Das besondere Exponat

Objekte aus der Sammlung der Otto-von-Bismarck-Stiftung

Anne Louise Germaine Baronin de Staël-Holstein (1766 – 1817), Punktierstich von Edward Scriven (1775 – 1841), nach François Pascal Simon Gérard (1770 – 1837), Großbritannien, 1835, Papier (Otto-von-Bismarck-Stiftung Friedrichsruh, Inventar-Nr.: ZSg 2760)

Auch wenn kriegerische Auseinandersetzungen insbesondere in der frühen Neuzeit Spuren im kollektiven historischen Gedächtnis von Deutschen und Franzosen hinterließen, führte dies noch nicht zu beiderseitigen Hassgefühlen. Eine jahrhundertealte „Erbfeindschaft“ zwischen beiden Völkern existierte bis dahin nicht. Erst mit der Entstehung einer nationalen Identität beiderseits des Rheins infolge der Französische Revolution und der Napoleonischen Kriege wurde der Nachbar zum potenziellen „Feind“. Dichter und Schriftsteller trugen mit ihren Schriften zum Abbau, aber auch zur Verbreitung der Feindbilder bei. Bis 1870 wechselten jedoch gegenseitige Gleichgültigkeit, Neugier und Bewunderung sowie Furcht und Feindschaft einander ab.

Anne Louise Germaine Baronin de Staël-Holstein („Madame de Staël“) war eine französische Schriftstellerin und Tochter des aus Genf stammenden Bankiers und Finanzministers Ludwigs XVI., Jacques Necker (1732 – 1804). Schon als Jugendliche interessierte sie sich für Literatur und Politik. Ihre liberale Einstellung machte sie zur Gegnerin Napoleons I. Zeitweise musste sie deswegen Frankreich verlassen. Sie unterhielt in Paris einen literarischen Salon und verfasste Romane und literaturtheoretische Schriften, veröffentlichte aber auch Werke mit politischem Inhalt.

Ihr bedeutendstes Werk, das zeitweise in Frankreich verbotene Buch „De l’Allemagne“ („Über Deutschland“), erschien 1813 in London in französischer Sprache und in einer englischen Übersetzung. Die Autorin verarbeitete darin die Erlebnisse während ihrer Deutschlandreisen 1803/04 und 1807/08. Sie schildert die Deutschen als begeisterte Anhänger von Literatur, Musik und Philosophie, aber auch als ein politisch rückständiges Volk. Innerhalb weniger Wochen nach Erscheinen wurden rund 70.000 Exemplare des Werks verkauft. Das gelobte, aber auch geschmähte Buch machte deutsche Literatur und Lebensart nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa einem größeren Publikum bekannt. Germaine de Staël starb 51-jährig an den Folgen eines Schlaganfalls.


Dieses besondere Exponat wurde in der Sonderausstellung „1870/71. Reichsgründung in Versailles“ gezeigt, der Katalog ist in unserem Online-Shop und in unseren Ausstellungshäusern in Friedrichsruh erhältlich.

Zuvor erschienen: Das besondere Exponat: Das besondere Exponat: Ghosts at Versailles

 

Ghosts at Versailles, Karikatur von Bernard Partridge (1861 – 1945), erschienen in: The Punch, Großbritannien, 7. Mai 1919 (Druck, © Otto-von-Bismarck-Stiftung, Inventar-Nr.: ZSg 2757)

An der Pariser Friedenskonferenz, die am 18. Januar 1919, genau 48 Jahre nach der Kaiserproklamation von 1871, eröffnet wurde, nahmen die Siegermächte des Ersten Weltkrieges teil. Bis Ende Mai arbeitete eine interalliierte Vorkonferenz die Friedensbedingungen ohne die Beteiligung der unterlegenen Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn aus. Erst danach wurden die Bedingungen den Mittelmächten und deren Nachfolgestaaten vorgelegt. Die folgenden Verhandlungen verliefen kurz und zumeist schriftlich.

Die englische Satirezeitung The Punch veröffentlichte am 7. Mai 1919, also noch während der internen Verhandlungen der Alliierten, eine Karikatur, die Kaiser Wilhelm II. am Schreibtisch sitzend zeigt. Er trägt eine preußische Uniform und eine Pickelhaube, um ihn in den Augen der Leser eindeutig als deutschen Militär zu identifizieren. Widerwillig muss er mit einer Feder seine Unterschrift unter ein Dokument mit der Aufschrift „Peace Terms 1919“ setzen. Der Spiegelsaal des Versailler Schlosses wird durch die hohen Glasfenster symbolisch dargestellt.

Im Hintergrund erscheinen schemenhaft – als Geister dargestellt – drei Herren, die 48 Jahren zuvor ebenfalls im Spiegelsaal standen: General Helmuth von Moltke (d. Ältere), Reichskanzler Otto von Bismarck und in der Mitte Kaiser Wilhelm I. Die Kaiserproklamation von 1871 – die Zahl wird ebenfalls schemenhaft zur Verdeutlichung der Aussage über den Köpfen dargestellt – wird somit in direktem Zusammenhang mit dem neuerlichen Ereignis in Versailles gebracht.

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Zusam[m]enkunft der National-Versammlung im Ballspielhause zu Versailles den 19. Jun. 1789, Kupferstich von Paul Jakob Laminit (1773 – 1831), Deutschland, 1794, Papier (Otto-von-Bismarck-Stiftung, Inventar-Nr.: ZSg 2738)

In loser Folge stellen wir ausgewählte Darstellungen und Objekte aus dem Katalog der Sonderausstellung „1870/71. Reichsgründung in Versailles“ vor:

Am 5. Mai 1789 erfolgte die Einberufung der Generalstände durch König Ludwig XVI. im Großen Saal des Hôtel des Menus Plaisirs du Roi, einem Verwaltungsgebäude des königlichen Hofes in Versailles. Bei den Generalständen handelte es sich um eine Versammlung von rund 1.200 gewählten Vertretern aus Adel, Geistlichkeit und Bürgertum. Die Generalstände sollten Steuerreformen genehmigen. Stattdessen legten sie dem König einen Katalog mit Wünschen und Beschwerden vor.

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