Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Freitag, den 16. Oktober 2015 um 07:48 Uhr

Der Tagungsbericht zur Frankfurter Konferenz vom 3. bis 4. September über „Europäische Kulturkämpfe und ihre gegenwärtige Bedeutung“ ist bei HSozuKult erschienen und füllt seit gestern Abend den elektronischen Orkus noch ein wenig mehr an.

Die Otto-von-Bismarck-Stiftung dankt den Mitveranstaltern vom Institut für Ethik und angrenzende Sozialwissenschaften der Universität Münster, vom Europäischen Institut für interkulturelle und interreligiöse Forschung (Triesen/Liechtenstein) und von der Evangelischen Akademie Frankfurt für die Zusammenarbeit bei dieser anregenden Tagung.

Besonders gilt dies für die Gastgeber in Frankfurt und für Justus Bernhard in Münster, der sich der Mühe unterzogen hat, das an zwei Tagen Gehörte in knapper Form zu Papier zu bringen.

Zum Bericht geht es hier.

von Dr. Ulf Morgenstern

Bismarcks fast ausgefallener 100. Geburtstag zwischen den Fronten

Was hätten das für Feiern werden können? Am 1. April 1915 wäre für die Bismarck-Deutschen ein einmaliger Nationalfeiertag gewesen, für den vielleicht sogar Wilhelm II. schulfrei gegeben hätte. Und wenn nicht, dann hätten die protestantischen Studienräte zwischen Rheinland und Ostpreußen ihren Schülern auf eigene Faust einen patriotischen Frühlingstag verordnet. Ergreifende Reden und stolze Lieder wurden zwar wie geplant landauf, landab vorgetragen, aber unter völlig anderen Bedingungen.

Bismarcks 100. Geburtstag war langfristig vorbereitet worden. Neue Bismarcktürme waren errichtet, vorhandene herausgeputzt worden, der Bau eines Bismarck-Nationaldenkmals war beschlossene Sache, Historiker und Publizisten saßen über den Manuskripten neuer Biographien über den Reichskanzler und eine ganze Kitschartikel-Industrie bereitete sich auf den reißenden Absatz von Aschenbechern, Rasierklingen und Wandtellern mit dem Antlitz des Verehrten vor. Doch dann befand sich das Deutsche Reich seit August 1914 in jenem Krieg, den der verklärte “Alte” immer hatte vermeiden wollen. Ob er es 1914 überhaupt gekonnt hätte? Diese Frage beantwortete die Mehrheit der Deutschen mit einem deutlichen Ja. Die Einwände der Sozialdemokraten, einiger Zentrumsangehöriger und Linksliberaler wurden von einem Hurra-Patriotismus übertönt, der seit dem letzten Lebensjahrzehnt Bismarcks eigenartige Formen angenommen hatte.

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Eichenstamm mit eisernem Amboss, dazu sieben Werkzeuge und diverse Verziehrungen, beschriftet mit „Nord-Süd“.

Betritt man den vierten Raum des Bismarck-Museums in Friedrichsruh, so fällt neben dem riesigen Gemälde, welches die Kaiserproklamation von 1871 zeigt, vor allem ein Exponat sofort ins Auge: Ein eiserner Amboss auf einem massiven Eichenstamm. Reich sind die Verzierungen dieses Geschenks, welches der Altreichskanzler Otto von Bismarck zu seinem 80. Geburtstag am 1. April 1895 von den Bergischen Schmieden in Remscheid überreicht bekam.

So wird der Amboss zum einen von einem vergoldeten Lorbeerkranz geschmückt – ein Sinnbild für Sieg und Patriotismus. Zum anderen findet man einen Eichenzweig und natürlich den Eichenstamm, der das Gerüst des Exponats bildet: Die Eiche ist seit jeher ein Symbol der deutschen Mentalität und steht für Stärke, Beständigkeit und Treue. Auch der Ledergurt, welcher um den Eichenstamm gespannt wurde und einige der sieben Werkzeuge hält, steht symbolisch für Haltbarkeit. Weiterhin findet man auf dem Museumsstück eine kleine Kaiserkrone und das Abbild eines Reichsadlers, welche sehr zentral auf dem Objekt angeordnet sind.

Der Amboss und die Werkzeuge, auf die das Augenmerk hauptsächlich fällt, vertritt die wichtigste Symbolik des Exponats: Bismarck als „Schmied des Deutschen Kaiserreiches“. Auch die Schriftzüge „Nord“ und „Süd“, die sich auf den Hälften einer Eisenstange auf dem Exponat befinden, und die Wappen der sieben deutschen Bundesstaaten symbolisieren den Zusammenschluss der süddeutschen Staaten und dem Norddeutschen Bund zu einem vereinigten Kaiserreich.

Die Bezeichnung Bismarcks als „Reichsschmied“ ist ein schon von den Zeitgenossen häufig benutzter Begriff und spielt auf die Tatsache an, dass es vor allen Dingen der Politik des Altreichskanzlers zu verdanken ist, dass 1871 aus Deutschland, welches wenige Jahre zuvor noch aus verschiedenen Territorialstaaten bestand, das Deutsche Kaiserreich hervorging. Bereits 1866, nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg, aus dem Preußen als Sieger hervorging, hatte Bismarck für die Annexion der deutschen Staaten gesorgt, die auf der Seite Österreichs gestanden hatten. Die mit Preußen verbündeten norddeutschen Staaten bildeten seit 1867 mit der Hohenzollern-Monarchie den Norddeutschen Bund. Dieser gilt als Vorläufer des deutschen Nationalstaates.

