erzählt: Die gedruckte Ausgabe des Projekts „100 Köpfe der Demokratie“ lädt insbesondere ein junges Publikum ein, in einer langen politischen Entwicklung zurückzublättern.
Der jüngste Eintrag ist der Dichterin und Aktivistin May Ayim (1960 – 1996) gewidmet, der älteste am Ende des Bandes Georg Forster (1754 – 1794), einem wichtigen Ideengeber der Mainzer Republik, die 1792/93 das erste Demokratie-Experiment in Deutschland war. Dazwischen sind 98 weitere Porträts zusammengestellt, die von festen Überzeugungen, streitbaren Ansichten und auch politischen Verirrungen zeugen. Einige der Ideen sind „mit der Gegenwart einer liberalen und repräsentativen Demokratie in Deutschland kaum oder gar nicht vereinbar“, schreibt Herausgeber Dr. Jan Ruhkopf, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus, im Vorwort. Und so wird sichtbar, dass sich die Vorstellung davon, was eine Demokratie ausmacht, seit ihrer „‚Erfindung‘“ (Ruhkopf) immer wieder verändert.
Der Band besticht durch seine Übersichtlichkeit, nicht nur in der Sortierung: Jede Persönlichkeit – gelegentlich sind es auch Doppelporträts – wird auf zwei Seiten vorgestellt, links der Text und rechts eine Illustration von Simon Schwartz. Der namhafte Comickünstler zeigt den jeweiligen „Kopf der Demokratie“ in seiner historischen Situation. Der Bildermangel vor allem aus dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert wird damit geschickt umgangen. Schwartz hat nach Möglichkeit besonders prägnante Zitate in seine Zeichnungen integriert, etwa von Willy Brandt („Wir wollen eine Gesellschaft, die mehr Freiheit bietet und mehr Mitverantwortung fordert“) oder Hedwig Dohm („Menschenrechte haben kein Geschlecht“).
Der Band ergänzt das Digitalprojekt „100 Köpfe der Demokratie“, das 2020 online gestellt wurde und auf der Website der Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte zu finden ist. Zum Start waren alle Politikergedenkstiftungen gefragt, welche Persönlichkeiten vorgestellt werden sollten. Die Federführung übernahm die Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus, die finanziellen Mittel stellte die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien zur Verfügung. Das Projekt wurde seitdem weiterentwickelt. Die Anzahl der Porträts ist auf deutlich über 100 angewachsen, die Präsentation im Internet rotiert. Dabei besteht die Möglichkeit, nach Epochen oder regionaler Herkunft zu filtern. Für die Zeit des Deutschen Kaiserreichs werden beispielsweise der Sozialdemokrat August Bebel, die Frauenrechtlerin Minna Cauer und der Zentrumspolitiker Ludwig Windthorst vorgestellt. Jedes Porträt wird um nützliche Literaturhinweise und Links ergänzt. Außerdem stehen Materialien für den Schulunterricht zur Verfügung, die kostenfrei heruntergeladen werden können.
Wer einen neuen „Kopf der Demokratie“ vorschlagen möchte, ist eingeladen, dafür das Formular unter „Mitmachen“ zu nutzen.
Jan Ruhkopf (Hrsg.)
100 Köpfe der Demokratie
Starke Stimmen für ein Leben in Freiheit
Illustriert von Simon Schwarz
München 2025