Bismarckbüsten an Büchereien und anderen Hauswänden

Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Montag, den 29. Februar 2016 um 11:45 Uhr

Der Bismarck-Kult des späten Kaiserreichs trieb bekanntlich merkwürdige Blüten. Neben den zahlreichen Denkmälern und Türmen, die ihm zu Ehren errichtet wurden, oder den Straßen und Plätzen, die nach ihm benannt wurden, gab es vielgestaltige andere Ehrungen im öffentlichen Raum. Eine besondere Gruppe sind die Büsten an Gebäudefassaden. Diese gab es an öffentlichen Gebäuden, wobei das affirmative Anliegen durch die staatsnahe Platzierung gewissermaßen obrigkeitlich inszeniert und approbiert war. Aus heutiger Sicht eigenartige Kontexte dieser Ehrungen boten Bibliotheken. So wurde die Büste des Reichsgründers über dem Portal der 1915 eröffneten Deutschen Bücherei in Leipzig neben denen Gutenbergs und Goethes anegebracht. Der Bezug der letzten beiden zur Nationalbibliothek des Deutschen Reiches ist erkennbar über die Gegenstände Buch und Dichtung; Bismarck steht neben ihnen primär für die Gründung des Deutschen Reiches, die die Grundlage für den Bau einer National- „Bücherei“ war.

So dachte ich zumindest bisher. Nun lässt eine Zusendung von Julius Jansen aus Tübingen aber noch eine andere Assoziation zu. In der schwäbischen Universitätsstadt wurde der Kanzler nämlich auch an der Schauseite einer Bibliothek angebracht, allerdings dezidiert in der Rubrik „Denker“.

Bismarck befindet sich dort in bester Gesellschaft mit Kant, Leibniz, Luther, da Vinci und Plato. Neben diesen gibt es noch eine Gruppe von Dichtern: Homer, Dante, Shakespeare, Goethe, Schiller und – in Schwaben unvermeidbar – Uhland.

An den Hauswänden privater Gebäude ist der Kanzler a.D. in der Regel nicht Teil einer größeren Figurengruppe. Hier findet er sich entweder als solitäre Büste (etwa in Dresden am Körnerplatz 2, an der Regerstraße 24 oder als Medaillon an der Weißeritzbrücke in Löbtau) oder in dem ihm angestammten politisch-monarchischen Milieu Preußens neben Königen und Militärs (etwa in Merseburg in der Straße „Weiße Mauer 18“).

Kennen Sie weitere Bismarck-Applizierungen an Fassaden und die Geschichten dahinter? Dann schreiben Sie uns, wir sammeln diese Kuriosa der Politikerverehrung des Kaiserreichs in unserem Projekt Bismarckierung und veröffentlichen Sie in losen Abständen auf unserer Homepage.

Unsere Abbildung zeigt Bismarck am Tübinger „Bonatzhaus“, (wikicommons).

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