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Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Donnerstag, den 08. Oktober 2015 um 13:35 Uhr

Im letzten Jahr veranstaltete die Otto-von-Bismarck-Stiftung gemeinsam mit dem Archiv des Liberalismus ein Kolloquium über das Thema „Bismarck und die Liberalen“. Den Chefstrategen in Gummersbach ist nun gelungen, was beide Veranstalter erhofften: Die Vorträge der Friedrichsruher Konferenz liegen nach gerade einmal zehn Monaten (sic!) als Beiträge im neuen Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 27 Jg. (2015) vor.

Acht Aufsätze über Bismarcks Verhältnis zu liberalen Zeitgenossen bzw. seine spätere Rezeption durch Liberale Politiker und Denker des 20. Jahrhunderts machen das Jahrbuch diesmal zur Hälfte zu einem Bismarck-Sammelband. Und zwar zu einem hochinformativen! Wir danken Herrn Dr. Jürgen Frölich vom Archiv des Liberalismus für das effektive Erzeugen von Hochdruck bei den Autoren. Das Jahrbuch kann beim Verlag bestellt werden.

In den 1970er Jahren fertigte die Fahrrad-Schmiede „Bismarck“ in Radevormwald, der Zweirad-Mode entsprechend, auch Klappräder mit dem Namen des Reichsgründers. Diese merkwürdigen Fahrzeuge sind bei Liebhabern älterer Fortbewegungsmittel begehrt und der gegenwärtige Boom des Klapprads bei den großstädtischen Hipstern an Alster, Spree und Isar wird sicher noch das eine oder andere Bismarck-Klapprad den Weg aus Omas Keller ins Angebot von Ebay-Kleinanzeigen finden lassen. Was aber ist ein bitte schön Bismarck-Klappaltar?

Die Antwort ist einfach: ein für die private Bismarck-Verehrung in den heimischen vier Wänden gefertigter Reliquien-Schrein, s. Bild links. Wenn er uns nicht angeboten worden wäre, wir hätten es nicht geglaubt! Tatsächlich hat ihn ein Bismarck-Fan im Jahr 1904 für  eine sicher ordentliche Summe bei dem renommierten Buchbinder und Leder-Kunst-Handwerker Georg Hulbe (1851-1917) in Auftrag gegeben. Hulbe kam 1880 mit seiner Werkstatt aus Kiel nach Hamburg. Seine besondere Aufmerksamkeit widmete er dem Lederschnitt, dessen althergebrachte Tradition er in den neo-historistischen Hochzeiten des ausgehenden 19. Jahrhunderts erfolgreiche erneuerte. 1895 erhielt er den Auftrag für sämtliche Lederstühle und Ledertapeten des Berliner Reichstages und etwas später auch für das Hamburger Rathaus. Hulbe expandierte und eröffnete Verkaufsstellen in Hamburg, Frankfurt am Main und Berlin. Neben Möbeln und Tapeten aus Leder stellte er u.a. Schreibmappen, Paravents und Schatullen her.

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28 Jahre war Deutschland durch die Mauer geteilt, seit 25 Jahren ist es wiedervereint. Setzt man die vielen Zeitgenossen endlos erschienene Phase der Trennung neben das nunmehr volle Vierteljahrhundert seit der Wiedervereinigung, wird klar, dass der 3. Oktober 1990 ein immer historischer werdendes historisches Datum ist. Lebhaft in Erinnerung gerufen wurden die Ereignisse der Jahre 1989/90 durch zwei einstige aktive Gestalter der „großen Politik“. Zur Eröffnung einer Wanderausstellung der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur (Berlin) unter dem Titel „Der Weg zur Deutschen Einheit 1989/90“ waren Dr. Rudolf Seiters (CDU) und Hans-Ulrich Klose (SPD) am 4. Oktober in den Sachsenwald gekommen.

Der Vorsitzende und der Stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der Otto-von-Bismarck-Stiftung teilten ihren je eigenen Erfahrungsschatz mit einem großen Kreis von Zuhörern. Seiters, seinerzeit Chef des Bundeskenzleramts und verantwortlich für die Ausreise der Botschaftsflüchtlinge in Prag, Warschau und Budapest, erinnerte an den wohlgeordneten Umgang mit dem Unerwarteten.

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Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Donnerstag, den 01. Oktober 2015 um 08:04 Uhr

Die Friedrich-Ebert-Stiftung lädt Sie ganz herzlich zur Podiumsdiskussion ein:

Blick zurück im Zorn? Bilanz und Ausblick zu Bismarcks 200. Geburtstag

Montag, den 26. Oktober 2015, 19 Uhr im Julius-Leber-Forum (Rathausmarkt 5, 20095 Hamburg)

„Held oder Hering?“ – diese Frage stellte die Zeitschrift CICERO im Bismarck-Jubiläumsjahr 2015. An dem „eisernen Kanzler“ scheiden sich bis heute die Geister. Die einen verehren ihn als Gründer eines deutschen Nationalstaats und gewieften Außenpolitiker. Die anderen verdammen ihn als Reaktionär, der seine politischen Gegner verfolgen ließ. Und doch knüpfen selbst Bismarcks einstige Kritiker heute an sein Vermächtnis an. Bismarcks Russlandpolitik wird von Altkanzler Gerhard Schröder zur Nachahmung empfohlen, seine Sozialpolitik gilt Arbeitsministerin Andrea Nahles als Inspiration.

Hat sich die historische Wahrnehmung Bismarcks geändert? Blicken Arbeiterbewegung und Sozialdemokratie heute nicht mehr zurück im Zorn? Und was bedeutet das für die Zukunft der Erinnerung an Bismarck?

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