Na das fängt ja gut an: Mao ist 2016 erstmals größer als Bismarck!

Von Dr. Ulf Morgenstern

Vor 110 Jahren wurde in Hamburg das größte Bismarck-Denkmal eingeweiht. Bis heute ist es das höchste seiner Art, seine Sanierung ist im letzten Jahr beschlossen worden. Dabei wendet die öffentliche Hand die Gelder dezidiert dem Hamburger Wahrzeichen und nicht der mythischen Rolandsfigur des Reichsgründers zu. Nach zwei Diktaturen ist man in Deutschland sensibel geworden in Sachen Personenkult, was sich nicht nur im politischen Stil in Bund und Ländern, sondern auch im Umgang mit dem historischen Erbe der deutschen Länder ausdrückt.

Kurz: Man tut sich nicht selten schwer mit Straßennamen, Denkmälern und anderen Ehrungen, die in vergangenen Zeiten für seinerzeit als verdienstvoll erachtete Führungsfiguren aus Politik und Militär errichtet worden.

Während die Präsenz der Symbolfiguren des Kaiserreichs (Bismarck, Moltke, Kaiser Wilhelm I., usw.) bisher noch unumstritten scheint, wird seit einigen Jahren lebhaft um vermeintliche koloniale Helden wie Lothar von Trotha und deren Ehrungen im öffentlichen Raum diskutiert. Am prominentesten war zuletzt der vielerorts ausgetragene Streit um Hindenburg-Plätze und Straßen, Einzelheiten sollen hier nicht wiederholt werden.

So begrüßenswert diese Beispiele für gelebte Demokratie an sich schon sind, so relevant sind sie als lokalpolitische und zivilgesellschaftliche Debatten um Ehrregime auch für die Bismarck-Forschung. Diese endet bekanntlich nicht chronologisch mit Tod Bismarcks 1898, sondern nimmt auch das lange Ausgreifen des danach zu beachtlichen Merkwürdigkeiten ausgewachsenen Bismarck-Mythos in den Blick. In dem Projekt BISMARCKIERUNG sammeln und dokumentieren wir seit 2013 die Ehrungen für den Kanzler. Dabei interessiert uns ganz allgemein, wer wann und wo welche Form von Ehrung in die Landschaft brachte, sei es in Form von Denkmälern, Gedenksteinen, Benennungen von Straßen usw.

Aus der Kartierung der Welt mit Bismarck-Orten erhellt umgekehrt aber auch, wo genau das nicht geschehen ist, d.h. wo dem preußischen Gewaltpolitiker Ehrungen versagt worden. Selbstverständlich verzeichnen wir auch ehemalige Bismarck-Orte, denn die Umbenennungen sind eine bisher nicht,oder nur in Einzelfällen und am Rande untersuchte Facette der Geschichtspolitik und Erinnerungskultur in Staat und Gesellschaft.

Dafür, dass andere Nationen noch recht umbefangen und unkritisch mit ihren historischen Leit-Figuren umgehen, liefert die de jure noch immer sozialistische Volksrepublik China seit kurzem ein neues Beispiel. Eine 36 Meter hohe Mao-Figur erinnert an den nach offizieller Lesart unumstrittenen Staatsgründer. Damit ist Mao erstmals ein Denkmal gewidmet, das höher ist, als das 1906 in Hamburg errichtete Bismarck-Denkmal: der Chinese ist nun sitzend 1,7 Meter höher als der stehende Altmärker, bisher war ein mit 32 Metern auch auch schon beachtlicher Mao noch knapp kürzer. Dass China de facto schon seit etwa zwei Jahrzehnten in kapitalistischen Zuständen angekommen ist, beweist die wenig zurückhaltende Oberfläche des Revolutionärs. Sie ist aus purem Gold! Zumindest auf den ersten Blick. Tatsächlich ist der Riese nur golden angestrichen, wobei dem Reich der Mitte sein Staatsgründer schon ein paar Hundert Quadratmeter Blattgold hätte wert sein dürfen, oder?! Aber wie auch immer: Verglichen damit erscheint der schwert-bewehrte Bismarck-Roland fast schon zurückhaltend!

Auf der Abbildung ist eine Bismarck-Ehrung auf chinesischem Boden aus der Hochphase des europäischen Kolonialismus zu sehen.

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