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In der Ausstellung zu sehen: „Der Radicale – Der Liberale – Der Conservative“. Die Zeitungs-Politiker, Leipzig, 1849, Lithografie (Reproduktion) © Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig

Die Wechselwirkungen zwischen der politischen Öffentlichkeit und den modernen Medien beleuchtet zurzeit die Ausstellung „Von Luther zu Twitter“. Zu sehen ist sie bis zum 11. April 2021 im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Allen Interessierten, die angesichts der aktuellen Infektionszahlen mit dem Coronavirus von einer Fahrt in die Hauptstadt absehen, sei der informative Begleitband empfohlen, in dem auch wichtige Entwicklungen im 19. Jahrhundert aufgezeigt werden. In einem der Beiträge analysiert Prof. Dr. Ulrich Lappenküper, Geschäftsführer unserer Stiftung, wie Otto von Bismarck die Medien seiner Zeit nutzte und zu instrumentalisieren versuchte.

Für Bismarck „waren Zeitungen zunächst vor allem ein unverzichtbares Mittel der Informationsbeschaffung“, schreibt Lappenküper. „Schon als Schüler hatte er seiner Mutter aus französischen Blättern vorgelesen, um sie über den Verlauf der Juli-Revolution von 1830 zu informieren.“ Zum Politiker geworden, gewann für ihn ein zweites Medium an Bedeutung, das im 19. Jahrhundert die Nachrichtenübermittlung und damit auch die Berichterstattung in der Presse revolutionierte: die Telegraphie. Beide Medien wusste er über die Jahrzehnte nicht nur zur Information, sondern auch politisch zu nutzen. Die Absicht, die Öffentlichkeit und damit auch die politischen Entscheidungsträger zu beeinflussen, werden in dem Beitrag beispielhaft unter anderem an lancierten Meinungsartikeln, Versuchen der Pressezensur sowie der Emser Depesche veranschaulicht. Deutlich wird, dass die Presse für den preußischen Ministerpräsidenten und ersten Reichskanzler Mitstreiter und Gegner zugleich war.

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Wiederholt haben wir das Thema der historischen Denkmäler behandelt.

Auch und gerade im Falle Bismarcks drängen sich die Ambivalenzen der einstigen unkritischen Verehrung auf, die so gar nicht zu unseren postheroisch-pluralistischen Bewusstseinsständen passt. Statt Abriss plädieren wir hier traditionell für ein historisches sachliches „Einhegen“.

In der heutigen Ausgabe der „ZEIT“ vertritt aus aktuellem Anlass auch Josef Joffe diese Ansicht. Ein bemerkenswerter Artikel!

Geschrieben von  Dr. Ulf Morgenstern am Mittwoch, den 23. August 2017 um 12:26 Uhr

Das Sommerloch will gestopft sein, weshalb wir die Serie über „Bismarcks Sachsen“ wieder aufnehmen.

In loser Folge sind darin Bismarck-Bezüge in Sachsen oder unter den Sachsen gesammelt. Mal frappierend, mal erwartbar, in jedem Fall aber abseitig und teils skurril.

Der Anlass zu diesem Sammlungszugriff ist neben der Landsmannschaft des Verfassers dieser Einträge die ernst gemeinte Grundfrage, wie es zu der zeitgenössischen Bismarck-Verehrung in Sachsen kam, obwohl das kleine Königreich an der Elbe traditionell Probleme mit seinem nördlichen Nachbarn hatte und 1866 nur knapp der Annexion durch diesen entging.

Dennoch gab es in Dresden schon vor 1870 den ersten Bismarck-Platz. Dennoch wurden in Radebeul die Bismarck-Türme von Wilhelm Kreis ins Leben gerufen. Und dennoch wurden landauf, landab Denkmäler und Plaketten zu Ehren des Reichsgründers in die Landschaft geworfen.

Unsere Abbildung zeigt ein Beispiel aus Auerbach im Vogtland.

Welche Spuren sind heute von dieser brachialen, mitteldeutschen Integrationsrhetorik ins Kaiserreich noch vorhanden? Wie wird mit ihnen umgegangen? Wo werden sie wieder sichtbar gemacht? Und wo werden gar ganz neue erfunden?

Sie glauben, Letzteres gäbe es nicht? Die Sächsische Zeitung belehrt ihre Leser eines Besseren.

