Zwischen Diplomatie und Kurschatten – Neujahrsempfang mit Vortrag über Bismarcks Erholungsreisen

Über 100 Gäste waren der Einladung zum Neujahrsempfang gefolgt und hörten den kurzweiligen Festvortrag „Bismarck in Badehose“. (Fotos: Jürgen Hollweg)

Das 19. Jahrhundert prägte inhaltlich und musikalisch unseren Neujahrsempfang, zu dem wir gemeinsam mit unserem Förderverein am vergangenen Freitag in den Historischen Bahnhof Friedrichsruh eingeladen hatten. Nur zum Auftakt standen Gegenwart und Zukunft im Mittelpunkt, als unser Vorstandsvorsitzender Norbert Brackmann in seiner Begrüßungsrede einen Überblick über die Pläne in Friedrichsruh und Schönhausen gab.

Sanierungsvorhaben

Für die umfangreiche Sanierung des Stiftungssitzes in Friedrichsruh, die das Museum, den Historischen Bahnhof und das Archivgebäude umfassen wird, liegt mittlerweile eine Machbarkeitsstudie mit vier Varianten vor. Diese wurden bereits mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde diskutiert: Eine vorläufige Einigung auf eine Variante, die den Platzbedarf für Ausstellungen, Veranstaltungen und Büroräume ausreichend berücksichtigt, war schnell gefunden. Für die nächsten Planungsschritte stehen aus dem Bundeshaushalt voraussichtlich fünf Millionen Euro zur Verfügung. Die geschätzten Kosten des Gesamtvorhabens bezifferte Norbert Brackmann im Bereich von 40 Millionen Euro. An die Gemeinde Aumühle richtete er die Bitte, die Stiftung tatkräftig zu unterstützen, sollte eine Sanierung im Bestand des Bismarck-Museums nicht möglich sein und ein Bauleitverfahren zur Erstellung eines Bebauungsplans notwendig werden. Die Stiftung werde in der ersten Jahreshälfte 2025 eine entsprechende Bauvoranfrage stellen. Der Vorstandsvorsitzende betonte, dass die Sanierung Friedrichsruh als attraktiven Standort mit Ausstrahlung auf die Region stärkt.

Eine vergleichbare Strahlkraft wird sich auch an unserem Standort in Schönhausen/Elbe entwickeln. Dort hat bereits die Restaurierung des historischen Kornspeichers begonnen. Diesen haben wir im vergangenen Jahr zusammen mit dem sogenannten Inspektoren- oder Gärtnerhaus, in dem sich unsere dortigen Büroräume befinden, sowie dem Restflügel des Geburtshauses Otto von Bismarcks, in dem das Museum beheimatet ist, übernommen. Die Gemeinde lässt in diesen Wochen aus Mitteln der Fluthilfe Außenwände und Dach des Speichers instand setzen. Anschließend stehen uns 3,5 Millionen Euro Bundesmittel für den Innenausbau und die Einrichtung einer neuen Ausstellung zur Verfügung.

Bismarck in Badehose

Den Festvortrag des Abends hielt Dr. Pauline Puppel; sie ist Archivarin im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin, sowie Vorstandsvorsitzende des Fördervereins. In einer Tour d’Horizon unter dem Titel „Bismarck in Badehose“ zeigte sie die Bedeutung der europäischen Kurorte im 19. Jahrhundert für politische Begegnungen auf sowie die höchst unterschiedlichen Facetten von Bismarcks Aufenthalten. Er hatte schon im Alter von drei Jahren seine Mutter zur Kur begleitet. Als Ministerpräsident und Reichskanzler wurden die Kuren dann zu einem wichtigen Mittel, um wieder etwas gesünder zu werden: Bismarck rauchte, aß und trank zu viel. Dr. Puppel konnte auf der Basis von umfangreichem Archivmaterial – unter anderem Briefe Johanna von Bismarcks, die im Geheimen Staatsarchiv aufbewahrt werden, sowie online zugängliche historische Kurlisten – auch zahlreiche politische Treffen nachvollziehen: In den Kurorten boten sich Politikern wie Monarchen gute Gelegenheiten, (scheinbar) zufällig aufeinanderzutreffen. Bismarcks Kurreisen waren allerdings nicht nur der Wiederherstellung der Gesundheit und der Diplomatie gewidmet, sondern dienten ihm auch der persönlichen Zerstreuung – genannt wurden seine beiden „Kurschatten“ Katharina Orlowa und Pauline Lucca.

Musikalische Begleitung

Amelie Corinna Dahl (Sopran) und Malte Henrik Gohr (Klavier) begleiteten das Programm mit drei Liedern: „An die Musik“ von Franz Schubert, „Ich liebe Dich“ von Ludwig van Beethoven und „Auf Flügeln des Gesangs“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Im Anschluss fand in den Räumen unserer Dauerausstellung „Otto von Bismarck und seine Zeit“ der traditionelle Empfang statt, der die Gelegenheit für viele interessante Gespräche bot.

Norbert Brackmann, Vorstandsvorsitzender der Otto-von-Bismarck-Stiftung, begrüßte die Gäste und informierte über aktuelle Bauvorhaben.

Amelie Corinna Dahl (Sopran) und Malte Henrik Gohr (Klavier) begeisterten mit drei gefühlvoll vorgetragenen Liedern.

Dr. Pauline Puppel hatte für ihren Vortrag umfangreiches Archivmaterial ausgewertet.

Zu sehen war nicht „Bismarck in Badehose“, sondern der erste Reichspräsident Friedrich Ebert. Der Fotograf hatte sich 1919 nicht an das Versprechen gehalten, das Bild nicht zu veröffentlichen.

Dr. Ulf Morgenstern, Geschäftsführer der Otto-von-Bismarck-Stiftung, dankte seinem Team und dem Förderverein für die gemeinsame Ausrichtung des Neujahrsempfangs.

 

Alte Bekannte im besten Sinne: Dieter Giese, Alt-Bürgermeister der Gemeinde Aumühle (l.), und Prof. Dr. Michael Epkenhans, Gründungsgeschäftsführer der Otto-von-Bismarck-Stiftung

 

Historiker unter sich: Prof. Dr. Manfred Hettling (Universität Halle-Wittenberg, l.) und unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Daniel Stienen

Im Gespräch mit Gästen: Andrea Tschacher, stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins und schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete

Zum ersten Mal dabei: Die Malerin Claudia Koopmann, hier mit unserem Haustechniker Heiko Triolo, hat bereits mehrmals im Historischen Bahnhof ausgestellt.

Ein lokaler Plausch: Alexander Bargon, 2. stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Aumühle (r.) und seine Ehefrau Monika im Gespräch