Geschrieben von  Dr. Ulf Morgenstern am Freitag, den 21. Juli 2017 um 09:22 Uhr

Gestern würdigten an dem etwas krummen 73. Jahrestag des Stauffenberg-Attentats die Spitzen der Politik in Berlin den mutigen Einsatz der Verschwörer des 20. Juli 1944.

Drei Jahre nach dem Versuch, das NS-Regime zu beseitigen, war dieses längst verschwunden. Deutschland lag in Trümmern, das Deutsche Reich war in den Exzessen der Nationalsozialisten untergegangen und die Siegermächte hatten jenes Land besetzt, das Europa verheert hatte.

Am 20. Juli 1947 schaute der 1933 ins Exil geangene Wirtschaftswissenschaftler und Kultursoziologe Wilhelm Röpke in einem klugen Text auf die Nachkriegsgegenwart und die ihr vorangegangene Zeitgeschichte.

Seine Analyse des Mitläufertums ist noch heute bestechend, seine Bereitschaft zur Versöhnung nötigt Respekt ab.

In seinen historischen Begründungen für das Versagen des Bürgertums greift er gelegentlich etwas zu kurz und manches gerät ihm auf dem später durch Sebastian Haffner berühmt gewordenen Weg von „Bismarck zu Hitler“ zur Teleologie.

Das macht aber überhaupt nichts, verdeutlicht man sich die konkrete Situation des Sommers 1947. Röpke, einer der Väter der sozialen Marktwirtschaft, spitzt hier Strukturen der Vergangenheit und Charakterieigenschaften verblichener Akteure bewusst zu. Nicht um zu diskreditieren, sondern um in Abgrenzung einen integrativen Weg in eine bessere Zukunft zu weisen.

Ein lesenswerter Text, den der Tagesspiegel ungekürzt noch einmal veröffentlicht. Herzlichen Dank!

Geschrieben von  Dr. Ulf Morgenstern am Freitag, den 02. Juni 2017 um 09:25 Uhr

In einer Ausstellung im Stadtmuseum Ingolstadt kann man bestaunen, was nach Uromas Ableben noch immer achtlos auf den Sperrmüll wandert: Kunst- und Kunstgegenstände in der kitischig wirkenden Opulenz des 19. Jahrhunderts.

Die gezeigte Sammlung Ott bringt zahlreiche Objekte zusammen, deren Ästhetik zwischen Biedermeier und Historismus bei genauerer Betrachtung zu Unrecht nur als kitschig empfunden wird.

Natürlich, ein wenig Überwindung kostet es, die etwas süßlichen Figuren und Gegenstände zu betrachten. Aber:

Der postmoderne Blick auf das Farbe und Form gewordene 19. Jahrhundert lohnt, wie auch der Donaukurier schreibt. Daher raten wir: Auf nach Ingolstadt, noch bis zum 26. November 2017!

Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Donnerstag, den 17. November 2016 um 10:33 Uhr

Gern verlinken wir auf einen lesenswerten Jubiläumsartikel aus Anlass des 150jährigen Bestehens einer Qualitätszeitung aus Frankfurt am Main.

Ob da nun zwischen 1866 und 1890 gelegentlich scharf gegen den preußischen Ministerpräsidenten geschossen wurde oder nicht: Vergeben, vergessen und vorbei!

Die Journalisten aus der Mainmetropole mit den präzisen Informationen aus Berlin werden schon ihre Gründe gehabt haben, den Mann, der in den 1850er Jahren als Gesandter in Frankfurt lebte und dort 1871 mit Frankreich einen – gelinde gesagt – straffen Friedensvertrag schloss, zu kritisieren.

Ihre Nachfolger in der Redaktion konnten das 1899 im Frankfurter Stadtteil Höchst aufgestellte Bismarck-Denkmal zwar noch ignorieren, d.h. „umgehen“. Am 1908 vor dem Schauspielhaus aufgestellten, zentralen Frankfurter Bismarck-Denkmal mussten aber auch sie gelegentlich vorbei. (Diese und andere Bismarck-Ehrungen im öffentlichen Raum verzeichnet BISMARCKIERUNG.de)

Aber zurück zum Leitmedium vom Main: Herzlichen Glückwunsch und – wie man im 19. Jahrhundert lateinernd hinzufügte – Ad multos annos!

Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Montag, den 07. November 2016 um 11:14 Uhr

Vorteilsnahme im Amt, Bestechung, Klientelismus: Diese mordernen, Amt und Privatperson trennenden Kategorien hätten Bismarck um den Großteil seiner Geschenke gebracht.

Neben Kunstwerken und geschmacklich fragwürdigem Nippes erhielt Bismarck von Verehrern und Geschäftsleuten immer wieder Lebensmittel. Ein Klassiker unter den unaufgeforderten Zuwendungen waren Wein- und Bierlieferungen.

Der langjährige Diener Pinnau berichtete in seinen Memoiren, dass in Friedrichsruh irgendwann keine alkoholischen Getränke mehr angeschafft worden seien, da die Geschenke die Keller des Hauses mit Vorräten gefüllt hätten, die sogar der umfänglichen Haushaltung mit den regelmäßigen Gästen völlig genügt hätten.

Irgendwann muss darunter auch ein Faß Bier aus Wiesenburg (Mark) gewesen sein. Wie das „Fürstenbräu“ den Herrschaften geschmeckt hat, ist nicht überliefert. Wahrscheinlich hat man es beim Verlesen der mitgesandten Zeilen einfach getrunken und sich anschließend anderen Aufgaben zugewandt.

 

„Schon oft hab` ich vernommen, Daß die aus Bayerland /

Zum Wiegenfest dem Kanzler / Ihr bestes Bier gesandt.

Da dachte ich beim Sinnen / Ob diesem schönen Brauch;

Was die in Bayern können, Das kannst Du Märker auch.

Vom allerbesten Hopfen / Nahm ich, vom besten Malz;

Das muß ein Tränklein werden / Gar prächtig jedenfalls!

Und als der erste Tropfen / Uns über die Zunge rann,

Da riefen in dem Kreise / Die Zecher, Mann für Mann:

Das ist ein biedres Tränklein, Gleich milde und gleich stark,

Ohn` Falsch und ohne Fehle, Ein echtes Kind der Mark!

Drum gebt ihm mit dem Namen / Auch gleich die rechte Weih`!

Da nannten wir dem Kanzler / Zur Lieb` es „Fürstenbräu!“

So mag den Weg es nehmen / Vom märkschen Fürstenstein /

Zu allen deutschen Zechern / Weit in die Welt hinein!

Das erste Fäßlein aber, Das davon wird versandt.

Das senden wir dem Manne, Nach dem es ward genannt!

Mag es Dem Fürsten munden / Heut und noch manches Jahr!

Mit diesem Wunsche bringen /Wir diese Gabe dar.

So lang Er in den Händen / Hält fest die Zügel noch /

Blüht Deutschlands Malz und Hopfen/der Kanzler lebe hoch.“

 

Näheres in einem Artikel der Märkischen Online-Zeitung.

Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Freitag, den 07. Oktober 2016 um 12:44 Uhr

Unter den präganten Aussagen Bismarcks gibt es solche, die andere Derbheiten und Bonmots noch an Prägnanz überragen. Zu ihnen gehört eine Aussage über das Schicksal des jungen Staates Bulgarien aus dem Jahr 1887. Im Kontext der sogenannten Doppelkrise spielte der Konflikt um die Zukunft Bulgariens für Deutschland eine wichtige Rolle, da er Auswirkungen auf die Beziehungen zu den ganz unterschiedliche Interessen verfolgenden Staaten Russland, Österreich, Großbritannien und Türkei hatte. Von den prekären Beziehungen zu dem durch seinen Minister Boulanger auf Revanche gegen Deutschland sinnenden Frankreich ganz zu schweigen.

Bismarck war, seine eigentlichen Gedanken und Ziele verbergend, rund um den Jahreswechsel 1886/87 im In- und Ausland bemüht, den Eindruck absoluten Desinteresses in der bulgarischen Frage zu erwecken. Kriegslust und Parteilichkeit in dem Zwist um die Regierung des Fürsten Alexanders I. sollten auf keinen Fall mit der Berliner Politik assoziiert werden. Um diese vermeintliche Haltung besonders prägnant zum Ausdruck bringen, wählte Bismarck ein bis heute beliebtes Stilmittel: das des literarischen Zitats.

Ähnlich wie Bundestagspräsident Lammert in seiner Rede am 3. Oktober 2016 in Dresden Schopenhauer zitierte, um dessen Aussage über die Deutschen nicht selbst formulieren zu müssen, griff Bismarck auf den Fundus der geflügelten Worte William Shakespeares zurück, um mit dessen sprachlicher Autorität einen Sachverhalt seiner Gegenwart des Jahers 1887 zu charakterisieren. Wörtlich sagte Bismarck am 11. Januar 1887:

„Als ich diese Declamationen (die Zeitungsausschnitte, in denen zum Kriege gegen Rußland gehetzt wurde) zuerst las – … so fiel mir unwillkürlich die Scene aus ‚Hamlet‘ ein, wo der Schauspieler declamirt und Thränen vergießt über das Schicksal der Hekuba – wirkliche Thränen – und Hamlet sagt – ich weiß nicht, wendet er den ausdruck an, der durch Herrn Virchow das parlamentarische Bürgerrecht gewonnen hat, den Ausdruck von ‚Schuft‘ -: ‚Was bin ich für ein Schuft? oder benutzt er ein anderes Beiwort? – kurz und gut er sagt: ‚Was ist ihm Hekuba?‘ – Das fiel mir damals sofort ein. Was sollen diese Declamationen heißen? Was ist uns Bulgarien? es ist uns vollständig gleichgültig, wer in Bulgarien regiert, und was aus Bulgarien überhaupt wird, – das wiederhole ich hier, ich wiederhole alles, was ich früher mit dem viel mißbrauchten Ausdruck von den Knochen des pommerschen Grenadiers gesagt habe: Die ganze orientalische Frage ist für uns keine Kriegsfrage.“

Ein schwäbischer Bildungsbürger hat sich nun 129 Jahre post festum den Shakespeare-Anleihen des adligen Reichskanzlers  angenommen und auf wundervoll leichtfüßige Art und Weise auch die antiken Grundlagen des Hamlet-Wortes beleuchtet. Nachzulesen hier …

Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Montag, den 20. Juni 2016 um 12:05 Uhr

Auch wenn die Urlaubspläne längst festgezurrt und die Hotels gebucht sind, träumen Sie sich doch mal ins hinterste Amerika. Die Welt empfiehlt dafür in einem launigen Artikel den gnadenlos unterschätzten Bundesstaat North Dakota; bekannt wegen der gnadenlos dämlichen Gangster aus dem Klassikerfilm der Coen-Brüder „Fargo“. Aber North Dakota ist noch viel mehr. Warum dessen Hauptstadt Bismarck heißt und wie gemütlich es dort zu geht, lesen Sie hier.

Geschrieben von Dr. Ulf Morgenstern am Freitag, den 03. Juni 2016 um 10:48 Uhr

Das glauben Sie nicht? Oder Sie halten die Schlagzeile für eine Überschrift aus dem Jahr 2050, wenn das Beispiel Baden-Württembergs vielleicht der bundesdeutsche Normalfall geworden sein wird? Dann schauen Sie mal nach Würzburg.

Dort gibt es seit dem Jahr 1900 einen Bismarckturm (s. unser Bild). Das fanden zwei grüne Stadträtinnen zu wenig und haben für eine Erweiterung des Ehrregimes gesorgt. Unterhalb der Festung. Dort hat die Pflege einer Städtepartnerschaft durch die engagierten Lokalpolitiker zu einer neuen Bismarck-Benennung im öffentlichen Raum geführt.  Dass es bei der außerwöhnlichen Gestaltung einer Grünfläche nur mittelbar um Bismarck geht, geben wir gern zu.

Im Ergebnis bleibt aber festzustellen, dass der Name Bismarck hier neu in die Landschaft eingeschrieben wurde. Auf unverkrampfte Art und Weise. Über postkoloniale Geschichtsbilder und sich überlagernde oder sogar schneidende Ebenen von erinnerungskulturellen Versatzstücken tansanischer und mainfränkischer Geschichte könnte die Wissenschaft hier detaillierte Ausführungen folgen lassen. Tut Sie vielleicht auch später noch. Aber lesen Sie in der Main-Post doch zunächst einmal selbst, worum es geht.